Bauprojekte und Sanierungsversuche Wie geht es nach der Signa-Insolvenz weiter?
Warum musste Signa jetzt Insolvenz anmelden? Was heißt das für die Baustellen des Konzerns und den Immobilienmarkt? Und wie sind die Folgen für den Milliardär René Benko selbst? Antworten auf zentrale Fragen.
Was bedeutet der Insolvenzantrag der Signa Holding?
Dieser Insolvenzantrag der milliardenschweren und ziemlich komplex verschachtelten Signa Holding ist zunächst das Eingeständnis, dass offenbar niemand mehr Geld nachschießen wollte, um den Konzern des Unternehmers René Benko kurzfristig wieder flüssig werden zu lassen: Kein Hedgefonds, mit dem offenbar bis zuletzt verhandelt wurde, nicht der saudi-arabische Staatsfonds - und auch niemand aus dem Kreis der Millionäre beziehungsweise Milliardäre, die Mitgesellschafter sind bei Signa.
Dazu gehören einige bekannte Wirtschaftsgrößen, etwa der Logistikunternehmer Klaus-Michael Kühne, Roland Berger, Gründer der bekannten Unternehmensberatung, der österreichische Industrielle Hans Peter Haselsteiner, Fressnapf-Gründer Torsten Toeller oder die Peugeot-Familie aus Frankreich.
Warum kommt die Insolvenz jetzt?
Was am Mittwoch passiert ist, ist eine "Notbremse". Heute wäre eine 200-Millionen-Euro-Anleihe fällig geworden - Geld, das die Signa offenbar nicht flüssig hat. Schätzungen zufolge fehlen dem Unternehmen ungefähr eine halbe Milliarde Euro für Kredite, die fällig werden bis Ende des Jahres - deshalb der Antrag auf Insolvenz beim Handelsgericht in Wien.
Wie funktioniert das Verfahren?
Es geht um eine besondere, etwas "mildere" Form der Insolvenz. Signa will sich in Eigenverwaltung sanieren nach einem eigenen Plan - allerdings unter Aufsicht eines Sanierungsverwalters, den das Gericht bestimmt. Das Handelsgericht Wien hat dieses Sanierungsverfahren unter Eigenverwaltung inzwischen gestattet. Dabei muss nach österreichischem Recht für die Gläubiger mindestens eine Quote von 30 Prozent herausspringen.
Wie geht es weiter, auch mit den Bauprojekten und Galeria?
Der Plan von Signa bedeutet zunächst vor allem sehr viel Arbeit für den gerichtlich bestellten Verwalter. Signa ist komplex verschachtelt, das Firmenimperium muss erstmal sortiert werden: Was ist an Werten wirklich da? Welche Immobilien, welche Geschäftsfelder sind was wert?
Dann muss entschieden werden: Wo gibt es Investoren, was kann verkauft werden - und für wie viel? Und was sollte Signa für einen Neustart behalten? Das betrifft dann auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Galeria Karstadt Kaufhof. Deren Zukunft bleibt unklar.
So ist es auch mit den prominenten Bauprojekte der Signa-Holding, dem Hamburger Elbtower zum Beispiel oder der Alten Akademie in München, mitten in der Fußgängerzone. Die Arbeiten dort waren schon eingestellt worden, weil die Rechnungen offensichtlich nicht mehr bezahlt wurden. Nun dürfte es für jedes einzelne Bauprojekt - die jeweils separate Gesellschaften sind - darum gehen, ob es Investoren beziehungsweise Geldgeber gibt, die bereit und in der Lage dazu sind, Projekte zu übernehmen und fortzuführen.
Nach Einschätzung von Experten könnte der gesamte Immobilienmarkt erschüttert werden, sollten nun viele Top-Immobilien aus dem Signa-Bestand zum Verkauf angeboten werden. Zumal besonders die Preise für Gewerbeimmobilien sowieso schon stark unter Druck stehen.
Wie reagiert die Politik?
"Mögliche Auswirkungen müssen jetzt erst mal geprüft werden", sagte eine Sprecherin des Bundesfinanzministeriums. Galeria Kaufhof Karstadt hatte 2021 und 2022 staatliche Unterstützung erhalten. Der Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) griff dem Unternehmen mit insgesamt 680 Millionen Euro unter die Arme.
München hat alle Planungen für Signa-Projekte bereits gestoppt. Die Stadt Hamburg hat sich bislang bedeckt gehalten zu den Folgen der Insolvenz. Dort gehören Signa mehrere teure Immobilien in City-Lagen. Nicht nur der Bau des Elbtower, auch die Arbeiten auf zwei weiteren Signa-Baustellen wurden gestoppt. Indes gibt es erste Stimmen in der SPD-Bürgerschaftsfraktion, die laut über einen möglichen Rückbau des Elbtower nachdenken - zumal unklar ist, ob sich das Projekt überhaupt noch rechnet.
Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer reagierte angesichts der größten Firmenpleite im Land seit dem Zweiten Weltkrieg gelassen. Insolvenzen gehörten "mit zum Wirtschaftsleben". Es handele sich auch um eine reine Wirtschaftsangelegenheit. "Ich sehe kein Politikum, das ist ein Fall des Insolvenzrechts", sagte der ÖVP-Politiker.
Wie hart trifft es René Benko selbst?
René Benko arbeitete sich aus kleinen Verhältnissen zum Selfmade-Milliardär hoch - und wurde in Österreich "Wunderwuzzi" genannt, als Beispiel für das österreichische Wirtschaftswunder. Sein Vermögen ist in den vergangenen Wochen bereits geschrumpft. So taxierte es das US-Magazin Forbes Anfang November noch auf 5,6 Milliarden Dollar. Nun taucht Benko in der weltweiten "Reichenliste" mit einem Vermögen von 2,8 Milliarden Dollar auf.
Wie viel ihm als Folge der Insolvenz bleiben wird, ist schwer zu sagen - weil seine Firmengruppe mit der Familienstiftung dahinter so komplex verschachtelt ist. In seiner Stiftung liegt unter anderem auch eine Kunstsammlung inklusive eines Picasso, der sich zu Geld machen ließe. Bei seinen Mitgesellschaftern steht Benko im Wort, selber Geld für die Sanierung einzubringen - als "vertrauensbildende Maßnahme". Doch fraglich ist, wie viel Vertrauen seitens der Geldgeber nun noch übrigbleibt - womit auch unklar ist, ob die Signa Holding überleben kann.
Mit Material von Wolfgang Vichtl, ARD-Studio Wien