Mehr als 61 Prozent der Griechen stimmen mit "Nein" Sieg für Tsipras-Lager - aber was ist er wert?
Statt einem zuvor erwarteten knappen Rennen war es am Ende eine klare Sache: Mit 61,31 Prozent haben die Griechen "Nein" zu den Reformvorgaben der Geldgeber gesagt - und Ministerpräsident Tsipras gestärkt. Der will nun wieder verhandeln, doch die Eurostaaten treffen sich zunächst zu einem Sondergipfel.
Mit einer überraschend deutlichen Mehrheit haben die Griechen per Volksabstimmung die Sparvorgaben der internationalen Gläubiger abgeschmettert. Nach Auszählung aller abgegebenen Wahlzettel stimmten 61,31 Prozent mit "Nein" und unterstützten damit den Konfrontationskurs von Ministerpräsident Alexis Tspiras. Nur 38,69 Prozent sprachen sich dafür aus, unter den Konditionen der Geldgeber weiter zu verhandeln, wie das Athener Innenministerium mitteilte.
Kurz nach Schließung der Wahllokale feierten Tausende Gegner des Reformprogramms auf dem Platz vor dem Parlament in Athen. Viele Griechen machen die Gläubiger aus EU-Kommission, Internationalem Währungsfonds und Europäischer Zentralbank und deren Sparvorgaben für die dramatische Lage im eigenen Land verantwortlich.
Die Opposition hatte die Bevölkerung dazu aufgerufen, mit "Ja" zu stimmen. Sie sah das Referendum auch als Votum über den Verbleib Griechenlands in der Eurozone. Nach dem "Nein" trat Oppositionsführer Antonis Samaras als Parteichef der konservativen Nea Dimokratia zurück. Der Ex-Regierungschef und Tsipras-Amtsvorgänger sagte, seine Partei brauche einen Neuanfang.
Tsipras sieht sich gestärkt
Regierungschef Tsipras kündigte unterdessen neue Verhandlungen mit den Geldgebern an. Erste Priorität habe aber nun die Wiederöffnung der geschlossenen Banken, erklärte er am Sonntagabend in einer Fernsehansprache. Athen sei weiter zu Reformen bereit. Dringend notwendig seien Investitionen sowie die Umstrukturierung der Schulden.
Den Griechen sagte er: "Das Mandat, das Sie mir erteilt haben, ruft nicht nach einem Bruch mit Europa, sondern verleiht mir eine größere Verhandlungsmacht." Seine Regierung wisse, dass es keine einfachen Lösungen gebe. "Aber es gibt gerechte Lösungen, tragfähige Lösungen - solange beide Seiten dazu gewillt sind." Die Griechen haben nach Tsipras' Ansicht eine "historische und mutige" Entscheidung getroffen. "Ihre Antwort wird den existierenden Dialog in Europa verändern."
Er sagte, das griechische Referendum habe keine Sieger und Verlierer. Die Griechen hätten unter schwierigsten Bedingungen bewiesen, dass die Demokratie sich nicht erpressen lasse. Die nationale Einheit müsse bewahrt werden.
Varoufakis bereit zu neuen Verhandlungen
Tsipras Finanzminister Yanis Varoufakis sagte ebenfalls im Fernsehen, das Nein der Griechen sei ein "großes Ja zu einem demokratischen Europa". Das Volk habe den "Eisenkäfig" zurückgewiesen, in den Griechenland gezwängt worden sei. Die Regierung werde den Geldgebern nun die "Hand der Kooperation" bei neuen Gesprächen ausstrecken. Noch kurz vor dem Referendum hatte Varoufakis die Geldgeber scharf kritisiert und ihnen "Terrorismus" vorgeworfen.
Der Chef der Eurogruppe, Jeroen Dijsselbloem, reagierte besorgt auf das deutliche "Nein" der Griechen im Referendum. "Dieses Ergebnis ist sehr bedauerlich für die Zukunft Griechenlands", erklärte der niederländische Finanzminister. Für eine Erholung der griechischen Wirtschaft seien "schwierige Maßnahmen und Reformen unvermeidbar". "Wir werden nicht die Initiativen der griechischen Behörden abwarten", fügte Dijsselbloem hinzu.
EU-Krisengipfel am Dienstag
EU-Ratspräsident Donald Tusk berief einen Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs der 19 Euro-Länder für Dienstagabend in Brüssel ein. Zur Vorbereitung soll es am selben Tag ein Treffen der Euro-Finanzminister geben. Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident François Hollande wollen bereits am Montag über die Konsequenzen aus dem Referendum beraten. "Beide sind sich darin einig, dass das Votum der griechischen Bürger zu respektieren ist", hieß es in der kurzen Erklärung weiter.
Ebenfalls am Montag will EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker mit Spitzenvertretern der EU-Institutionen über das weitere Vorgehen beraten. Es sei eine Telefonkonferenz mit EU-Gipfelchef Tusk, Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem und dem Präsidenten der Europäischen Zentralbank Mario Draghi geplant, teilte die EU-Kommission in Brüssel mit.
Mit Spannung werden die Reaktionen der Finanzmärkte erwartet. Mehrere europäische Großbanken beriefen Telefonkonferenzen ein, um über die Folgen der griechischen Entscheidung zu beraten und ihre Kunden auf die Auswirkungen am Montag vorzubereiten.
Die griechischen Banken sind bereits seit einer Woche weitgehend geschlossen, der Zugang der Bürger zu ihrem Geld ist stark beschränkt. Finanzminister Varoufakis beriet nach Angaben seines Ministeriums bei einem Krisentreffen mit Bankern, welche Forderungen man an die EZB stellen könne. Eigentlich sollen die Banken am Dienstag wieder öffnen. Dies ist aber wohl nur möglich, wenn sie neues Bargeld bekommen. Laut griechischen Medienberichten will die griechische Notenbank die EZB um sechs Milliarden Euro Nothilfen bitten.