Geschäftsklima eingetrübt Dämpfer für die deutsche Wirtschaft
Erstmals seit Herbst blicken deutsche Unternehmen pessimistischer in die Zukunft. Der ifo-Index zum Geschäftsklima ist nach sechs Anstiegen in Folge wieder gefallen. Im Frühjahr könnte die Wirtschaft erneut stagnieren.
Die Stimmung der deutschen Wirtschaft hat sich im Mai erstmals nach mehreren Monaten wieder eingetrübt. Der ifo-Geschäftsklimaindex, der die Stimmung in den Chefetagen der Firmen misst, fiel von 93,4 Punkten im Vormonat auf 91,7 Zähler, wie das Münchner ifo-Institut zu seiner Umfrage unter rund 9000 Managern heute mitteilte. Es war der erste Rückgang des an den Finanzmärkten stark beachteten Barometers nach sechs Anstiegen in Folge.
Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten mit einem Rückgang auf 93,0 Punkte gerechnet. Treiber der Entwicklung waren deutlich pessimistischere Erwartungen. Die Unternehmen waren aber auch etwas weniger zufrieden mit ihren laufenden Geschäften: "Die deutsche Wirtschaft blickt skeptisch auf den Sommer", sagte ifo-Präsident Clemens Fuest. Die Stimmung in der Wirtschaft habe einen "deutlichen Dämpfer" erhalten.
Wirtschaft ist gespalten
Die künftigen Geschäfte werden von den befragten Unternehmen deutlich schlechter als im Monat zuvor eingeschätzt. Auch die aktuelle Lage bewerten die Unternehmen im Mai weniger gut. Im Verarbeitenden Gewerbe hat sich das Geschäftsklima merklich verschlechtert. Im März war die Industrieproduktion überraschend schwach. Im Handel und am Bau ging es ebenfalls deutlich zurück. Im Dienstleistungssektor, der die deutsche Wirtschaft derzeit stützt, ist der entsprechende Indexwert hingegen nahezu unverändert geblieben.
Ein ähnliches Bild hatte der Einkaufsmanagerindex von S&P Global gestern gezeigt. Zwar konnte er einen leichten Anstieg von 0,1 auf 54,2 Punkte verzeichnen. Doch die Wachstumsperspektive basiert allein auf dem Dienstleistungssektor, dessen Barometer um 1,8 auf 57,8 Punkte zulegte und auf den höchsten Stand seit knapp zwei Jahren stieg. Der Index für das Verarbeitende Gewerbe ging dagegen um 1,6 auf 42,9 Punkte zurück - der niedrigste Stand seit drei Jahren.
Stagnation im zweiten Quartal?
"Die deutsche Wirtschaft tritt auf der Stelle", sagte der Leiter der ifo-Umfragen, Klaus Wohlrabe. "Im zweiten Quartal dürfte es in Richtung einer Stagnation gehen." Schon im ersten Quartal hatte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) von Europas größter Volkswirtschaft stagniert, nachdem es Ende 2022 sogar um 0,5 Prozent geschrumpft war.
Eine Ursache für die anhaltende Flaute sieht der Experte in den Zinserhöhungen, mit denen die Notenbanken weltweit auf die höhere Inflation reagieren. "Die Zinserhöhungen scheinen die Nachfrage zu dämpfen", sagte Wohlrabe mit Blick auf die gestiegenen Zinskosten. So seien etwa die Exporterwartungen in der deutschen Industrie aufgrund von deutlich weniger Neuaufträgen gesunken. "Die Nachfrage wird zum Problem." Das treffe noch stärker auf die Baubranche zu, wo wegen der gestiegenen Material- und Zinskosten viele Projekte storniert würden, so Wohlrabe.
"Gründe für die Stimmungseintrübung gibt es genug: enttäuschende Konjunkturdaten, weiterhin hohe Inflationsraten und die restriktive Geldpolitik", betonte auch Bastian Hepperle vom Bankhaus Hauck Aufhäuser Lampe. Zudem schwäche sich in China und den USA das Wachstum ab.
Effekt durch Inflation und steigende Zinsen überwiegt
Es gibt aber auch Lichtblicke. So haben die Materialengpässe erneut abgenommen. Ebenso sinkt der Anteil der Unternehmen, die ihre Preise erhöhen wollen. "Bis hier die Entspannung bei den Endverbrauchern ankommt, dürfte es aber noch ein bisschen dauern", sagte ifo-Experte Wohlrabe mit Blick auf die Inflation. Derzeit hielten sich die Verbraucher noch beim Konsum zurück.
"Deutschland ist zurzeit gegenläufigen Konjunktureinflüssen ausgesetzt", so Fritzi Köhler-Geib, Chefvolkswirtin der KfW. Der positive Effekt nachlassender Lieferkettenstörungen und wieder deutlich niedrigerer Großhandelspreise an den Energiemärkten falle weniger ins Gewicht als die Belastung durch die verlorene Kaufkraft und den geldpolitischen Restriktionskurs. Die Aussichten für das Wirtschaftswachstum im weiteren Jahr blieben daher verhalten.
Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) rechnet für 2023 mit einer Konjunkturflaute und zugleich mit einer hohen Inflation. Anzeichen für einen breiten Aufschwung fehlten weiterhin. Der Internationale Währungsfonds (IWF) erwartet eine Stagnation. Laut einer Prognose der EU-Kommission gehört Deutschland dieses Jahr mit einem BIP-Wachstum von voraussichtlich 0,2 Prozent zu den Schlusslichtern im Euroraum mit Blick auf die wirtschaftliche Dynamik.