Konjunktur Deutsche Wirtschaft stagniert überraschend
Entgegen der Erwartung von Ökonomen ist die deutsche Wirtschaft im ersten Quartal nicht gewachsen. Die Wirtschaftsleistung stagnierte auf dem Niveau des Vorquartals. Eine Winterrezession ist damit immerhin vom Tisch.
Die deutsche Wirtschaft ist im ersten Quartal nicht vom Fleck gekommen. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) verharrte von Januar bis März auf dem Niveau des Vorquartals, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Ökonominnen und Ökonomen hatten im Schnitt mit einem Mini-Anstieg um 0,2 Prozent gerechnet. Die "schwarze Null" folgt auf ein Minus von 0,5 Prozent im vierten Quartal. Die Statistiker haben diesen Wert von bisher minus 0,4 Prozent nach unten korrigiert.
Ein Arbeitstag mehr
Die deutsche Wirtschaft ist einer technischen Rezession im Winterhalbjahr damit nur knapp entgangen. Ökonominnen und Ökonomen sprechen davon, wenn die Wirtschaftsleistung zwei Quartale in Folge fällt. "Die Erholung der Industriekonjunktur seit dem Jahreswechsel reichte offenbar aus, um die anhaltenden Belastungen für den Konsum auszugleichen", erklärte Fritzi Köhler-Geib, Chefvolkswirtin der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). Ob nun auch im Gesamtjahr 2023 eine Schrumpfung der Wirtschaft ausbleiben werde, müsse sich erst noch weisen.
Im Vergleich zum Vorjahresquartal wuchs das deutsche BIP in den Monaten Januar bis März preisbereinigt um 0,2 Prozent. Preis- und kalenderbereinigt war es allerdings um 0,1 Prozent niedriger, da ein Arbeitstag mehr zur Verfügung stand als im Vorjahreszeitraum.
Verbraucher und Staat nicht in Kauflaune
Ein besseres Abschneiden der deutschen Wirtschaft im ersten Quartal wurde vor allem durch die sinkenden Konsumausgaben der Verbraucherinnen und Verbraucher verhindert. Kaufkraftverluste durch die hohe Inflation hatten die Kauflaune der Konsumenten zuletzt deutlich gedämpft.
Auch die staatlichen Konsumausgaben hätten zu Jahresbeginn abgenommen, berichteten die Statistiker. "Positive Impulse kamen dagegen von den Investitionen und den Exporten", hieß es. Details wollen die Statistiker im Mai bekanntgeben.
Hoffnung fürs Frühjahrsquartal
Mit Blick auf das laufende zweite Quartal hatte der in den vergangenen Monaten deutlich gestiegene ifo-Geschäftsklimaindex Hoffnungen geschürt, dass die deutsche Wirtschaft wieder etwas zulegen dürfte. Auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) geht davon aus, dass die Konjunktur im laufenden Frühjahrsquartal an Schwung gewinnen wird.
Vor allem die anziehende Industrieproduktion - auch in den energieintensiven Wirtschaftszweigen - dürfte zum Wachstum beitragen. "Zu Euphorie sollte das aber nicht verleiten", sagte die Co-Leiterin des DIW-Konjunkturteams, Geraldine Dany-Knedlik.
Durchwachsene Aussichten fürs zweite Halbjahr
Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer mahnt derweil mit Blick auf das zweite Halbjahr zur Vorsicht. "So haben viele Unternehmen bereits einen guten Teil der während Corona liegen gebliebenen Aufträge abgearbeitet." Auch die kräftigen Zinsanhebungen der Europäischen Zentralbank (EZB) dürften nicht spurlos an der deutschen Wirtschaft vorübergehen.
Viele Ökonominnen und Ökonomen gehen davon aus, dass dies in den kommenden Monaten beispielsweise Investitionen und Bau ausbremsen dürften. "Da Frankreich, Italien und Spanien heute per saldo gute Wachstumszahlen veröffentlichten, dürfte sich die EZB darin bestärkt sehen, den Zinszyklus noch nicht als beendet zu erklären", erklärt Helaba-Ökonom Ralf Umlauf.
"Solchen Zinserhöhungen folgten in der Vergangenheit in Deutschland stets Rezessionen", warnt Commerzbank-Experte Krämer. Die meisten Volkswirte seien wohl zu optimistisch, wenn sie für die zweite Jahreshälfte einen klassischen Aufschwung erwarten.
Eurozone wächst nur leicht
Während die deutsche Wirtschaft im ersten Quartal stagnierte, ist die europäische Wirtschaft im gleichen Zeitraum leicht gewachsen. Im Euroraum betrug das Plus beim BIP im Vergleich zum Vorquartal 0,1 Prozent, in der gesamten EU waren es 0,3 Prozent, wie das Statistikamt Eurostat heute mitteilte. Ökonomen hatten für die Eurozone mit einem etwas stärkeren Zuwachs von 0,2 Prozent gerechnet.
Es ist vor allem die größte Volkswirtschaft der Eurozone, Deutschland, die derzeit Europa bremst. Am besten sah das Bild in Portugal aus mit einem Wachstum von 1,6 Prozent zu Jahresbeginn. Spanien, Italien und Lettland folgten mit einem Plus von jeweils 0,5 Prozent. Rückgänge wurden für Irland (minus 2,7 Prozent) sowie Österreich (minus 0,3 Prozent) registriert.