Abstimmung im Bundestag Ja zum Hilfspaket - ohne Kanzlermehrheit
Die Mehrheit für das zweite Griechenland-Hilfspaket im Bundestag war eindeutig, doch die politisch wichtige Kanzlermehrheit haben Union und FDP verfehlt. Dank der Zustimmung von SPD und Grünen gab es insgesamt 496 Ja-Stimmen. Zuvor hatte Kanzlerin Merkel nochmals vehement um Zustimmung geworben - aber nicht alle Zweifler überzeugt.
Die Regierungskoalition aus CDU/CSU und FDP hat bei der Abstimmung über das zweite Hilfspaket für Griechenland die Kanzlermehrheit verfehlt. Für den Gesetzentwurf stimmte die große Mehrheit von 304 Abgeordneten der Koalition, die symbolisch wichtige Kanzlermehrheit von 311 Stimmen wurde aber knapp verfehlt. Bei der Union gab es 13 Nein-Stimmen, unter anderem von dem bekannten Kritikern der Euro-Rettungsmaßnahmen, Wolfgang Bosbach, Peter Gauweiler und Klaus-Peter Willsch. Zudem gab es zwei Enthaltungen. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich votierte mit Ja - ungeachtet seiner umstrittenen Empfehlung für einen Euro-Austritt Athens.
Bei der FDP votierten vier Abgeordnete gegen das Gesetz, es gab eine Enthaltung. Insgesamt fehlten sechs Abgeordnete der Koalition bei der Abstimmung.
Dank der Zustimmung von Grünen und SPD erhielt das Paket dennoch eine sehr breite Mehrheit: 496 der 591 anwesenden Abgeordneten stimmten dafür. Es gab 90 Nein-Stimmen, fünf Parlamentarier enthielten sich der Stimme. Das bis 2014 angesetzte zweite Hilfspaket für Griechenland umfasst insgesamt 130 Milliarden Euro.
Erfolg oder Niederlage?
Der parlamentarische Geschäftsführer der Union, Peter Altmaier, wertete das Abstimmungsergebnis dennoch als Erfolg. Die Koalition habe keine Delle erlitten, sondern eine deutliche eigene Mehrheit erzielt. "Wir haben mit großer Geschlossenheit die Politik der Bundeskanzlerin unterstützt." Dagegen sah der parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Thomas Oppermann, Merkel als gescheitert an. Sie habe in einer zentralen Abstimmung dieser Legislaturperiode keine Kanzlermehrheit mehr. "Das ist der Beginn der Kanzlerdämmerung." Und sein Kollege von Grünen, Volker Beck, diagnostizierte: "Der Koalition geht langsam die Puste aus."
Kanzlerin wirbt um Zustimmung
Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte in einer Regierungserklärung zuvor vehement für weitere Hilfen geworben. "Europa scheitert, wenn der Euro scheitert. Europa gewinnt, wenn der Euro gewinnt", mahnte sie vor der Abstimmung über das zweite Rettungspaket für Griechenland.
Es sei eine durchaus berechtigte Frage, ob es der Eurozone ohne Griechenland nicht besser ginge, sagte Merkel weiter. Die Beantwortung sei jedoch eine Sache der Abwägung, und die Chancen des neuen Paktes seien weitaus größer als das Risiko, wenn Griechenland keine neuen Kredite bekomme. Niemand könne abschätzen, was eine ungeordnete Pleite an Folgen für die Welt, Europa und Deutschland nach sich zöge.
Schneller Geld für den ESM
Merkel kündigte außerdem an, dass Deutschland in den dauerhaften Euro-Rettungsschirm ESM bereits im laufenden Jahr elf Milliarden Euro einbringen will. Das ist die Hälfte des vereinbarten deutschen Anteils. Bisher war geplant, dass Deutschland diese 22 Milliarden Euro in fünf Tranchen einbringt.
Steinbrück sieht drittes Griechenland-Paket
Der ehemalige Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) äußerte sich skeptisch über die Erfolgsaussichten des Griechenland-Pakets. Eine Stabilisierung Griechenlands könne nur gelingen, wenn das Land ein sehr starkes Wachstum erziele. Dies sei angesichts des "Abwärtssogs" aus Arbeitslosigkeit, sinkender Steuereinnahmen und einbrechender Konjunktur unwahrscheinlich. "Der Bundestag wird sich in absehbarer Zeit mit einem dritten Griechenland-Paket befassen werden", sagte Steinbrück.
Für die Linkspartei kritisierte Fraktionschef Gregor Gysi die Reformvorgaben für Griechenland und verglich sie mit den Reparationsforderungen an Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg. "Sie machen bei Griechenland Versailles, die brauchen aber Marshall", sagte Gysi. Die "verheerende Kürzungspolitik" bei Mindestlöhnen und Einkommen werde Griechenland in die Katastrophe führen.
Unionsfraktionschef Volker Kauder sprach sich für die stärkere Nutzung von EU-Strukturfonds für Griechenland aus: "Das ist eine Form von Marshall-Plan, die wir für richtig halten würden", sagte er. Kauder appellierte vor allem an die Abgeordneten der Regierung, geschlossen für das Paket zu stimmen.