Gastgewerbe Zittern vor der Mehrwertsteuer
Pandemie, Energiekrise, Inflation, Fachkräftemangel: Das Gastgewerbe steht unter Druck. Langsam erholt sich die Branche, doch zum Jahresende droht neues Ungemach - in Gestalt der Mehrwertsteuer.
Eigentlich sind die Ferien gerade zu Ende, aber der Sommer legt noch einmal eine Extrarunde ein. Schön für die Gäste, die am Wochenende in "Jordans Untermühle" im rheinhessischen Köngernheim einchecken. Ihr Programm: Ein paar Tage Wellness, ein bisschen im Pool plantschen, mit dem Fahrrad die sanften Hügel der Umgebung erkunden, abends ein Dreigangmenü genießen. Eine kleine Auszeit - passenderweise lautet die Adresse des Hotels "Außerhalb 1".
Wohlfühltage statt Businesstagungen - Gerhard Jordan hat mit der Pandemie sein Geschäftskonzept komplett umgekrempelt. "Die Tagungen waren ja das Erste, was abgesagt wurde. Das sind schon Existenzängste, die da aufkommen. Keiner wusste, wie geht das denn weiter? Wir haben dann gesagt: Wir konzentrieren uns auf das Kerngeschäft Wellness. Unsere Mitarbeiter werden dementsprechend geschult." Das Konzept geht auf - Jordans 45 Zimmer sind gut gebucht, und das übers ganze Jahr.
"Das Wohnzimmer der Gesellschaft"
Doch längst nicht alle in der Branche können eine so positive Bilanz ziehen. Zwar gab es 2022 bundesweit gut 45 Prozent mehr Übernachtungen als im Corona-Jahr 2021. Für das laufende Jahr wird mit ähnlichen Zahlen wie 2019 gerechnet, aber die Rahmenbedingungen sind nicht mehr dieselben. Inflation, Energiekrise, hohe Preise für Lebensmittel und Löhne, dazu der Fachkräftemangel - die Unternehmen stehen unter Druck.
Vor Corona zählte der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) 220.000 Mitgliedsbetriebe. Heute sind es noch 186.000, so die DEHOGA-Geschäftsführerin Ingrid Hartges. "Gerade die Gastronomie erfüllt ja noch andere Zwecke, als einfach nur Essen zu servieren. Unsere Betriebe sind so etwas wie das Wohnzimmer der Gesellschaft. Hier treffen sich Menschen. Während Corona hat uns das so sehr gefehlt. Die Gäste waren glücklich, als wir wieder öffnen konnten. Wo Gaststätten sterben, stirbt ein Teil der Seele des Ortes."
Innenstädte verödeten dadurch, auf dem Land würden Ausflügler die Regionen meiden, wenn man nicht mehr einkehren könne. "Und dann hängen ja noch etliche andere Branchen dran. Landwirte, Winzer, Bäcker beispielsweise."
DEHOGA warnt vor Pleitewelle
Die Politik habe während der Pandemie viel für die Branche getan - beispielsweise die Mehrwertsteuer für Mahlzeiten im Restaurant von 19 auf sieben Prozent gesenkt. Aber: Damit soll zum Jahresende Schluss sein. "Existenzbedrohend" sei das für viele Betriebe, warnt Hartges. "Die Wirte werden diese Preissteigerung an die Gäste weitergeben. Und die Gäste werden seltener kommen oder wegbleiben. Der höhere Steuersatz gilt übrigens auch für Essen in Kitas - gesund soll es sein, aber doch bitte auch bezahlbar."
Auf To-go-Mahlzeiten oder die Tütensuppe aus dem Discounter würden weiterhin nur sieben Prozent Umsatzsteuer fällig - "das ist doch absurd". Bis zu 12.000 Betriebe müssten schließen, warnt die DEHOGA und macht derzeit mobil gegen die Pläne der Ampel.
Ökonomen für Wiederanhebung
Allerdings gibt es auch Stimmen, die sich für eine Wiederanhebung des Steuersatzes aussprechen. "Die Steuersenkung war eine Maßnahme, die in der Pandemie ergriffen wurde, um die von der Krise gebeutelte Gastronomie zu stützen", sagte der Präsident des Münchener ifo-Instituts, Clemens Fuest, dem "Handelsblatt". "Die Pandemie ist lange vorbei, also sollte die Hilfsmaßnahme enden."
DIW-Präsident Marcel Fratzscher verweist darauf, dass die Preise in der Gastronomie in den vergangenen Jahren bereits kräftig gestiegen seien und vermutet, dass die höhere Mehrwertsteuer sich nur geringfügig bemerkbar machen würde. Zudem gebe es keinen Grund, nur Gaststätten zu entlasten, nicht aber etwa auch Hotels oder Einzelhandelsgeschäfte.
"Eine positive Entwicklung zu erkennen"
"Wir bräuchten eine richtige Steuerreform, wo alles mal auf den Prüfstand kommt", findet Gastronom Jordan. Da die aber nicht in Sicht sei, müsse wenigstens für die Gastronomie der niedrige Satz auf Dauer beibehalten werden. "Eine Erhöhung wäre eine Katastrophe. Aber auch in anderen Bereichen klaffen Anspruch und Wirklichkeit auseinander. Die Beschäftigung ausländischer, zugereister Menschen müsste leichter werden, unbürokratischer, damit alles schneller vonstatten geht."
Die Personalnot, über die viele seiner Kollegen klagen, spürt er allerdings noch nicht. Wertschätzung für seine Mitarbeiter sei ihm wichtig, betont er, und auch die gesellschaftliche Anerkennung seiner Branche: "Da, glaube ich, ist eine positive Entwicklung zu erkennen. Solche Diskussionen um diese Mehrwertsteuer - das würde uns einfach ganz weit zurückwerfen."
Anmerkung der Redaktion: Die Autorin dieses Textes ist mit Gerhard Jordan weder verwandt, noch verschwägert, noch befreundet.