Auf Bundeswehrgelände Ermittler suchen illegales Waffenlager
Gibt es auf dem KSK-Gelände in Calw noch illegale Munitionsdepots mit vergrabenen Sturmgewehren? Diesem Verdacht geht die Bundesanwaltschaft derzeit nach - und führt sogar Erdgrabungen auf Militärgelände durch.
Mit Drohnen, Metallsonden und einem Schaufelbagger: Im Zusammenhang mit dem Terrorverfahren gegen sogenannte "Reichsbürger" sucht die Bundesanwaltschaft nach Informationen von WDR, NDR und "Süddeutscher Zeitung" (SZ) nach illegalen Waffen- und Munitionsdepots auf einem Bundeswehrgelände.
Die Ermittler gehen dem Verdacht nach, dass auf militärischem Gelände des Kommando Spezialkräfte (KSK) im baden-württembergischen Calw große Mengen illegaler Munition und Waffen vergraben worden sein könnten.
Erstmals rückten die Ermittler dazu im Dezember letzten Jahres, kurz vor Weihnachten, in Calw an, wo eine Eliteeinheit der Bundeswehr ihren Kasernensitz hat. Hintergrund sind Hinweise, wonach einer der Beschuldigten in einem derzeit laufenden Terrorverfahren, der ehemalige Bundeswehrkommandeur Rüdiger von P., dort vor vielen Jahren ein illegales Waffen- und Munitionsversteck angelegt haben könnte.
Hinweis eines Soldaten
Gegen den Mann laufen derzeit bei der Bundesanwaltschaft Ermittlungen, er befindet sich im Zusammenhang mit möglichen Terrorvorbereitungen im sogenannten "Reichsbürger"-Verfahren in Untersuchungshaft. Gemeinsam mit anderen soll er illegal Waffen beschafft und den militärischen Arm einer Verschwörergruppe rund um den adeligen Immobilienunternehmer, Heinrich XIII. Prinz Reuß, organisiert haben.
Die Bundesanwaltschaft geht dabei dem Verdacht nach, dass die Miliz im Falle eines erzwungenen Regierungswechsels mutmaßlich eine vermeintliche "Übergangsregierung" absichern oder diese überhaupt erst herbeiführen sollte.
Ein Soldat hatte Ende letzten Jahres gegenüber der Polizei von Gerüchten berichtet, wonach Rüdiger von P. gemeinsam mit anderen Soldaten angeblich vor Jahren oder Jahrzehnten illegale Waffen und Munition in der Nähe des Kasernengeländes vergraben haben könnte.
Der Hintergrund: Rüdiger von P., damals Batallionskommandeur, war bereits 1999 im Zusammenhang mit unterschlagener Munition strafrechtlich verurteilt und aus der Bundeswehr entlassen worden. Damals konnte der Verbleib von rund 200 ehemaligen NVA-Waffen nicht geklärt werden. Vor diesem Hintergrund nahmen die Ermittler den Hinweis sehr ernst - und rückten das erste Mal kurz vor Weihnachten letzten Jahres in Calw an.
Flugdrohnen und Bagger des THW
Mit Flugdrohnen sichteten die Ermittler zunächst das Gelände, später führten sie umfangreiche Rodungs- und Grabungsarbeiten durch. Um überhaupt graben zu können, mussten teils großflächig Büsche und Sträucher gerodet werden, etwa unter Zuhilfenahme eines Baggers des Technischen Hilfswerkes.
Nachdem die Ermittler nicht fündig wurden, rückten sie im Sommer dieses Jahres erneut auf dem Militärübungsplatz in Calw an. Der Übungsplatz befindet sich außerhalb des umzäunten Kasernengeländes. Es handelt sich um ein Übungsdorf, das von den Soldaten genutzt wird und von Wald- und Wiesenflächen umgeben ist.
Zuletzt kamen die Ermittler erneut in der vergangenen Woche wieder, um nach dem vermeintlichen Waffenversteck zu suchen. Dabei gehen sie davon aus, dass es sich um mehrere Paletten von Munition und auch Waffen wie Sturmgewehre vom Typ Kalaschnikow handeln könnte.
Beschuldigter mit Vorgeschichte
Der Ex-Soldat von P. war in den 1990er-Jahren Kommandeur eines Fallschirmjägerbatallions, das in Calw ansässig war, ehe dort 1996 auch das Kommando Spezialkräfte gegründet wurde. Im Jahr 1999 verurteilte das Landgericht Tübingen den Oberstleutnant zu zwei Jahren Haft auf Bewährung, wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz und das Kriegswaffenkontrollgesetz sowie wegen Unterschlagung.
1993 war er zuvor damit beauftragt worden, Pistolen und Gewehre aus ehemaligen DDR-Beständen der Nationalen Volksarmee und der Volkspolizei für die Bundeswehr zu beschaffen, zu Ausbildungszwecken. Rund 1.300 sogenannter Fremdwaffen ließ er laut der damaligen Ermittlungen in mehreren Transporten aus Berlin nach Baden-Württemberg bringen, sie sollten in andere Kasernen weiterverteilt werden. Die funktionstüchtigen Waffen wurden seinerzeit nicht ordnungsgemäß registriert. Als schließlich 1996 das Fallschirmjägerbataillon aufgelöst wurde, um teils im KSK aufzugehen, fiel auf, dass Fremdwaffen fehlten.
Grabungen auf Bundeswehrgelände
Die Ermittler konnten damals in Einzelfällen nachvollziehen, was mit den Waffen passiert war: Teils hatte der Oberstleutnant sie verschenkt, teils verkauft und manche selbst benutzt. Die allermeisten der fehlenden 165 Gewehre und Pistolen konnten jedoch nicht sichergestellt werden.
Auch von 44 weiteren halbautomatischen Makarov-Pistolen, die von P. laut den Ermittlungen im Herbst 1995 unerlaubt mit seinem Dienst-Pkw in seinen privaten Keller geschafft haben soll, fehlt bis heute jede Spur. Vor diesem Hintergrund nehmen die Ermittler die Hinweise auf mögliche Waffen- oder Munitionsverstecke sehr ernst. Gefunden wurde dem Vernehmen nach bislang allerdings nichts.
Eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft bestätigte auf Anfrage allgemein, dass es zu Grabungen auf Bundeswehrgelände gekommen ist. Weitere Angaben wollte sie darüber hinaus nicht machen. Der Beschuldigte sitzt derzeit in Untersuchungshaft. Für ihn gilt bis zu einer möglichen Verurteilung die Unschuldsvermutung. Seine Rechtsanwälte reagierten auf Anfragen nicht.
Immer wieder Munitionsskandale in Calw
Das KSK war in der Vergangenheit immer wieder ins Visier der Ermittler geraten. 2017 ging das Bundeskriminalamt dem Verdacht nach, dass Soldaten dort illegal Waffen vorhalten könnten, fanden jedoch nichts. 2020 fanden Ermittler schließlich tausende Schuss Munition und zwei Kilogramm unterschlagenen Plastiksprengstoff aus Bundeswehrbeständen im Garten eines inzwischen verurteilten KSK-Soldaten.
Zuletzt erhob die Staatsanwaltschaft Tübingen Anklage gegen einen ehemaligen KSK-Kommandeur. Ihm wird vorgeworfen, Soldaten die Möglichkeit eröffnet zu haben, zuvor unterschlagene Munition straffrei zurückzugeben, ohne dabei die Justiz hinreichend eingebunden zu haben. In diesem Zusammenhang stehen die derzeitigen Sucharbeiten allerdings nicht.