Folgen der Bankenpleiten "Anleger müssen nicht um ihr Geld fürchten"
Nach den Bankenpleiten in den USA und der Schweiz sind viele Menschen verunsichert. Nun sackten Bankaktien erneut ab. Im Interview erläutert Anlage-Profi Christian Kahler, was Sparer und Kleinanleger beachten sollten.
tagesschau.de: Herr Kahler, müssen sich Sparer angesichts der jüngsten Turbulenzen im Bankensektor Sorgen um ihr Erspartes machen?
Christian Kahler: Meine Meinung ist: nein. Wir sehen eine Marktbereinigung, die im kapitalistischen System dazu gehört. Schwache Banken - in dem Fall die Silicon Valley Bank in den USA und auch die Credit Suisse in der Schweiz - haben Fehler gemacht, teils schwerwiegende Fehler, und das über viele Jahre. Dass eine Systemkrise droht und Anleger um ihr Geld fürchten müssen, das sehe ich nicht.
Nationale und EU-weite Einlagensicherung
tagesschau.de: Wie sicher ist das Ersparte, das auf einer deutschen Bank oder Sparkasse auf dem Girokonto liegt?
Kahler: Die Kundeneinlagen sind geschützt durch das Gesetz. Das heißt Festgeld und auch Spareinlagen. Das Einlagensicherungsgesetz gibt es seit den 1970er-Jahren, und dadurch sind deutsche Banken, Sparkassen und Genossenschaftsbanken verpflichtet, die Einlagen der Kunden zu schützen. (Anmerkung der Redaktion: Seit 2015 gilt das für ein Bankguthaben von bis zu 100.000 Euro je Anleger und Institut) Und ich kann mich nicht erinnern, dass das in den vergangenen 40, 50 Jahren bei den großen Geldinstituten ein einziges Mal in Anspruch genommen wurde.
tagesschau.de: Stichwort: Einlagensicherung: Wie sieht es mit außereuropäischen Banken aus? Ist das eigene Geld dort genauso sicher wie auf einer deutschen Bank oder Sparkasse?
Kahler: Das ist ein EU-weites Gesetz. Das heißt, das Geld ist auf den Banken der Länder in der Eurozone genauso sicher wie hier. (Anmerkung der Redaktion: Das Verbraucherportal Finanztip empfiehlt ausschließlich Banken, die der gesetzlichen Einlagensicherung in einem wirtschaftlich starken europäischen Land angehören.)
"Krisen gehören zum Börsenalltag dazu"
tagesschau.de: Angesichts der hohen Inflation und im Verhältnis dazu sehr magerer Zinsen auf dem Tagesgeldkonto ist es ohnehin Wertvernichtung, das Ersparte einfach auf dem Konto liegen zu lassen. Viele Deutsche tun es weiterhin. Doch immer mehr Menschen entdecken auch Aktien, insbesondere Aktiensparpläne, für sich. Was sollten Kleinanleger angesichts der jüngsten Turbulenzen beachten?
Kahler: Ich empfehle grundsätzlich einen Ratensparplan - also monatlich oder quartalsweise eine gewisse Summe besparen und sich so dem Thema nähern. Dann hat man erfahrungsgemäß langfristig ganz gute Chancen, dass es gut läuft. Aus meiner Erfahrung macht es mal Sinn, in Krisen quasi gegen die eigene Handlungsmaxime zu handeln und dann vielleicht ein bisschen mehr zu sparen als man könnte. Wovon ich aber abrate, ist, wenn jemand eine Erbschaft gemacht hat oder Geld geschenkt bekommen hat, alles auf einmal zu investieren. Das ist keine gute Idee. Besser über ein halbes Jahr oder über ein Jahr hinweg die Summe anlegen.
tagesschau.de: Welchen Tipp haben Sie als Anlage-Profi, wie soll man mit Krisen wie diesen umgehen?
Kahler: Krisen gehören zum Börsenalltag dazu. Als Anleger ist man gut damit bedient, das kontinuierlich auszublenden.
tagesschau.de: Und neben Diversifizierung der Anlage wird immer dazu geraten, einen langfristigen Anlagehorizont zu haben, richtig?
