Deal mit US-Justiz Boeing will sich wegen Abstürzen schuldig bekennen
2018 und 2019 waren zwei 737-MAX-Maschinen abgestürzt, 346 Menschen starben. Boeing hat sich nun bereit erklärt, sich wegen Verabredung zum Betrug schuldig zu bekennen. Der Flugzeugbauer könnte sich so einen Prozess ersparen.
Der US-Flugzeugbauer Boeing hat sich bereit erklärt, sich der "Verschwörung zum Betrug an den Vereinigten Staaten" bei der Zertifizierung von Flugzeugen des Typs 737 MAX schuldig zu bekennen. Damit würde Boeing weiteren Untersuchungen des Justizministeriums entgehen, heißt es in einem Dokument, das das US-Justizministerium am Sonntagabend beim Bundesgericht in Texas einreichte.
Der vollständige schriftliche Vergleich soll bis zum 19. Juli vorgelegt werden und bedarf der Zustimmung eines Bundesrichters. Sollte es dazu kommen, müsste Boeing eine Strafe von 243,6 Millionen Dollar zahlen. Ein Boeing-Sprecher bestätigte, dass mit dem Justizministerium eine Grundsatzeinigung über die Bedingungen für eine Lösung erzielt worden sei.
Angehörige kritisieren den Deal
Das Verfahren betrifft die Abstürze zweier Maschinen des Typs 737 MAX in Indonesien und Äthiopien 2018 und 2019. Innerhalb von fünf Monaten waren 346 Menschen ums Leben gekommen. Untersuchungen zu den Abstürzen hatten ergeben, dass die neue Softwarefunktion MCAS (Maneuvering Characteristics Augmentation System) die Nase der Maschine wiederholt nach unten gedrückt hatte. Den Piloten war es nicht gelungen, das Flugzeug in der Luft zu halten. Nach dem zweiten Absturz verhängte die US-Luftfahrtbehörde FAA ein Flugverbot für die MAX-Flotte von 20 Monaten. Die Maßnahme kostete Boeing 20 Milliarden Dollar.
Die Angehörigen hatten verlangt, dass Boeing vor Gericht gestellt wird sowie eine härtere Strafe erhält, und kritisierten den geplanten Deal. Der Deal sei ein "Klaps auf die Finger", kritisierte Erin Applebaum, Anwältin bei Kreindler & Kreindler LLP, die einige Verwandte der Opfer vertritt. Anwälte einiger Familien erklärten, sie würden Richter Reed O'Connor drängen, die Vereinbarung abzulehnen.
Boeing verstieß gegen Vereinbarung mit dem US-Justizministerium
Der Deal folgt auf eine Feststellung des Justizministeriums im vergangenen Mai, wonach Boeing gegen eine Vereinbarung aus dem Jahr 2021 verstoßen habe, die das Unternehmen wegen der Abstürze in Indonesien und Äthiopien vor Strafverfolgung geschützt hatte.
Das US-Justizministerium hatte damals zugestimmt, die Strafverfolgung auszusetzen. Es forderte dazu auf, eine Anklage wegen Verschwörung zum Betrug an der US-Luftfahrtbehörde abzuweisen, solange sich das Unternehmen über einen Zeitraum von drei Jahren an gewisse vereinbarte Bedingungen hält.
Boeing hatte sich bereit erklärt, die Compliance-Praktiken zu überarbeiten, um Verstöße gegen US-Betrugsgesetze zu verhindern. Außerdem sollten regelmäßige Berichte vorgelegt werden. Zwei Tage vor Ablauf der Vereinbarung kam es zum Zwischenfall mit einer Boeing 737 MAX 9 der Alaska Airlines, bei der kurz nach dem Start ein Teil der Kabinenwand herausgerissen wurde.
Die Folgen des Schuldeingeständnisses
Sollte es zu der Vereinbarung kommen, wäre der Konzern wegen eines schweren Verbrechens verurteilt. Zudem müsste er in den kommenden drei Jahren mindestens 455 Millionen Dollar in die Verbesserung seiner Sicherheits- und Compliance-Programme stecken. Außerdem müsste sich der Konzernvorstand mit den Angehörigen der Opfer treffen. Ein unabhängiger Prüfer müsste jedes Jahr einen Fortschrittsbericht vorlegen. Boeing erhielte eine Bewährungszeit von drei Jahren.
Mit einem Schuldeingeständnis riskiert Boeing außerdem, dass dem Flugzeugbauer weitere lukrative Regierungsaufträge entgehen, etwa vom Verteidigungsministerium oder der Raumfahrtbehörde NASA.
Boeing würde sich aber einen Prozess ersparen, der zahlreiche Konzernentscheidungen, die zu den Abstürzen geführt haben, unter eine noch größere öffentliche Prüfung bringen würde. Es würde dem Konzern, der im Laufe des Jahres einen neuen Chef bekommt, auch die Genehmigung der Übernahme von Spirit AeroSystems erleichtern.
Der neue Vergleich, sollte er vereinbart werden, bezieht sich lediglich auf das Verhalten des Konzerns vor den tödlichen Abstürzen. Er schützt ihn nicht vor etwaigen Ermittlungen oder Anklagen im Zusammenhang mit weiteren Vorfällen wie dem Zwischenfall im Januar.