Nord Stream 2 Kompromiss mit Paris im Pipeline-Streit
Im Streit über die Ostseepipeline Nord Stream 2 haben Deutschland und Frankreich einen Kompromiss gefunden. Er enthält offenbar zusätzliche Auflagen, soll das Projekt aber nicht gefährden.
Deutschland und Frankreich haben ihren Streit über die Gaspipeline Nord Stream 2 offenbar beigelegt. Berlin und Paris stellten den anderen EU-Staaten einen neuen Vorschlag zur Überarbeitung der europäischen Gasrichtlinie vor, der den Nachrichtenagenturen dpa und AFP vorliegt. Demnach läge die Zuständigkeit für Pipelines mit Drittstaaten wie Russland bei dem EU-Land, wo die Leitung erstmals auf das europäische Netz trifft - im Fall von Nord Stream 2 also bei Deutschland und nicht bei der EU.
Die EU-Mitgliedstaaten wollen heute ihre Position zur Überarbeitung der europäischen Gasrichtlinie festlegen, bevor die Verhandlungen mit dem EU-Parlament beginnen. Dabei geht es unter anderem um eine mögliche Verschärfung der Regeln für Pipelines aus Drittstaaten. Ob der Kompromiss zwischen Deutschland und Frankreich von genügend anderen EU-Staaten unterstützt wird, ist unklar.
Überraschende Ankündigung
Frankreich hatte Deutschland lange bei dem Nord-Stream-Projekt unterstützt, dann aber gestern überraschend angekündigt, für die EU-Gasrichtlinie stimmen zu wollen. Die Mehrheitsverhältnisse in der EU hätten sich damit entscheidend verändert und zu einer Annahme der Richtlinienvorschläge geführt. Das hätte nicht automatisch das Ende des milliardenschweren Pipelineprojekts bedeutet, es aber wirtschaftlich weniger interessant gemacht.
Zudem hätte sich die Frage gestellt, wie stabil und eng die oft beschworene deutsch-französische Partnerschaft wirklich ist. Aus dem Kreis der französische Regierung hieß es laut ARD-Hauptstadtstudio, dass es kein deutsch-französisches Zerwürfnis wegen Nord Stream 2 gibt. "Wir teilen nicht die gleiche Sicht auf das Projekt, aber wir müssen jetzt darüber reden, wie wir einen Nenner finden, insbesondere auch unter Einbeziehung Polens. Es ist gut, diese Diskussion jetzt zu beginnen."
Bis in die Nacht verhandelt
ARD-Korrespondent Markus Preiß berichtet, dass die Unterhändler Deutschlands und Frankreichs bis in die Nacht verhandelt hätten, um eine Lösung zu finden. Es sei vor allem um die Frage gegangen, ob ein Gasanbieter aus einem Drittstaat auch die Pipeline besitzen dürfe, die in die EU führt. Mehrere EU-Länder verneinen das. Damit wollen sie eine zu starke Abhängigkeit - in diesem Fall von Russland - bei der Versorgung mit Gas vermeiden.
Laut Preiß soll nun auf EU-Ebene eine Regulierungsbehörde eingerichtet werden, "die dann quasi schaut, ob eine Marktmacht erreicht wird oder nicht". Diese Behörde werde wahrscheinlich in Deutschland sitzen. Das könne zumindest auf der wirtschaftlichen Ebene ein Kompromiss sein.
Die 1200 Kilometer lange Ostsee-Pipeline von Russland nach Deutschland ist bereits im Bau und soll Ende 2019 in Betrieb gehen. Zusätzliche Auflagen könnten das Projekt weniger profitabel oder sogar unwirtschaftlich machen.
Chef der Projektgesellschaft ist der deutsche Altkanzler Gerhard Schröder, alleiniger Eigentümer das russische Unternehmen Gazprom. Die Pipeline wird von den europäischen Unternehmen Uniper, Wintershall (beide Deutschland), Royal Dutch Shell (GB/NL), Engie (Frankreich) und OMV (Österreich) mitfinanziert. Ende 2018 waren bereits 370 Kilometer der 1200 Kilometer langen Rohrleitung verlegt.
Die baltischen Staaten und Polen sehen die Trasse als Gefahr für ihre Sicherheit. Die Ukraine befürchtet den Verlust von Milliardeneinnahmen als Transitland für russisches Gas. Der Ostausschuss der deutschen Wirtschaft hält die Pipeline dagegen für ein ökonomisch sinnvolles Projekt und die befürchtete Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen für einen Mythos.