Kritik der Windenergiebranche "Totalausfall" im Süden
Das Nord-Süd-Gefälle beim Ausbau der Windkraft in Deutschland hat sich zu Jahresbeginn weiter verschärft. Seit Anfang Januar wurde in mehreren Bundesländern keine einzige neue Anlage genehmigt.
Zum Start ins Jahr kommt der Ausbau der Windenergie aus Branchensicht nur schleppend voran. Der Stand der Neugenehmigungen sei "ein Armutszeugnis für den deutschen Süden", sagte der Präsident des Bundesverbands Windenergie, Hermann Albers, der Nachrichtenagentur dpa.
Seit Anfang Januar gebe es keine einzige neu genehmigte Anlage in Baden-Württemberg, Bayern, Rheinland-Pfalz, Sachsen und dem Saarland. In Hessen gebe es nur eine Genehmigung. Das sei nichts Geringeres als ein "Totalausfall". Vor allem Baden-Württemberg, Bayern und Sachsen müssten endlich handeln.
Verpasst Mecklenburg-Vorpommern eine "historische Chance"?
Bundesweit wurden nach Angaben der Fachagentur Windenergie an Land 51 Anlagen seit dem Stichtag 6. Januar neu genehmigt. Darunter waren 19 in Sachsen-Anhalt, elf in Schleswig-Holstein, acht in Nordrhein-Westfalen, fünf in Niedersachsen, vier in Thüringen, drei in Brandenburg und die eine in Hessen. Verbandspräsident Albers warnte: "Die Bundesländer müssen jetzt endlich handeln, sonst setzen sie mutwillig ihre Industrie aufs Spiel."
Auch in Mecklenburg-Vorpommern habe es 2023 noch keine neue Genehmigung gegeben. Als Küstenland stehe es vor der historischen Chance, von einem kommenden Wasserstoff-Boom zu profitieren. "Das Land sollte sich diese Gelegenheit nicht entgehen lassen."
Energiewende bei steigendem Strombedarf?
Mehr Ökostrom spielt eine zentrale Rolle, um Klimaschutzziele zu erreichen und unabhängiger von fossilen Energien zu werden. Die Bundesregierung rechnet in den kommenden Jahren mit einem steigenden Strombedarf. "Von 550 Terawattstunden heute rechnen wir mit einem Anstieg wegen E-Mobilität und Wärmepumpen vor allem bis auf 700/750 Terawattstunden 2030, und das können dann 2045 gut und gerne 1000 Terawattstunden sein", sagte jüngst Wirtschaftsminister Robert Habeck.
Der Anteil erneuerbarer Energien soll bis dahin auf 80 Prozent steigen. Die Bundesregierung hat daher umfassende Maßnahmen für einen schnelleren Ausbau beschlossen. Dazu gehört eine gesetzliche Verpflichtung, damit Länder mehr Flächen bereitstellen. Die Zahl der Windräder, die ans Netz gehen, soll in den kommenden Jahren massiv steigen. Einige Experten haben die Ziele der Bundesregierung als zu optimistisch kritisiert.
Nord-Süd-Gefälle beim Ausbau der Windkraft
Bislang sieht die Energiewende allerdings in erster Linie so aus: Während im Süden vorwiegend konventionelle Atom- und Braunkohlekraftwerke vom Netz gehen, werden im Norden die Windkraftkapazitäten ausgebaut. Allein im vergangenen Jahr stellten Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Brandenburg und Nordrhein-Westfalen nach Branchenangaben zusammen 77 Prozent des Zubaus.
Der Süden wird damit abhängiger von den Stromlieferungen aus dem Norden, zugleich wächst bei Teilen der Bevölkerung in den südlichen Bundesländern die Angst vor einem Blackout.
Verteidiger des geringen Vorkommens von Windenergie im Süden weisen derweil darauf hin, dass die Stromproduktion per Wind im Süden deutlich ineffizienter ist als im Norden. Laut dem Windatlas Deutschland ist die Windgeschwindigkeit an der niedersächsischen Nordseeküste im Vergleich zum Bayerischen Wald fast doppelt so hoch.