Studie über Tempo 130 Tempolimit könnte der Wirtschaft nutzen
Ein Tempolimit auch auf deutschen Autobahnen käme einer neuen Studie zufolge nicht nur dem Klima zugute. Wissenschaftler haben ausgerechnet, welcher ökonomische Nutzen zu erwarten wäre.
Ein Tempolimit von 130 Kilometern pro Stunde in Deutschland würde einer neuen Studie zufolge nicht nur dem Klimaschutz zugutekommen, sondern hätte auch einen erheblichen wirtschaftlichen Nutzen. Eine internationale Forschergruppe ermittelte sogenannte Wohlfahrtsgewinne von mindestens 950 Millionen Euro pro Jahr.
Weniger Kosten für Lieferketten
Besonders ins Gewicht fallen würden - neben dem Klimaschutzeffekt und den damit verbundenen Einsparungen - der eingesparte Kraftstoff, weniger Unfälle, geringere Lieferketten-Kosten und Einsparungen bei der Infrastruktur, heißt es in der heute bekanntgewordenen Studie, die im Fachjournal "Ecological Economics" veröffentlicht wurde.
"Wir werden als Gesellschaft Kosten vermeiden können, die aufgrund eines gebremsten Klimawandels einfach nicht entstehen werden", sagte Stefan Gössling, Mobilitätsforscher an der Linnaeus Universität in Kalmar in Schweden und Mitautor der Studie, im Interview mit tagesschau24 .
Dem Zeitverlust stehen Einsparungen entgegen
Die Forscher sehen nicht nur positive Auswirkungen auf das Klima, sondern auf die Gesellschaft insgesamt. Durch die Einführung eines Tempolimits auf deutschen Autobahnen bleibe auch ohne Berücksichtigung der Verringerung der CO2-Emissionen ein Wohlfahrtsgewinn von etwa 660 Millionen Euro jährlich.
Zwar entstünden für betroffene Autofahrer durch niedrigere Geschwindigkeiten Zeitverluste, doch diese glichen sich fast vollständig durch gesparte Treibstoffe und geringere Unfallkosten aus. Laut den Berechnungen lasse sich anhand vorliegender Untersuchungen feststellen, dass höhere Geschwindigkeiten in der Regel mit einer Zunahme von Unfällen einhergehen, so Gössling.
Schaden durch Lärm nicht messbar?
Aus Sicht von Udo Becker, Experte am Institut für Verkehrsplanung und Straßenverkehr der TU Dresden, zeigen die Ergebnisse der Studie, dass ein Tempolimit ökonomisch sehr vorteilhaft sei. Fahrer würden dadurch Kraftstoff im Wert von 766 Millionen Euro pro Jahr sparen. In der Studie seien alle wesentlichen Wirkungen einbezogen worden. "Um die Klimaprobleme ebenso wie die Flächenverbrauchs-, Abgas- und Lärmprobleme des Verkehrs zu reduzieren, ist ein Tempolimit auf Bundesautobahnen damit ein volkswirtschaftlich sinnvolles Vorgehen", sagte Becker.
Auch Felix Creutzig vom Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) in Berlin nannte die Annahmen und Methodik der Studie plausibel. Die Annahmen seien konservativ getroffen, insbesondere bei den sozialen Kosten der CO2-Emissionen.
Allerdings könne die Analyse die Auswirkungen von etwa Verkehrslärm nicht genau erfassen. "Ihre große Schwäche ist, dass nur Dimensionen einbezogen werden, die gut messbar sind", so Creutzig. "So wird Verkehrslärm durch Rasen hier nicht adäquat präsentiert."
"Ergebnisse sind klar"
Deutschland ist nach Darstellung der Studien-Autoren nach wie vor das einzige große Land der Welt, in dem es keine allgemeine Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen gibt. Eines der Hauptargumente dafür sei, dass niedrigere Geschwindigkeiten Kosten für die Reisezeit verursachten, die nicht durch Vorteile wie eine Verringerung der Treibhausgasemissionen aufgewogen würden. Aus Sicht der Autoren sind solche Argumente irreführend.
"Die Ergebnisse sind klar", so Mitautor Stefan Gössling gegenüber tagesschau24. Gerade in Zeiten hoher Inflation und notwendiger Einsparungen sei ein Tempolimit von 130 sinnvoll. Das befürworte neben der Polizei auch die Mehrheit der Deutschen.
Analyse von Kosten und Nutzen
Die Experten aus Deutschland, Schweden und Kanada stützten sich den Angaben zufolge auf öffentlich zugängliche Daten. Mit Hilfe einer Kosten-Nutzen-Analyse ermittelten sie demnach die Auswirkungen eines Tempolimits auf Reisezeiten, Treibstoffverbrauch und Subventionen, Lieferketten, den Ausbau und Unterhalt von Infrastruktur, außerdem Landnutzung, Emissionen von Luftschadstoffen und Treibhausgasen.