Eine Seite des Onlineshops Shein auf einem Display

Online-Textilhändler Mehr Shein als Sein - Chinas neuer Moderiese

Stand: 05.08.2023 14:49 Uhr

H&M, Zara oder Primark? Alles Mode von gestern. Shein heißt der neue Stern am Fashion-Firmament: Die Ultra-Fast-Fashion überholt sie alle. Was macht der chinesische Textilriese anders als die Konkurrenz?

Von Anke Heinhaus, HR

Wer Hosen für acht Euro, ein Shirt für drei Euro oder Hochzeitskleider für zwanzig Euro sucht, ist bei Shein richtig. Der chinesische Textilriese produziert sogenannte "Ultra Fast Fashion" - ein Geschäftsmodell, bei dem die Kollektionen schnell und trendbezogen designt und zu extrem niedrigen Preisen produziert und verkauft werden. Gekauft wird per App, mit der die Kundinnen und Kunden ihre Daten und ihr Kaufverhalten preisgeben. Direkt aus China versendet das Unternehmen mittlerweile in 165 Länder, ohne Zwischenhändler, was Teil des Preismodells ist.

Produktion in Echtzeit

Ein Erfolgsgeheimnis: Die sehr enge Interaktion mit den Kundinnen und Kunden. Täglich wirft Shein mehr als 1000 neue Teile auf seine Seite - zunächst nur Bilder. Dank den Appdaten der Käufer weiß der Onlinehändler aber genau, welche Teile angeklickt werden, danach also angesagt sind. Die kann Shein dann sofort in einer hohen Anzahl produzieren.

Das schafft zum Beispiel der deutsche Konkurrent Zalando nicht, geschweige denn Händler wie H&M und Zara, die auch stationären Handel betreiben. Dort sind die Prozesse zu langsam, um auf die immer schneller drehenden Fashion-Trends zu reagieren. Ein knallhartes Geschäftsmodell, sagt Jörg Funder, Handelsexperte an der Hochschule Worms. Denn durch diese Interaktion mit ihren Nutzerinnen und Nutzern sei der chinesische Produzent sehr gut in der Lage, Trends früh zu erkennen. Erst bei einer gewissen Nachfrage beginne die Produktion. Das Unternehmen brauche dadurch keine Lagerfläche, die produzierten Teile werden direkt verschickt.

Influencer-Marketing

Ein weiteres Erfolgsrezept von Shein sind Mikro-Influencer. Sie haben maximal 100.000 Follower. Mit diesen arbeitet Shein zusammen, anstatt auf namhafte Models oder Millionen-Influencer zu setzen, denn die sehr junge Zielgruppe sitzt bei TikTok. Hier erhält keine Modemarke aktuell so viel Aufmerksamkeit. Sogenannte "Shein-Hauls" - Videos, in denen Modefans ihre Käufe auspacken und anprobieren - sind fast immer ein Erfolgsgarant: bestellen, anziehen, fotografieren, posten. Anschließend kann das Stück häufig weg.

Wegwerfmode zu Schleuderpreisen

Und so überflutet der chinesische Onlineshop die Welt mit Billigware, die wohl kaum mehr als zwei Wäschen überlebt. Nachhaltig sieht anders aus. Auch wenn das jeder weiß: Shein wächst unbeeindruckt weiter. 2022 hat ihre App laut Statista 74,7 Mio Nutzer und erzielte mit diesen Nutzerinnen und Nutzern einen Umsatz von umgerechnet 30 Milliarden US-Dollar. Im Vergleich zum Vorjahr hat sich der Umsatz damit fast verdoppelt und seit 2019 verzehnfacht. 

Jetzt will Shein Amazon angreifen und ein ähnliches Konzept fahren: Neben Mode und Beauty sollen dort auch Haushaltsgeräte wie tragbare Waschmaschinen, Smart-Home-Produkte wie ferngesteuerte Beleuchtung und Heimwerkerprodukte wie Armaturen und Tapeten erhältlich sein. Expert Funder räumt dem große Chancen ein: "Noch dominiert Amazon die westliche Welt, Shein den asiatischen Markt. Aufgrund der unschlagbaren Preise kann sich das aber durchaus ändern." Für Funder ist sicher: Shein wird in Europa und den USA weiter wachsen.

Wochenlange Lieferzeiten

Einziger Wermutstropfen für die Kundinnen und Kunden sind die langen Lieferzeiten aus China. Bis zu vier Wochen sind die Pakete unterwegs.

Ein bisschen Mut macht eine Studie von Greenpeace, die bestätigt, dass das Bewusstsein für einen nachhaltigeren Umgang mit Mode wächst. Im Schnitt besaß im Jahr 2022 jeder Deutsche 87 Kleidungstücke, acht weniger als 2015. In absoluten Zahlen sind das 340 Millionen Teile. Shein könnte diese Entwicklung allerdings wieder umkehren.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete das HR-Fernsehen am 26. Juli 2023 um 20:15 Uhr in der Sendung "mex. das marktmagazin".