Hanno Berger vor Gericht "Mr. Cum-Ex" wartet auf sein Urteil
Vor dem Landgericht Bonn endet der Prozess gegen eine der Schlüsselfiguren im Cum-Ex-Skandal. Hanno Berger machte für seine Mandanten Steuerhinterziehung in unvorstellbarer Höhe möglich.
Hanno Berger, inzwischen 72 Jahre alt, erwartet ein Lebensabend im Gefängnis - und die Forderung, viele Millionen zurückzahlen zu müssen. 15 Jahre Haft sind durchaus möglich. So viel sieht der Gesetzgeber für vorsätzliche Steuerhinterziehung vor. Und spätestens ab einer Million Euro hinterzogenen Steuern ist eine Bewährung fast unmöglich.
Berger dürfte sich also wohl keinen Illusionen hingeben, wenn er heute Mittag zum letzten Mal den Saal 11 des Bonner Landgerichts betritt. Die Staatsanwaltschaft fordert neun Jahre Haft. Seine Verteidiger appellierten in der letzten Sitzung an die "Güte des Gerichts" gegenüber dem Mann, der einst als talentierter Steuerfahnder seine schillernde Karriere begonnen hat, später dann aber die Seiten wechselte.
Das System Cum Ex
Berger hat die komplexen Cum-Ex-Geschäfte zwar nicht erfunden, sie aber seinen Kunden - schwer reichen Privatpersonen - zugänglich gemacht. Bei diesen Geschäften, die zuvor vor allem von Investmentbanken getätigt wurden, wechseln Aktien rund um den Termin der Dividendenausschüttung mehrfach den Besitzer. Auf die Dividende fällt einmal die Kapitalertragssteuer an. Doch jeder, der die Aktien auch nur kurz besaß, ließ sich diese Steuern erstatten. Der Schaden aus solchen Geschäften ist mehrere Milliarden schwer. Geld, dass den öffentlichen Kassen an anderer Stelle fehlte - der Angeklagte selbst soll sinngemäß gesagt haben, dass das Geld dann eben nicht für Kindergärten ausgegeben werden könne. Wer da ein Problem mit habe, könne nicht bei ihm arbeiten.
Spätestens seit 2007 waren diese Geschäfte als problematisch bekannt, 2009 hatte das Bundesfinanzministerium die Regel verschärft und 2012 Cum-Ex endgültig per Gesetz unmöglich gemacht. Berger werden in Bonn mehrere Fälle von Steuerhinterziehung mit einem Schaden für die Staatskasse in Höhe von 278 Millionen Euro vorgeworfen - Geschäfte aus den Jahren 2007 bis 2011.
Wutbürger Berger
Dass Berger in Deutschland vor Gericht steht, ist keine Selbstverständlichkeit. Im November 2012 hatte die Staatsanwaltschaft Köln in einer Großrazzia mehrere Banken und die Kanzleiräume des Steueranwalts in Frankfurt am Main durchsucht. Berger setzte sich in die Schweiz ab - das Land liefert nur äußerst selten aus.
Und so fühlte sich Berger in seinem Exil zunächst ziemlich sicher, empfing dort Journalisten und schimpfte in Wutbürger-Manier auf die "Dreckschweine" und "Saubande" im "linksfaschistischen" Deutschland. Als 2016 sein ehemaliger Kanzlei-Partner als Kronzeuge aussagte und mehrere Banken ihre illegalen Geschäfte offen legten, wendete sich das Blatt. 2021 wurde Berger in der Schweiz festgenommen, seit Februar 2022 ist er wieder in Deutschland und sitzt in Untersuchungshaft.
Teilgeständnis und keine Entschuldigung
Den Prozess ab April dieses Jahres vor dem Landgericht in Bonn begann Berger in Handschellen und verstockt. Mit seinen Anwälten überwarf er sich, er selbst sieht nicht wirklich eine Schuld bei sich. Seine Auffassung: Das Ausnutzen von Gesetzeslücken könne nicht strafbar sein. Im August dann eine zaghafte Kehrtwende: Berger sagte aus, was seine Anwälte ein Geständnis nennen. Allerdings räumte er lediglich ein, dass er ab 2009 besser hätte wissen können, dass diese Art von Geschäften "problematisch" sei.
Diese Argumentation haben mehrere Gerichte mit ihren Urteilen gegenüber anderen Angeklagten schon abgelehnt, und auch Staatsanwalt Jan Schletz sieht dieses "Teilgeständnis" als rein taktisch motiviert an - sprich: Berger versuche lediglich, gut Wetter zu machen. Richter Roland Zickler hatte während des Prozesses schon deutlich gemacht, was er von Berger erwartet. Der mit Cum-Ex-Geschäften reich gewordene ehemalige Steueranwalt müsse sich entschuldigen und den Schaden für den Fiskus "heilen", also Geld bezahlen. Im Raum stand eine Summe von 13,6 Millionen Euro - Geld, das Berger vorgibt, nicht mehr zu haben.
Die Staatsanwaltschaft Köln jedenfalls glaubt das nicht. Kurz vor dem Urteil gab es eine Razzia bei mehreren Personen im Umfeld von Berger. Der Verdacht: schwere Geldwäsche. Auch das dürfte Einfluss auf die Urteilsfindung des Gerichts haben.