Nächster EU-Haushalt Kompromiss in Krisenzeiten
Beim Sondergipfel in einer Woche geht der Streit um den EU-Haushalt in die nächste Runde. Ratspräsident Michel machte nun einen Kompromissvorschlag, der alle Beteiligten zufriedenstellen soll. Doch schon wenig später meldeten sich die ersten Kritiker.
Der Druck, sich zu einigen ist groß, aber auch die Widerstände sind es: EU-Ratspräsident Charles Michels selbstgewählte Aufgabe: Brücken bauen zwischen den unterschiedlichen Positionen, damit beim Sondergipfel in einer Woche ein Kompromiss möglich wird.
Natürlich sei das "schwierig und komplex", räumt der Belgier ein. Um die Skeptiker zu überzeugen, setzt Michel auf einen Paket-Deal, der sowohl den "sparsamen Vier" um die Niederlande und Österreich als auch den von Corona gebeutelten Ländern im Süden, vor allem Italien und Spanien, entgegenkommt.
So schlägt Michel beim Langfrist-Haushalt der EU leichte Kürzungen vor: Statt 1,1 Billionen Euro, wie von der Kommission empfohlen, soll das Budget für die kommenden sieben Jahre nur noch 1,074 Billionen Euro umfassen - 13 Milliarden Euro weniger als beim gescheiterten Gipfel im Februar zur Debatte standen. Die von Nettozahlern wie Deutschland so geschätzten Beitragsrabatte werden nicht abgeschafft.
Corona-Fonds soll bleiben
Im Gegenzug will der Ratspräsident das Wiederaufbauprogramm, das die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie ausgleichen soll, unverändert lassen: 750 Milliarden Euro insgesamt, davon 500 Milliarden als Zuschüsse und der Rest als Kredite, lautet der Plan. Allerdings soll das Geld hauptsächlich in zukunftsträchtige Investments wie Klimaschutz und Digitalisierung fließen, damit die EU sich reformiert und am Ende gestärkt aus der Krise hervorgeht. Welche Projekte dazu taugen, soll der Rat mit qualifizierter Mehrheit bestimmen dürfen.
Neu ist: Die für den sogenannten "Recovery Fonds" gemeinsam aufgenommenen Schulden sollen schon ab dem Jahr 2026 zurückgezahlt werden und nicht erst zwei Jahre später. Und: Michel macht konkrete Vorschläge zur Einführung neuer Eigenmittel, die direkt in den EU-Haushalt fließen und die Finanzierung der Corona-Hilfen erleichtern sollen. Etwa eine Abgabe auf Einwegplastik oder die Ausweitung des europäischen Emissionshandels.
Er sei von Natur aus Optimist, aber gleichzeitig auch Realist und unterschätze nicht die Schwierigkeiten, so Michel auf die Frage nach den Erfolgschancen. In einer Woche, beim Sondergipfel, sei Einstimmigkeit gefragt. Anderseits erlaube diese Jahrhundertkrise keinen Aufschub. Er zähle auf den politischen Mut. Nun sei es Zeit zu handeln, Zeit zu entscheiden - so lautet Michels Appell an die 27 Regierungschefs der EU.
Orban droht, Parlament kritisiert
Ob der Appell gehört wird, ist allerdings ungewiss: Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban knüpfte seine Zustimmung zu den geplanten Corona-Wiederaufbauhilfen bereits an die Bedingung, dass die Empfängerländer über diese Gelder frei verfügen dürfen. Ansonsten könnte Ungarn sein Veto einlegen, sagte der rechts-nationale Politiker.
Aber nicht nur Ungarn ist unzufrieden mit Michels Vorschlag: Auch Finnland meldete prompt Nachbesserungsbedarf an. Hinsichtlich des mehrjährigen EU-Haushaltsrahmens gebe es in Michels Vorschlag zwar einige richtige Schritte, erklärte die finnische Ministerpräsidentin Sanna Marin. Beim Wiederaufbauprogramm müsse jedoch mehr getan werden: "Wir brauchen ein niedrigeres Gesamtniveau und ein besseres Gleichgewicht zwischen Zuschüssen und Krediten", so Marin.
Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte fordert im Rahmen des Aufbonds verbindliche Haushaltsreformen. "Wir haben schon viele Versprechen zu Wirtschaftsreformen gehört", sagte er. Die Frage sei nun, wie diese festgezurrt werden könnten.
Mehrere EU-Abgeordnete lehnten Michels Kompromissvorschlag gleich ganz ab: "Das EU-Parlament kann keinen Mehrjahreshaushalt akzeptieren, der niedriger ist als von der EU-Kommission vorgeschlagen", erklärte der Parlamentsvize, der Konservative Siegfried Muresan. Ähnlich äußerten sich Vertreter der Sozialdemokraten, der Grünen und der Liberalen.