Referendum zu Gläubiger-Vorschlägen Die Griechen sagen "Nein"

Stand: 05.07.2015 23:45 Uhr

Noch gibt es kein Endergebnis - aber nachdem beim griechischen Referendum fast alle Stimmen ausgezählt sind, steht fest: Das "Nein"-Lager um Regierungschef Tsipras wird rund 61 Prozent bekommen. Tsipras sprach sich für neue Verhandlungen aus - in die werde er gestärkt gehen.

Beim Referendum in Griechenland ist dem "Nein"-Lager um Ministerpräsident Alexis Tsipras ein klarer Sieg nicht mehr zu nehmen. Nach der Auszählung von rund 93 Prozent der Stimmen kann es mit 61 Prozent rechnen. Mit "Ja" stimmten dementsprechend rund 39 Prozent der Wähler.

Wie die Griechen abgestimmt haben

Karte des griechischen Innenministeriums zum Abstimmungsergebnis des Referendums (Link auf ekloges.ypes.gr)

Kurz nach Schließung der Wahllokale feierten Tausende Gegner des Reformprogramms auf den Platz vor dem Parlament in Athen. Fast zehn Millionen Stimmberechtigte waren zur Abstimmung aufgerufen. Tsipras hatte massiv für ein solches "Nein" geworben. Er erhofft sich davon eine stärkere Verhandlungsposition über weitere Hilfen.

"Ich habe jetzt eine größere Verhandlungsmacht"

Tsipras strebt jetzt laut eigenen Worten neue Verhandlungen an. Erste Priorität habe aber nun die Wiederöffnung der geschlossenen Banken. Seine Regierung sei weiter zu Reformen bereit. Dringend notwendig seien aber Investitionen und die Umstrukturierung der Schulden. Den Griechen sagte er: "Das Mandat, das Sie mir erteilt haben, ruft nicht nach einem Bruch mit Europa, sondern verleiht mir eine größere Verhandlungsmacht."

Seine Regierung wisse, dass es keine einfachen Lösungen gebe. "Aber es gibt gerechte Lösungen, tragfähige Lösungen - solange beide Seiten dazu gewillt sind." Die Griechen haben nach Tsipras' Ansicht eine "historische und mutige" Entscheidung getroffen. "Ihre Antwort wird den existierenden Dialog in Europa verändern."

Er sagte, das griechische Referendum habe keine Sieger und Verlierer. Die Griechen hätten unter schwierigsten Bedingungen bewiesen, dass die Demokratie sich nicht erpressen lasse. Die nationale Einheit müsse bewahrt werden.

Oppositionschef Samaras gibt auf

Die Opposition hatte die Bevölkerung dazu aufgerufen, mit "Ja" zu stimmen. Sie sah das Referendum auch als Votum über den Verbleib Griechenlands in der Eurozone. Nach dem "Nein" trat Oppositionsführer Antonis Samaras als Parteichef der konservativen Nea Dimokratia zurück. Der Ex-Regierungschef und Tsipras-Amtsvorgänger sagte, seine Partei brauche einen Neuanfang.

Auch die europäischen Gläubiger EU-Kommission, IWF und Europäischer Zentralbank (EZB) hatten vor einem "Nein" gewarnt: Dies mache eine Einigung extrem schwierig. Euro-Gruppenchef Jeroen Dijsselbloem sagte, ein "Nein" gefährdet die griechische Mitgliedschaft in der Gemeinschaftswährung. Laut Umfragen will eine sehr große Mehrheit der Griechen der Euro behalten.

Merkel berät mit Hollande

Am Dienstag wird ein EU-Sondergipfel über die neue Situation beraten. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident François Hollande hatten sich dafür ausgesprochen. Eine offizielle Reaktion aus Brüssel gibt es noch nicht.

Mit Spannung werden die Reaktionen der Finanzmärkte am Montag erwartet. Mehrere europäische Großbanken beriefen Telefonkonferenzen ein, um über die Folgen der griechischen Entscheidung zu beraten und ihre Kunden auf die Auswirkungen am Montag vorzubereiten.

Die griechischen Banken sind bereits seit einer Woche weitgehend geschlossen, der Zugang der Bürger zu ihrem Geld ist stark beschränkt. Finanzminister Yanis Varoufakis beriet nach Angaben seines Ministeriums bei einem Krisentreffen mit Bankern, welche Forderungen man an die EZB stellen könne. Eigentlich sollen die Banken am Dienstag wieder öffnen. Dies ist aber wohl nur möglich, wenn sie neues Bargeld bekommen. Laut griechischen Medienberichten will die griechische Notenbank die EZB um sechs Milliarden Euro Nothilfen bitten.

"Oxi" oder "Nai"

Laut Innenministerium verlief das Referendum ohne große Zwischenfälle in den mehr als 19.000 Stimmlokalen. In einzelnen Wahlbüros im Großraum Athen hätten anfangs die Umschläge für die Stimmzettel gefehlt, aber das Problem sei rasch behoben worden.

Die Griechen konnten auf den Stimmzetteln "Oxi" (Nein) oder "Nai" (Ja) ankreuzen. Ihnen lag dabei folgende Frage zur Entscheidung vor: "Soll der Einigungsplan, der die Europäische Kommission, die Europäische Zentralbank und der Internationale Währungsfonds am 25. Juni 2015 der Eurogruppe vorgelegt hat, und der aus zwei Teilen besteht, die den gemeinsamen Vorschlag ausmachen, akzeptiert werden? Das erste Dokument trägt den Titel 'Reformen für die Vollendung des aktuellen Programms und darüber hinaus' und das zweite 'Vorläufige Schulden-Nachhaltigkeits-Analyse.'"

Problematisch war dabei, dass die zugrunde liegenden Vorschläge der Geldgeber aus den Verhandlungen über die Auszahlung der letzten Kredithilfen aus dem zweiten Griechenland-Hilfsprogramm stammten. Dieses Programm endete allerdings am 30. Juni nach dem Scheitern der Gespräche ersatzlos.

Ein mögliches neues Hilfsprogramm müsste aber über einen anderen Rettungsschirm laufen als das alte und komplett neu ausgehandelt werden. Das dürfte sehr lange dauern.

Wie geht es in der Griechenland-Krise weiter?

Montag, 6. Juli: Kanzlerin Angela Merkel trifft in Paris den französischen Präsidenten François Hollande, um über die Konsequenzen aus dem griechischem Referendum zu beraten.

Dienstag, 7. Juli: EU-Gipfelchef Donald Tusk will im Straßburger Europaparlament über die Situation im Euro-Krisenland sprechen. Frühestens am Dienstag könnten Griechenlands Banken und die Börse in Athen wieder öffnen.

Freitag, 10. Juli: Griechische Staatspapiere mit kurzen Laufzeiten (T-Bills) in Höhe von zwei Milliarden Euro werden fällig und müssten durch neue abgelöst werden. Dieser Termin ist vor allem für das Urteil der Ratingagenturen wichtig.

13. Juli: Athen muss eine weitere Rate von knapp 500 Millionen Euro an den Internationalen Währungsfonds zurückzahlen.

17. Juli: Weitere T-Bills in Höhe von einer Milliarde Euro werden fällig.

20. Juli: Athen muss insgesamt rund 3,5 Milliarden Euro an die EZB zurückzahlen. Sollte diese Zahlung ausfallen, dürfte es der EZB laut Experten kaum noch möglich sein, weiter Ela-Kredite an griechische Banken zu vergeben, um diese zu unterstützen.

Quelle: dpa