Zinsentscheidung EZB lässt Leitzins unverändert bei 4,5 Prozent
Die Europäische Zentralbank lässt angesichts abebbender Inflation und schwächelnder Konjunktur die Zinsen unverändert. Der Leitzins, zu dem sich Banken Geld bei der EZB leihen können, bleibt bei 4,5 Prozent.
Die Europäische Zentralbank (EZB) lässt die Zinsen im Euroraum zum zweiten Mal in Folge unverändert. Der Leitzins, zu dem sich Banken frisches Geld bei der Notenbank besorgen können, bleibt nach einer Entscheidung des EZB-Rates bei 4,5 Prozent, wie die Währungshüter heute mitteilten.
Der am Finanzmarkt maßgebliche Einlagensatz, den Geldhäuser für das Parken überschüssiger Gelder von der Notenbank erhalten, bleibt auf dem Rekordniveau von 4,00 Prozent. "Die zukünftigen Beschlüsse des EZB-Rats werden dafür sorgen, dass die Leitzinsen so lange wie erforderlich auf ein ausreichend restriktives Niveau festgelegt werden", erklärten die Währungshüter um Christine Lagarde heute.
"Zinsen nicht zu schnell senken"
Experten wie der Chef des ifo-Instituts Clemens Fuest begrüßten die heutige Zinsentscheidung: "Die Inflation bewegt sich derzeit auf das Ziel von 2,0 Prozent zu. Deshalb ist es richtig, die Zinsen nicht weiter zu erhöhen. Es wäre aber noch zu früh, die Zinsen schon wieder zu senken, weil es nach wie vor Inflationsrisiken gibt", so Fuest.
Jörg Krämer, Chefökonom der Commerzbank, betonte zugleich aber auch, dass die Zinsen nun nicht so schnell wieder gesenkt werden dürften: "[Die EZB] darf nicht wegen ein paar überraschend niedriger Inflationsdaten einknicken. Denn die Inflation sinkt vor allem deshalb, weil die massiven Preisanstiege bei Energie und Nahrungsmitteln sowie die Materialengpässe abebben."
Inflation sinkt weiter
Zuletzt hatte sich die Teuerungsrate in der Währungsunion immer weiter abgeschwächt und lag im November nach Angaben des Statistikamtes Eurostat um 2,4 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats, nach 2,9 Prozent im Oktober. Bereits im Oktober hatte die EZB darum die erste Zinspause eingelegt - auch wegen wachsender Konjunktursorgen. Die Wirtschaft im Euroraum schwächelt bereits. Im dritten Quartal schrumpfte die Wirtschaftsleistung nach Angaben von Eurostat zum Vorquartal um 0,1 Prozent.
Nach monatelangen Zinserhöhungen ist es nun also die zweite Zinspause in Folge. Im Juli vergangenen Jahres hatte die EZB aufgrund der hohen Inflationsrate in der Eurozone begonnen, die Zinsen zu erhöhen. In zehn aufeinanderfolgenden Schritten haben die Währungshüter seit seither das Zinsniveau von null um insgesamt 450 Basispunkte erhöht.
Ende des Corona-Hilfsporgramms PEPP
Neben der Zinspause kündigte die Europäische Zentralbank heute auch ein allmähliches Zurückfahren der Anleihenkäufe, die im Rahmen des Corona-Hilfsprogramms PEPP getätigt wurden, an. Der EZB-Rat beschloss, die Normalisierung der Bilanz des Eurosystems voranzutreiben. Mit den Anleihekäufen sollten die Finanzierungsbedingungen für Staaten, Unternehmen und Haushalte während der Corona-Pandemie günstig gehalten und die Wirtschaft angekurbelt werden.
Ab der zweiten Jahreshälfte 2024 sollen fällige Anleihen nun nicht mehr vollumfänglich ersetzt werden: Der Rat beabsichtigt, das PEPP-Portfolio in der zweiten Jahreshälfte im Durchschnitt um monatlich 7,5 Milliarden Euro zu reduzieren. Bislang werden auslaufende Anleihen aus dem PEPP-Programm noch vollumfänglich ersetzt.
Auch Fed lässt Zinsen unverändert
Zuvor hatte bereits gestern die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) den Leitzins in den USA zum dritten Mal in Folge unverändert belassen und Zinssenkungen im kommenden Jahr in Aussicht gestellt. Das hatte bereits am Morgen die Aktienmärkte beflügelt und dem DAX zu einem neuen Rekordhoch verholfen.
Ebenso wie die Fed und die EZB hat auch die britische Notenbank ihren Leitzins abermals nicht verändert. Er beträgt weiterhin 5,25 Prozent, wie die Bank of England heute nach ihrer geldpolitischen Sitzung in London mitteilte. Es ist bereits das dritte Mal in Folge, dass die Währungshüter stillhalten. Und auch in der Schweiz hat die Nationalbank (SNB) bei der letzten Zinssitzung im laufenden Jahr das Ende des straffen geldpolitischen Kurses eingeläutet. Die Währungshüter um SNB-Präsident Thomas Jordan ließen heute ihren Leitsatz zum zweiten Mal in Folge unverändert bei 1,75 Prozent.
Zinssenkungen in Aussicht?
Spannend bleibt nun die Frage, wie sich die Zinsen in den kommenden Monaten entwickeln werden. Denn Ökonomen mahnen zur Vorsicht: Nur weil die Fed jetzt plötzlich die Richtung ändere, solle die EZB nicht nachziehen, betont etwa Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Dekabank: "Es wird eng für die Falken im EZB-Rat, die lieber noch eine weitere Beruhigung der Inflation abwarten wollen. Der Höhenflug der Leitzinsen ist wahrscheinlich schneller vorbei als viele Analysten geglaubt haben."
Gleichzeitig betonte EZB-Präsidentin Christine Lagarde bereits, dass die Marktzinsen zuletzt deutlich gefallen sind. Beispiel Baufinanzierung: Aktuell liegen laut dem Vergleichsportal Check24 die bestmöglichen Zinsen für zehnjährige Baufinanzierungen bei 3,12 Prozent effektiv pro Jahr und damit 0,73 Prozentpunkte niedriger als im Oktober. "Wir sehen aktuell stark sinkende Zinsen bei Baufinanzierungen", sagt Ingo Foitzik, Geschäftsführer Baufinanzierung bei CHECK24: "Banken preisen bereits mögliche Zinssenkungen der Notenbanken im kommenden Jahr ein. Die Zinsen der zehnjährigen Bundesanleihe sind dementsprechend stark gefallen."