ACC-Werk Kaiserslautern Baustopp für die Batteriefabrik der Superlative
In Kaiserslautern wollen europäische Autohersteller Batterien für E-Autos fertigen. Doch das Projekt legt eine "Pause" ein. Die technologischen Grundlagen der Batterien sollen offenbar auf den Prüfstand.
Eigentlich sollten die Bauarbeiten in Kaiserslautern schon abgeschlossen sein, nun Maschinen installiert werden und von Beginn des kommenden Jahres an Batteriezellen und entsprechende Module vom Band laufen. Dass das ohnehin ein ambitionierter Zeitplan war, lässt sich noch auf der Webseite von ACC nachlesen.
Eine rund 700 mal 100 Meter große Halle waren geplant, 30 neue Mitarbeitende pro Monat von 2024 an: "Das wird sportlich", sagte ACC-Deutschlandchef Peter Winternheimer vor rund einem Jahr. Nun liegt der Bau der Batteriezellfabrik auf Eis. Anstatt um zusätzliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dreht sich die Diskussion derzeit um die Batterie-Technologie selbst - zurück auf Anfang gewissermaßen. Und so mancher macht inzwischen ein Fragezeichen, ob die Gigafactory in Kaiserslautern überhaupt noch entsteht.
Batterien für 600.000 E-Autos geplant
Die für Kaiserslautern vorgestellten Pläne sahen vor, dass 2000 Mitarbeiter Batteriezellen und Module für 600.000 Elektrofahrzeuge pro Jahr produzieren. ACC ist ein Gemeinschaftsunternehmen des Batterieunternehmens Saft sowie der Automobilhersteller Mercedes-Benz und Stellantis, zu dem unter anderem Opel gehört. Sie wollen mit ACC die Batteriezellproduktion für die Elektromobilität in Europa forcieren.
Aber der Zukunftsantrieb der heimischen Autofabrikanten läuft noch nicht rund. Drei europäische Gigafactorys will ACC errichten: In Frankreich fährt das erste Werk zwar bereits im Testbetrieb, in Italien und in Kaiserslautern dagegen kommen die Fabriken nicht voran.
Gegenüber der Regionalzeitung "Rheinpfalz" sprach der Generalsekretär von ACC, Matthieu Hubert, Anfang Juni von einer "Pause": "Bevor wir investieren, und wir sprechen von Milliarden, müssen wir die Frage beantworten, welche Art von Batteriezell-Technologie der Markt erfordert", sagte Hubert der Zeitung. Ende dieses Jahres oder Anfang 2025 soll feststehen, wie es in Kaiserslautern weitergeht. Zur Zukunft der Gigafactory will sich ACC bis dahin nicht äußern, heißt es derzeit vom Unternehmen.
Nachfrage nach E-Autos eingebrochen
Zu schaffen machen ACC zum einen, wie im Mai bekannt wurde, Baukosten, die wesentlich höher ausfallen als ursprünglich geplant. Dazu kommen Planungsunsicherheiten beim Strompreis und bei der Nachfrage nach Elektroautos. Damit zu kämpfen haben Batteriehersteller weltweit.
"Die Nachfrage hat sich in den vergangenen zwei Jahren deutlich abgekühlt und ist nicht wie erhofft weiterhin so rasant gewachsen", sagt Lukas Weymann, der am Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung zu Batterietechnologie forscht. Vor allem günstigere Elektroautos stünden nun im Fokus von Kundinnen und Kunden. "Die Batterien machen dabei einen erheblichen Teil des Kostenkuchens aus", erklärt Weymann. Entsprechend groß ist der Druck auf die europäischen Hersteller, günstigere Batterien zu produzieren - auch bei ACC.
Neue Batterien im Fokus
In den Fokus gerät so die Zellchemie der Autobatterien. Die europäischen Hersteller setzen bislang vor allem auf Nickel-Mangan-Cobalt-Batterien, die eine vergleichsweise hohe Reichweite versprechen. Auch das erste ACC-Werk in Frankreich produziert solche NMC-Batterien.
Die Konkurrenz aus China setzt dagegen seit längerem auf Lithiumeisenphosphat-Batterien (LFP). "Diese kommen ohne Nickel und Cobalt aus und sind deswegen günstiger", sagt Batterieforscher Weymann. Der Kostendruck auf die europäischen Hersteller sei inzwischen so groß, dass nun auch hier die LFP-Batterien immer relevanter werden. Auch ACC will sich nach Medienberichten damit auseinandersetzen.
Förderung könnte gestoppt werden
Die Baupause hat also ökonomische und technologische Hintergründe - sie ist aber auch für die Politik relevant: Das Projekt gilt als wichtig für die strategische wirtschaftliche Entwicklung in Europa. Im September 2021 hat ACC deswegen einen staatlichen Förderbescheid in Höhe von bis zu 437 Millionen Euro erhalten.
Wie das Bundeswirtschaftsministerium auf Anfrage mitteilt, sind die Fördermittel bis 2030 im Klima- und Transformationsfonds eingeplant. Die Auszahlung erfolge nach Projektfortschritt. Würden vereinbarte Ziele nicht erreicht, könne die Förderung gestoppt und auch zurückgefordert werden.
Große Enttäuschung vor Ort
Dass es so weit nicht kommt, hofft nicht nur die deutsche Industrie, sondern vor allem auch Akteure vor Ort in Kaiserslautern. Denn nicht zuletzt hier ist die Gigafactory von enormer Bedeutung. "Die Nachricht der Baupause hat die Region schon betrübt, weil wir fest mit der Fabrik gerechnet haben", sagt Stefan Weiler, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung in Kaiserslautern.
Weiler ist seitens der Stadt mit dem Projekt betraut. "Das Werk hätte uns vor Ort in Richtung Vollbeschäftigung geführt", sagt er. Bereits heute seien viele Fachkräfte aus dem Ausland in die Region gekommen, um das Projekt voranzutreiben. Auch deswegen sei er zuversichtlich, dass ACC an Werk und Standort festhält - trotz der Startschwierigkeiten. "Ich gehe davon aus, dass wir spätestens in drei Jahren ein Batteriezellwerk haben werden", sagt Weiler. "Die Hoffnung ist, dass ACC hier eventuell sogar energieärmer produziert und vielleicht ohne kritische Rohstoffe."
Konkurrenzdruck aus China
Die europäischen Batteriehersteller stehen jedoch unter enormem Druck. "Die Dominanz von China bei der gesamten Wertschöpfungskette, also auch beim Zugriff auf Materialien und bei der Komponentenfertigung, ist sehr hoch", sagt Experte Weymann. Mit dem Aufbau der europäischen Infrastruktur dürfte der asiatische Marktanteil zurückgehen, China wird aber auch langfristig der mit Abstand größte Player bleiben, meint der Wissenschaftler.
Was das für ACC in Kaiserslautern bedeutet? "Die Nachfrage wird kommen", sagt Weymann. "Zumindest der Anreiz, das Werk zu bauen, bleibt trotz aller Unsicherheiten also weiter bestehen."