Britische Wirtschaft warnt vor EU-Austritt 200 Spitzenmanager gegen Brexit
Bleibt Großbritannien drin in der EU - oder steigt das Land aus? Für etliche Chefs führender britischer Konzerne ist klar: Auf jeden Fall drinbleiben. Rund 200 Spitzenmanager warnen in einem offenen Brief deutlich vor einem Austritt.
Die Liste der fast 200 Unterzeichner des offenen Briefs liest sich wie das "Who is Who" der britischen Wirtschaft: Unterschrieben haben unter anderem die Chefs der Telekom-Konzerne BT und Vodafone, der Öl-Multis BP und Shell, des Kaufhaus-Riesen Marks & Spencer sowie der Fluggesellschaften Easyjet und Ryanair.
Auch Jayne-Anne Gadhia, die den Finanzdienstleister Virgin Money führt, ist mit von der Partie - und begründet heute, warum: "Als Firmenchefin denke ich, unsere Mitgliedschaft in der EU ist wichtig für den Erfolg unserer Unternehmen, aber auch für die Verbraucher: durch mehr Jobs, mehr Verdienst, mehr Investitionen. Jetzt, wo wir einen Reformdeal haben, der uns in Europa noch stärker macht, möchte ich all das nicht riskieren."
Auch deutsche Konzerne auf der Liste
Auch die Namen von drei deutschen Konzernen finden sich übrigens auf der Liste: Denn die Chefs der Töchter von BASF und Siemens auf der Insel haben den Brief ebenso unterschrieben wie ein britisches Aufsichtsratsmitglied von BMW. All diese Unternehmenslenker argumentieren, die Wirtschaft brauche den ungehinderten Zugang zu einem Markt mit 500 Millionen Menschen, um weiterzuwachsen. Etwa die Hälfte der britischen Exporte geht in andere EU-Staaten.
Gefahr für Investitionen und Jobs bei einem Austritt
John Holland-Kaye, Chef des Londoner Flughafens Heathrow, versucht aber dem Eindruck entgegenzuwirken, nur "Big Business" profitiere von der EU-Mitgliedschaft - gerade in der Luftfahrt: "Die EU habe den Wettbewerb in der Luft befördert, wodurch die Ticketpreise gefallen seien", so Holland-Kaye. Damit könnten Privatleute und Geschäftsreisende heute günstiger reisen als früher. Die EU zu verlassen, würde dagegen Investitionen und Arbeitsplätze gefährden, warnen die unterzeichnenden Bosse - deren Unternehmen mehr als eine Million Menschen in Großbritannien beschäftigen.
Der Investor Jim Mellon dagegen finanziert die Kampagne "Leave.EU". Er meint, nicht der Austritt aus der EU wäre ein Sprung ins Ungewisse, sondern der Verbleib: Interessant ist, wer sich bislang nicht einreihen wollte bei den Unterzeichnern des offenen Briefs: Etwa die Chefs der Supermarktketten Tesco und Sainsbury’s sowie der Großbanken Barclays und Royal Bank of Scotland.
Von den 100 größten börsennotierten Konzernen des Landes haben aber 36 - also mehr als jeder Dritte - unterschrieben, was EU-Gegner Mellon indes für einen Fehler hält: Manager, die die Interessen von Anteilseignern verträten und nicht selbst eine Firma aufgebaut hätten, sollten bei solchen pro-EU-Aktionen nicht mitmachen, findet Mellon. Vertreter der Anti-EU-Kampagne werfen der Regierung in London außerdem vor, diese habe Druck auf die Unternehmen ausgeübt, den Brief zu unterschreiben.
Kurs des Pfunds fällt
Aus Furcht vor einem britischen Abschied aus dem europäischen Club fällt der Kurs des Pfunds bereits seit mehreren Monaten - gestern gegenüber dem US-Dollar sogar auf den tiefsten Stand seit 2009. Und die Rating-Agentur Moody’s drohte damit, Großbritannien eine schlechtere Note bei der Kreditwürdigkeit zu verpassen, sollten sich die Bürger beim Referendum am 23. Juni tatsächlich für den Brexit entscheiden.