Kahler: Wenn ich an der Börse aktiv bin, würde ich immer sagen: mindestens sieben, zehn Jahre rechnen. Gerne auch deutlich mehr.
tagesschau.de: Aktiendepots, ETF und andere Fonds sind nicht von der Einlagensicherung geschützt. Was passiert, wenn die Bank oder das Institut, wo ich meinen Fonds-Sparplan habe, Pleite geht oder übernommen wird?
Kahler: Die gute Nachricht ist, dass das Geld dann immer noch da ist. Weil: Wenn ich Geld in Form eines Fonds bei einer Bank halte, ist es ein sogenanntes Sondervermögen. Das heißt, das wird von dem Kapital der Bank getrennt. Deswegen heißt es auch Sondervermögen, es liegt eben bei einer bei einer neutralen Verwahrstelle. Und ich sage mal als Beispiel, wenn meine Bank vor Ort Pleite geht, und ich habe da einen Aktienfonds, dann habe ich nicht zu befürchten, dass das Geld weg ist oder irgendwie beschlagnahmt wird. Das ist sicher.
Ähnliche Symptome, aber andere Ursachen
tagesschau.de: Trotz der Achterbahnfahrt an den Finanzmärkten sehen Ihre Ex-Kollegen von der DZ-Bank den DAX zum Jahresende schon bei 16.000 Punkten. Teilen Sie diese Ansicht und wenn ja, wieso erwarten Sie keinen Einbruch?
Kahler: Ich halte mich aus diesen Prognosen raus, weil es einfach unfassbar schwierig ist. Man weiß ja noch nicht einmal, wo der DAX Anfang nächster Woche steht. Wir haben jetzt seit mehreren Monaten sehr schlechte Nachrichten und eine sehr schlechte Marktstimmung. Aber aus Erfahrung weiß man, dass es wieder besser werden wird. Und wenn man in Krisenphasen oder auch in Rezessionsjahren einsteigt am Aktienmarkt, macht man langfristig eigentlich immer einen ganz guten Schnitt, und deshalb teile ich schon ein Stück weit den Optimismus, dass der DAX in einem Jahr vielleicht sogar höher steht als heute.
tagesschau.de: Mal generell gefragt, Sie als jahrelanger Kenner der Branche: Erleben wir gerade den Beginn einer Bankenkrise, oder sind es einzelne Institute, die ins Straucheln geraten?
Kahler: Wir sehen jetzt Symptome, die sind ähnlich wie bei der Lehman-Brothers-Krise 2008/2009, aber die Ursachen sind ganz andere als damals. Wir haben erhebliche Probleme gesehen bei der Credit Suisse die letzten Jahre, wo auch diese Selbstbedienungsmentalität dazu beigetragen hat, dass es schlechter wurde. Und die Silicon Valley Bank ist auch ein Sonderfall. Dass es jetzt zu einer weltweiten Bankenkrise kommen wird oder zu Domino-Effekten, das glaube ich nicht. Aber man muss sich auch klar machen, das Thema ist nicht nächste Woche vom Tisch.
tagesschau.de: Wir sehen aktuell, dass die Bankaktien kurz vorm Wochenende wieder einbrechen, insbesondere die der Deutschen Bank. Und gestiegen sind die Kosten für sogenannte Credit Default Swaps, also Kreditausfallversicherungen, die Halter von Anleihen der Deutschen Bank gegen mögliche Kreditausfälle absichern. Wie erklären Sie das?
Kahler: Der Markt ist nervös. Anleger befürchten jetzt, dass noch mehr "faule Eier" unter den Banken sind und dass es eine Ansteckungsgefahr gibt. Bei der einen oder anderen Bank wird jetzt sicher auch Geld abgezogen. Und viele Profi-Investoren versuchen jetzt dieses Risiko zu verringern, in dem sie sich absichern.
Das Interview führte Bianca von der Au, tagesschau.de