Erneuerbare Energien Kaum Solarmodule auf öffentlichen Gebäuden
Photovoltaik-Anlagen sind auf neuen Wohnhäusern ein gewohntes Bild. Aber ausgerechnet der Staat gibt nicht nur bei den eigenen Neubauten bisher ein schlechtes Beispiel ab.
Vor nicht einmal einem Jahr wurde das neue Gebäude für die Kleintier- und Vogelklinik der Justus-Liebig-Universität Gießen feierlich eröffnet. Auf dem modernen Bau gibt es aber keine Photovoltaik-Anlage, die Strom für den Eigenverbrauch liefern könnte. Bei der Planung vor 15 Jahren sei Solar noch unter die Kategorie "Nice to have" gefallen, erklärt Susanne Kraus, Kanzlerin der Uni Gießen: "Wenn Geld knapp war, wurde hier als erstes gestrichen." In Zukunft werde aber jedes neue Gebäude mit einer PV-Anlage geplant, bestehende Bauten sollen nachgerüstet werden.
60 Kilometer weiter an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main ist die Situation ähnlich. "Bauvorschriften" haben nach Uni-Angaben dazu geführt, dass auch jüngst errichtete Bauten keine PV-Anlage auf dem Dach haben. Das bedauere man sehr und werde es in Zukunft anders machen.
Ausbauziele bis 2030
In der Vergangenheit sei der Staat beim PV-Ausbau auf öffentlichen Gebäuden kein gutes Vorbild gewesen, sagt Claudia Kemfert, Energieexpertin am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Es sei hier bisher viel Potenzial verschenkt worden. Weil die Dächer von öffentlichen Gebäuden meist große Flächen haben, sind sie für die Gewinnung von Solarstrom besonders gut geeignet.
Die Bundesregierung will bis 2030 die Photovoltaik-Leistung auf 215 Gigawatt ausbauen. Die eine Hälfte auf Dächern, die andere in der Fläche. Laut dem Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE haben öffentliche Gebäude ein Potenzial von 8,4 Gigawatt. Somit könnten staatliche Gebäude rund acht Prozent zum geplanten PV-Ausbau auf Dächern beitragen. Der Strom muss dann in vielen Fällen gar nicht ins Stromnetz eingespeist werden, da öffentliche Gebäude meist einen hohen Eigenverbrauch haben.
Warum der Ausbau in einer Kommune trotz aller Bemühungen scheitern kann, weiß inzwischen Dirk Sohn, Bürgermeister von Lütjenburg nahe der Ostseeküste. Zum einen lässt sich dort bisher kein Statiker finden, um das Dach des städtischen Bauhofs zu begutachten. Zum anderen sind auf der Kläranlage zwar Module montiert, aber können nicht ans Netz angeschlossen werden. "Ich weiß gar nicht, auf wen ich sauer sein soll", so der CDU-Politiker. Es gebe so viele beteiligte Akteure und am Ende keinen konkreten Ansprechpartner.
So geht es vielen ausgebremsten Machern in den Kommunen. "Ich kann den Frust total verstehen", sagt Energieexpertin Kemfert. Es gebe einfach zu viele Hemmnisse.
Bürokratische Hürden
Ein neues Hemmnis haben die Verantwortlichen gerade an der Universität Kassel kennengelernt. Beim Thema Solar gilt die Hochschule als vorbildlich und hat schon 2008 die ersten Anlagen montieren lassen. Doch die neue PV-Anlage darf nicht in Betrieb gehen. "Wir können nicht einschalten", sagt Uni-Kanzler Oliver Fromm. "Denn wir müssen erst ein Zertifikat für 20.000 Euro erwerben".
Dieses Zertifikat werde von Fachleuten erstellt, an denen es überall fehle. Das vorgeschriebene Zertifikat sei zudem "Unsinn", da der Strom gar nicht ins öffentliche Netz eingespeist werde. "Da fühlt man sich ausgebremst." Wann die neue Anlage den ersten Strom liefern wird, ist völlig unklar.
Solarpaket lässt auf sich warten
Das neue Solarpaket der Bundesregierung könnte wohl das Problem mit dem Zertifikat lösen. Doch das Gesetz ist entgegen der Planung nicht im vergangenen Jahr beschlossen worden.
Kemfert ist dennoch überzeugt, dass der PV-Ausbau auf staatlichen Dächern zumindest in Zukunft schneller gehen wird. Der Staat habe sich zwar viel zu viele bürokratische Hürden in der Vergangenheit selbst aufgebaut. "Aber die werden jetzt Stück für Stück beseitigt", so Kemfert.
Dann könnte es mehr PV-Anlagen auf öffentlichen Gebäuden geben, zugleich kämen die Ausbaupläne von Privatleuten und Unternehmen voran. Der Staat könnte dann bei der Energiewende weithin sichtbar auf vielen Dächern genau die Vorbildfunktion erfüllen, der er bislang nicht gerecht wurde.