Urteil zum Euro-Rettungsschirm Karlsruhe entscheidet über ESM-Klagen
Das Bundesverfassungsgericht fällt heute sein Urteil über mehrere Klagen gegen den dauerhaften Euro-Rettungsschirm ESM. Dabei geht es unter anderem um das Stimmrecht Deutschlands und die Beteiligung des Bundestags an Entscheidungen.
Vor anderthalb Jahren, im Sommer 2012, steuerte die Eurokrise auf ihren vorläufigen Höhepunkt zu. Die Angst ging um, dass es einen Flächenbrand gibt, auch große Euroländer wie Italien oder Spanien ins Trudeln geraten. Deshalb hatten die Euro-Länder einen gigantischen Rettungsschirm gespannt: den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM). Dieser ist mit 700 Milliarden Euro ausgestattet. Allein Deutschland bürgt für eine Summe in Höhe von 190 Milliarden Euro.
Die Kläger wollten erreichen, dass Deutschland sich nicht am ESM beteiligt. Doch die Unterzeichnung der völkerrechtlichen Verträge über den ESM stand unmittelbar bevor. Deshalb mussten die wichtigsten Rechtsfragen in einem Eilverfahren vorm Bundesverfassungsgericht geklärt werden. Die Richter entschieden im September 2012: Der permanente Rettungsschirm ESM ist grundsätzlich zulässig. Der ESM führe nicht dazu, dass das Haushaltsrecht des Bundestages ausgehebelt wird - so wie es die Kläger vorgetragen hatten.
Kein Verstoß gegen Grundgesetz
Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle sagte damals nach dem Eilverfahren: Ein Verstoß gegen das Grundgesetz könne das Gericht nach vorläufiger Prüfung nicht erkennen: "Allerdings hat die Prüfung auch ergeben, dass die Auslegung der Regelungen des ESM-Vertrages hinsichtlich der Höhe der Haftung der Bundesrepublik Deutschland und der verfassungsrechtlich notwendigen Unterrichtung des Bundestages und des Bundesrates mit einigen Unsicherheiten behaftet ist."
Was die Höhe der Haftung betrifft, musste Deutschland rechtsverbindlich klarstellen, dass es wirklich nur mit maximal 190 Milliarden Euro haftet. Sollte die Summe dennoch angehoben werden, muss der Bundestag vorher gefragt werden.
Entscheidungen über Detailfragen
Vom heutigen Urteil sind keine Überraschungen zu erwarten. Es müssen allerdings noch wichtige Detailfragen geklärt werden, etwa: In welcher Form und wie stark darf der Bundestag beim Rettungsfonds ESM mitreden? Wie kann man sicherstellen, dass Deutschland im Ernstfall schnell genug Milliardenhilfen an den ESM überweist? Wenn das nämlich nicht rechtzeitig geschieht, verliert Deutschland automatisch sein Stimmrecht beim Rettungsfonds, dem sogenannten Gouverneursrat.
Geklagt hatten die Beschwerdeführer auch gegen die Ankündigung von EZB-Chef Mario Draghi, notfalls in unbegrenzter Höhe Staatsanleihen aufzukaufen. Die damit verbundenen Rechtsfragen haben die Richter aber abgetrennt, und sie erst kürzlich dem Europäischen Gerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.
Keine Aussage zur Sinnhaftigkeit
Eines werden die Richter auch heute sicher nicht tun: darüber urteilen, ob die bisherige Euro-Rettungspolitik sinnvoll ist. Dies, so Gerichtspräsident Voßkuhle, sei nicht die Aufgabe des Gerichts: "Über die Zweckmäßigkeit und die Sinnhaftigkeit des vom Bundestag und Bundesrat mit großer Mehrheit verabschiedeten Rettungspakets hatte das Bundesverfassungsgericht ungeachtet vieler kritischer Stimmen, gerade auch in der Fachöffentlichkeit weder im Rahmen des Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu entscheiden, noch wird es darüber im Hauptsacheverfahren entscheiden. Das ist und bleibt Aufgabe der Politik."