Artenschutz in Bayern Wie Klagen den Windkraftausbau verzögern
Auf der Suche nach Alternativen zum russischen Gas sind erneuerbare Energien gefragt wie nie zuvor. Doch noch immer sind die Hürden hoch. In Bayern treffen neue Projekte für Windräder oftmals auf Klagen.
Andreas Herschmann steht hoch oben auf dem bislang einzigen Windrad der Bürgerenergiegenossenschaft Pfaffenhofen. Herschmann und seine Genossen möchten die oberbayerische Kreisstadt möglichst schnell energieautark machen. Schon zum Jahresende sollen sich neben dem ersten Windrad noch weitere drei drehen, doch nun verzögern mehrere Klagen eines Naturschutzvereins das Projekt.
Gegen den kleinen Windpark im Förnbacher Forst klagt der Verein für Landschaftspflege und Artenschutz in Bayern e. V., abgekürzt VLAB. Der Verein mit Hauptsitz in der Oberpfalz hat rund 8000 Mitglieder und klagt im oberbayerischen Pfaffenhofen gegen den Bau der Windräder an sich, gegen Rodungsarbeiten für die Bauwege und auf Baustopp.
Als Argumente führt VLAB zum Beispiel die Gefährdung von Vögeln und Zauneidechsen an. Nach Angaben der Bürgerenergiegenossenschaft Pfaffenhofen sind die Tiere aber durch den geplanten Windpark nicht gefährdet. Im Gegenteil: Die Bürgerenergiegenossenschaft unternehme sehr viel, um Umwelt und Tiere zu schützen. Ihr Anwalt Micha Klewar verweist auf Nistplätze für Vögel und Fledermäuse sowie einen langen Schutzzaun für die Zauneidechse.
Herrschmann will die Stadt Pfaffenhofen energieautark machen.
"Von Windrädern verschont bleiben"
Seit vielen Jahren begleitet Anwalt Klewar Windradprojekte in Bayern. Ausdrücklich begrüßt der Jurist das Verbandsklagerecht von Naturschutzverbänden als Stärkung des Rechtsstaats. Dieses Recht, als Verband gegen Projekte zu klagen, besitzt auch VLAB. Der Verein wurde in der Amtszeit von Horst Seehofer als Ministerpräsident von Bayern 2015 als Naturschutzverband anerkannt. Seit 2019 hat VLAB auch bundesweit das Verbandsklagerecht.
Allerdings stellt Klewar fest, dass große Naturschutzverbände wie etwa der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) "sehr umsichtig mit ihrem Recht auf Verbandsklage umgehen". Mit ihnen einigt sich der Anwalt meist außergerichtlich, nicht so mit dem VLAB - der streite im Fall des Windparks in Pfaffenhofen zum Beispiel auch um die Lage des Nistplatzes eines Uhu-Pärchens, obwohl "dieser Nistplatz erwiesenermaßen weit genug vom Projektort entfernt liegt. Dem Verein VLAB geht es nicht darum, eine vernünftige Lösung hier für den Uhu, die Zauneidechse oder andere Tiere zu finden. Denen geht es darum, von Windrädern verschont zu bleiben."
Klagen gegen mehr als zwei Dutzend Anlagen
Der Verein VLAB bekämpft aktuell in Bayern mindestens zwei Dutzend Windanlagen, darunter zwei große Windparks in Franken. Derartige Verfahren kosten. Der BR hat bei VLAB angefragt, wer genau für die Prozesskosten aufkommt und mit welcher Motivation VLAB landesweit gegen Windräder vorgeht. Schließlich hat der Verein nur wenige Tausend Mitglieder und längst nicht überall Ortsvereine; zum Beispiel hat VLAB in Pfaffenhofen keine offizielle Vertretung. Als Replik auf die schriftliche Anfrage verweist VLAB per Mail lediglich auf die Website des Vereins.
Dort lässt sich nachlesen, dass sich der Verein "gegen die Auswüchse der Energiewende" einsetzt. VLAB erklärt hier: "Der Bau weiterer Windräder und großer Fotovoltaik- Freiflächenanlagen in den Kulturlandschaften und Wäldern ist vorerst zu stoppen." Durch Windräder würden "massenhaft Vögel, Fledermäuse und Insekten getötet und das Mikroklima gestört".
Landrat spricht von einer "Verhinderungsaktion"
Die von VLAB angeführten Umwelt- und Artenschutzargumente hält Pfaffenhofens Landrat Albert Gürtner für vorgeschoben. Bei seiner Behörde landen alle VLAB-Klagen gegen die Pfaffenhofener Windräder, denn beklagt wird der Freistaat Bayern, vertreten vom Landratsamt. Die Behörde hat das Windparkprojekt der Bürgerenergiegenossenschaft geprüft und sämtliche Genehmigungen erteilt. Die juristischen Schritte von VLAB bezeichnet Landrat Gürtner als "reine Verhinderungsaktivität eines Vereins, der die Energiewende verhindern will."
In wenigen Wochen entscheidet das Verwaltungsgericht in München. Andreas Herschmann, Vorsitzender der Bürgerenergiegenossenschaft Pfaffenhofen, glaubt an einen positiven Ausgang. "Wir sind trotzdem optimistisch, dass sich bis Ende 23 die Anlagen drehen und Pfaffenhofen so zur Energie-Souveränität helfen." Er hofft, dass VLAB den Windpark in Pfaffenhofen nur verzögert, nicht verhindert.