Stimmung in Griechenland Der skeptische Blick auf den EU-Gipfel
Misstrauisch blicken die meisten Griechen auf den EU-Gifel. Bevor die europäischen Staats- und Regierungschefs dort eine Lösung für ihr hochverschuldetes Land finden, wird ihr Finanzminister Venizelos wohl eher das nächste Sparpaket verkünden.
Von Oliver Neuroth, ARD-Hörfunkstudio Istanbul, zzt. Athen
Er ist die Nummer Zwei in der griechischen Regierung. Aber er wäre gerne die Nummer Eins: Griechenlands Vize-Regierungschef und Finanzminister Evangelos Venizelos. Der 56-Jährige mit kräftiger Statur ist zum Gesicht der Schuldenkrise des Landes geworden. Meistens ist er es, der vor Fernsehkameras ein Statement zur Lage Griechenlands abgibt - auch an diesem Wochenende in Brüssel: "Die Entscheidung, die sechste Kredittranche auszuzahlen, ist ein sehr guter, ein positiver und konstruktiver Schritt."
Die Nummer Eins der Regierung, Ministerpräsident George Papandreou, spielt in der Innenpolitik Griechenlands im Prinzip keine Rolle mehr. Er lässt sich kaum noch in der Öffentlichkeit blicken. Das Tagesgeschäft hat Venizelos übernommen: ein guter Rhetoriker, der gerne und oft redet. Viele Griechen hören ihn inzwischen aber nicht mehr gerne reden.
Der Gesicht der Schuldenkrise
Fragt man die Menschen auf der Straße sagen sie zum Beispiel, dass er eher ungeeignet für diese Position sei. "Ich glaube nicht, dass die Leute ihn sympathisch finden", erklärt eine Griechin. Als Grund nennt sie: "Es ist die Art und Weise, wie er spricht, dass er immer seine Meinung durchsetzen möchte."
Eine andere sagt, Venizelos sei in einer schwierigen Lage, aber er verstünde einfach nicht wie schlecht es den Griechen gehe: "Denn Politiker haben ein Lebensniveau über dem Durchschnitt und sehen nicht, was die übrigen Griechen durchmachen."
Venizelos ist es, der immer wieder die unangenehmen Nachrichten verkündet: Neue Sparmaßnahmen, weiteren Lohnkürzungen für Beamte, neue Steuern. Aber nicht alle finden ihn schlecht. Der 70-jährige Jannis mag Venizelos: "Ich glaube, der ist sehr fähig. Wir brauchen einen dynamischen Menschen." Er sagt, Griechenland sei ein Dschungel und Papandreou sei zwar aufrichtig, aber zu sanft. "Alle tanzen ihm auf der Nase herum. Wäre er dynamischer, hätte er die Leute unter Kontrolle."
Der Strippenzieher im Hintergrund
Auch wenn Griechenlands Finanzminister in der Krise im Hintergrund die Strippen zieht - beim EU-Gipfel ist es Ministerpräsident Papandreou, der in den Verhandlungen sitzt. Wie erfolgreich der Gipfel wird, entscheidet aber eine andere Person, glaubt Jannis: "Das hängt von Merkel ab, von den Deutschen. Merkel tanzt uns auf der Nase herum - und auch den Franzosen, Präsident Sarkozy. Merkel möchte was anderes als Sarkozy."
Die Kanzlerin ist für einen deutlich höher angesetzten Schuldenschnitt in Griechenland. Bisher gilt die Marke 21 Prozent, die im zweiten Griechenland-Hilfspaket vereinbart wurde. Inzwischen geht es um 30, 50 oder sogar 100 Prozent. In Griechenland kommen solche Spekulationen einiger Politiker meistens nicht gut an: "Die setzen uns unter Druck. Es ist, als würde man einem Bettler sagen: 'Ich gebe Dir Geld, wenn Du meine Schuhe ableckst!' Und der Mann leckt die Schuhe ab. So etwas passiert gerade in unserer Not, die Kredite zu bekommen, weil wir kein Geld haben."
Die Lage Griechenlands sieht nicht gut aus. Im Bericht der Troika steht, dass es noch Jahre dauern wird, bis das Land wirtschaftlich wieder einigermaßen auf eigenen Beinen steht. Manche Griechen sind der Meinung: Bevor es beim EU-Gipfel einen Durchbruch gibt, verkündet ihr Finanzminister Venizelos eher das nächste Sparpaket.