Nord Stream 2 EU-Staaten einigen sich im Pipeline-Streit
Nach der Beilegung des deutsch-französischen Streits über Nord Stream 2 haben sich auch die EU-Staaten auf eine gemeinsame Position geeinigt. Die europäischen Gas-Richtlinien werden überarbeitet. Das Projekt soll jedoch nicht gefährdet werden.
Im Streit über den Bau der russisch-deutschen Erdgaspipeline Nord Stream 2 haben sich die EU-Staaten auf einen Kompromiss verständigt. Die in Brüssel ausgehandelte Einigung sieht vor, über Änderungen an der EU-Gasrichtlinie strengere Auflagen für das Projekt zu erlassen, wie Diplomaten mitteilten. Zugleich soll aber sichergestellt werden, dass das Milliarden-Projekt dadurch nicht bedroht wird.
Auf den letzten Punkt hatte vor allem die Bundesregierung gedrungen. Sie wollte eine weitreichende Überarbeitung der Richtlinie eigentlich verhindern, musste sich aber nach einem politischen Kurswechsel Frankreichs auf Verhandlungen einlassen. Im Kern sieht der Kompromiss vor, dass dasjenige EU-Land für eine Pipeline aus einem Drittstaat zuständig ist, in dem die Leitung erstmals das europäische Netz erreicht. In diesem Fall also Deutschland.
Eine Konfrontation wurde damit abgewendet. Alle Mitgliedsstaaten, die sich in der Sitzung zu Wort meldeten, hätten das Papier unterstützt, heißt es. So zum Beispiel Spanien, Belgien, Dänemark aber auch Italien und Polen, die dem Projekt kritisch gegenüber stehen.
Merkel: "Diesen Tag finde ich gut"
Bundeskanzlerin Angela Merkel wertete die Einigung als gemeinsamen Erfolg Deutschlands und Frankreichs. "Diesen Tag finde ich gut, und er wäre ohne die deutsch-französische Zusammenarbeit so nicht erfolgt", sagte sie.
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier reagierte erleichtert. "Es ist sehr wichtig, dass Frankreich und Deutschland gemeinsam vorgegangen sind, dass wir uns nicht zerstritten haben über dieses Thema", sagte der CDU-Politiker. "Wir brauchen eine sichere Energieversorgung, wir brauchen eine sichere Gasversorgung, wir brauchen auch Versorgungsunabhängigkeit, damit wir nicht erpressbar sind. Das alles können wir leisten." Der Kompromiss zeige, dass Europa handlungsfähig sei.
Auch der Pariser Elysée-Palast begrüßte den deutsch-französischen Kompromiss. Aus dem Umfeld von Präsident Emmanuel Macron hieß es, Deutschland akzeptiere mit der überarbeiteten Fassung der EU-Gasrichtlinie erstmals eine "europäische Kontrolle" über die Pipeline, die russisches Gas nach Deutschland bringen soll.
Überraschende Kehrtwende Frankreichs
Mit Frankreich war der wichtigste EU-Partner Deutschlands zuvor überraschend aus dem Lager der Gegner der Richtlinienänderung in das der Befürworter gewechselt. Die Befürworter argumentierten, dass die Leitung die energiepolitische Abhängigkeit Europas von Russland unnötig verstärke und den Interessen von osteuropäischen EU-Staaten und Partnerländern wie der Ukraine schade.
Letzteres ist dadurch zu erklären, dass russisches Gas bislang durch Osteuropa in Richtung Westen geleitet wird. Länder wie die Ukraine und Polen verdienen daran über sogenannte Durchleitungsgebühren viel Geld. Unter anderem Polen wollte die Richtlinie deswegen eigentlich so ändern, dass die bereits im Bau befindliche Leitung von Russland nach Deutschland über zusätzliche Auflagen gestoppt werden könnte.
Jährlich bis zu 55 Milliarden Kubikmeter Erdgas
Mit Nord Stream 2 sollen jährlich bis zu 55 Milliarden Kubikmeter Erdgas aus Russland an Drittstaaten wie der Ukraine oder Polen vorbei durch die Ostsee nach Deutschland transportiert werden können. Ende 2018 waren bereits 370 Kilometer der 1200 Kilometer langen Rohrleitung verlegt.
Aus Kreisen des Pariser Élyséepalastes hieß es, 27 der 28 EU-Staaten hätten der Einigung zugestimmt, nur Bulgarien nicht. Die Einigung sei wichtig für Frankreich, denn sie erlaube eine "verstärkte europäische Kontrolle" über Energieprojekte, also auch über Nord Stream.
Chef der Projektgesellschaft ist der deutsche Altkanzler Gerhard Schröder, alleiniger Eigentümer das russische Unternehmen Gazprom. Die Pipeline wird von den europäischen Unternehmen Uniper, Wintershall (beide Deutschland), Royal Dutch Shell (GB/NL), Engie (Frankreich) und OMV (Österreich) mitfinanziert. Ende 2018 waren bereits 370 Kilometer der 1200 Kilometer langen Rohrleitung verlegt.
Die baltischen Staaten und Polen sehen die Trasse als Gefahr für ihre Sicherheit. Die Ukraine befürchtet den Verlust von Milliardeneinnahmen als Transitland für russisches Gas. Der Ostausschuss der deutschen Wirtschaft hält die Pipeline dagegen für ein ökonomisch sinnvolles Projekt und die befürchtete Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen für einen Mythos.