Euro-Rettungskurs der EZB vor Gericht Die Ökonomen haben das Wort
Verstößt die EZB mit ihrem unbegrenzten Anleihenkauf gegen Kompetenzen? An Tag zwei der Verhandlung vor dem Verfassungsgericht über die EZB-Krisenpolitik sparten Ökonomen und Experten nicht mit Kritik. Sie sprachen von "Grauzone" und "gefährlicher Retterei".
Das Bundesverfassungsgericht hat am zweiten Verhandlungstag über die Klagen gegen die Euro-Rettungspolitik den Plan der Europäischen Zentralbank erneut auf den Prüfstand gestellt. Das Gericht prüft, ob Staatsanleihenkäufe der Notenbank grundgesetzwidrig sind, weil sie ein Risiko für die Steuerzahler darstellen und vom EZB-Mandat womöglich nicht gedeckt sind. Umstritten ist vor allem das Programm OMT, mit dem die EZB unter Bedingungen theoretisch unbegrenzt Anleihen kaufen könnte. Eine Entscheidung wird erst in mehreren Monaten erwartet.
"Grauzone zwischen Geldpolitik und Fiskalpolitik"
Am zweiten Tag der mündlichen Verhandlung kamen nun die Ökonomen und Experten zu Wort: "Ökonomisch bewegen wir uns in einer Grauzone zwischen Geldpolitik und Fiskalpolitik", sagte der Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung, Clemens Fuest. Zwar ist ein EZB-Einschreiten über das OMT an einen Hilfsantrag des betroffenen Landes beim Rettungsfonds ESM und damit an politische Auflagen geknüpft. Doch Fuest wandte ein: Wenn der Bundestag wegen des deutschen ESM-Anteils mit einem solchen Antrag befasst würde, wüssten die Abgeordneten nicht, wie viel Geld letztlich bereitgestellt würde. "Es ist klar, dass damit für den deutschen Steuerzahler zusätzliche Risiken übernommen werden", sagte Fuest.
"Gefährliche Retterei"
"Diese Retterei ist außerordentlich gefährlich", bekräftigte der Präsident des Münchner ifo Instituts, Hans-Werner Sinn. Das EZB-Programm rege wirtschaftsschwache Länder an, weitere Schulden zu machen. Es passe außerdem nicht zusammen, dass Deutschland beim ESM mit höchstens 190 Milliarden haften dürfe, während die EZB theoretisch unbegrenzt Staatsanleihen erwerben könne. Sinn warnte erneut vor Milliardenrisiken für Deutschlands Steuerzahler.
"Normales Instrumentarium"
EZB-Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen verteidigte den Kauf von Staatsanleihen als "normales Instrumentarium" der Geldpolitik. Es müsse sichergestellt werden, "dass das Kaufen und Verkaufen von Staatsanleihen auf Sekundärmärkten als geldpolitische Operation möglich bleibt." Er betonte: "Das Ziel von OMT ist nicht, Staateninsolvenz zu vermeiden." Es gehe darum, der Geldpolitik zu Durchschlagskraft zu verhelfen.
Am ersten Verhandlungstag vor dem Bundesverfassungsgericht hatte Asmussen die Sichtweise der Zentralbank erläutert und die Krisenpolitik verteidigt. Bundesbank-Präsident Jens Weidmann hatte dagegen seine Kritik an den Anleihekäufen erneuert.
Bisher hatte das Gericht bei Klagen gegen die Anti-Krisenpolitik der Euro-Zone oder die Währungsunion immer grünes Licht gegeben, aber Schranken gesetzt. So auch bei den nun abschließend verhandelten Klagen gegen den Euro-Rettungsschirm ESM, der im September schon per Eilentscheidung durchgewunken worden war. Die Richter erlaubten die Ratifizierung des ESM-Vertrages unter der Bedingung, dass die Haftungsobergrenze für Deutschland von 190 Milliarden Euro nicht gegen den Willen des Bundestages erhöht werden kann. Die Prüfung der Rolle der EZB behielt sich Karlsruhe für die Hauptverhandlung vor. Ein Urteil in dem jetzigen Verfahren, das auch im Ausland intensiv verfolgt wird, ist erst in einigen Monaten zu erwarten.