Photovoltaik-Boom Immer mehr Solaranlagen auf deutschen Dächern
Immer mehr deutsche Unternehmen und private Haushalte nutzen Sonnenenergie zur Stromerzeugung. Aber ob Europas Solarindustrie vom Boom profitiert, ist fraglich. Die Branche fordert Hilfen von der Politik.
Die Zahl der auf Deutschlands Dächern installierten Photovoltaikanlagen ist im März dieses Jahres verglichen mit dem Vorjahresmonat um 16 Prozent gestiegen. Laut Statistischem Bundesamt sind es damit nun insgesamt 2,6 Millionen Anlagen.
Die gesamte Leistung der Solaranlagen stieg den Angaben zufolge um mehr als ein Fünftel im Vergleich zum März 2022 auf rund 70.600 Megawatt an. Das Statistikamt erfasst alle Anlagen, die in die Netze der öffentlichen Versorgung einspeisen und über einen Stromzähler verfügen. Sogenannte Balkonkraftwerke fallen aus dieser Statistik daher in der Regel heraus.
Solarstrom wird immer wichtiger
Durch den Betrieb von Photovoltaikanlagen wurden in Deutschland im vergangenen Jahr gut 54,3 Millionen Megawattstunden Strom ins Netz eingespeist. Das entspricht einer Zunahme von 20 Prozent gegenüber dem Vorjahr. 2021 hatte die Netzeinspeisung noch bei rund 45,3 Millionen Megawattstunden gelegen.
"Auch der Anteil von Photovoltaik an der Stromerzeugung insgesamt hat zugenommen", so das Statistikamt. 2022 entfielen elf Prozent des eingespeisten Stroms in Deutschland auf Photovoltaik - ein neuer Höchstwert. 2021 hatte Photovoltaik einen Anteil von neun Prozent an der gesamten Stromerzeugung ausgemacht.
Bisheriger Rekordmonat für Solarstrom in Deutschland war der Juni 2022: Mit knapp 7,7 Millionen Megawattstunden wurde ein Fünftel des eingespeisten Stroms in jenem Monat mit Hilfe von Photovoltaikanlagen erzeugt, ermittelte das Bundesamt.
Solarindustrie braucht Fachkräfte
Der Bundesverband der Solarwirtschaft (BSW) hält es für möglich, den Solaranteil am Energieverbrauch binnen zehn Jahren auf 30 Prozent auszubauen. Bei privaten Immobilienbesitzern habe es in den vergangenen vier Jahren eine Vervierfachung der installierten Solarstromleistung gegeben. Potenzial gebe es vor allem auf Gewerbedächern.
Für den von der Bundesregierung geplanten Ausbau der Sonnenenergie in Deutschland sind nach Einschätzung der Solarwirtschaft etwa Hunderttausend zusätzliche Arbeitskräfte notwendig. Ende 2022 beschäftigte die Branche laut BSW etwa 65.000 Menschen. "Wir werden in eine Größenordnung von etwa 165.000 kommen müssen", sagte BSW-Hauptgeschäftsführer Carsten Körnig.
Die Kalkulation beruht auf dem Ausbauziel der Bundesregierung: Der jährliche Zubau der Photovoltaik-Leistung soll bis 2026 auf 26 Gigawatt steigern, das wäre mehr als dreimal soviel wie 2022. Im vergangenen Jahr wurden nach Körnigs Angaben Solaranlagen mit einer Leistung von 7,4 Gigawatt installiert, in diesem Jahr werden es laut BSW voraussichtlich zwischen neun und elf Gigawatt sein.
Wer wird vom Boom profitieren?
Um von diesem Boom zu profitieren, sind die Voraussetzungen von Europas Solarindustrie Fachleuten zufolge allerdings nicht ideal. Vor allem die chinesischen Hersteller bestimmen derzeit den Markt. Das Fraunhofer-Institut für solare Energiesysteme schätzt den europäischen Anteil an der weltweiten Produktion auf ein Prozent und den chinesischen auf 75 Prozent.
Und China produziert deutlich billiger: Die Produktionskosten von Solarmodulen werden in Cent pro Watt der elektrischen Leistung angegeben. Die chinesische Solarindustrie liegt nach Angaben aus der Branche bei geschätzt 17 bis 18 US-Cent pro Watt. Chinesisches Ziel für 2025 sind 15 Cent, wie der französische Unternehmer und Solarexperte Gaetan Masson unlängst auf der Münchner Messe Intersolar berichtete.
Die europäischen Kosten sind nach Schätzung eines Fachmanns nach einer groben Formel etwa doppelt so hoch. "Wir sind viel teurer als die Chinesen", sagte Masson, der eine fehlende Wettbewerbsfähigkeit beklagt.
"Doppelwumms" gefordert
Und die USA bieten Solarfirmen im Rahmen des Inflation Reduction Acts große Steuervorteile und locken damit europäische Firmen mit Subventionen an, berichten Industrievertreter. "Wenn nichts getan wird, um die europäischen Modulhersteller zu schützen, wird auch niemand hier investieren", resümierte Gunter Erfurt auf der Intersolar. Er ist Vorstandschef des Modulherstellers Meyer Burger. Verglichen mit den außereuropäischen Wettbewerbern sei die heimische Industrie in der Situation eines "Trabi mit kaputtem Motor".
"Wenn wir in Europa mithalten wollen, brauchen wir jetzt einen energie- und industriepolitischen Doppelwumms", fordert BSW-Chef Körnig. Ohne einen Industriestrompreis werde eine Renaissance der Solarindustrie in Europa kaum gelingen. Billigerer Strom allein würde nach Körnigs Einschätzung aber nicht genügen, daher das Plädoyer für einen "Doppelwumms" mit gleichzeitiger industriepolitischer Hilfe für die Solarindustrie.