Streit mit Jugendorganisation Junge Alternative - zu rechts für die AfD?
Die AfD-Spitzen und ihre Jugendorganisation Junge Alternative streiten über die Abgrenzung zum Rechtsextremismus. Im Mittelpunkt steht JA-Funktionärin Leisten, für die der Bundesvorstand nun eine zweijährige Ämtersperre fordert.
Ein Daumen, der sich mit dem Zeigefinger verbindet - viele kennen es als Zeichen, um ein "Okay" zu signalisieren - "bei mir ist alles in Ordnung". Doch seit einigen Jahren verwenden zunehmend faschistoide Bewegungen das Symbol als eine Art Erkennungszeichen. Die Finger sollen so die Buchstaben W und P andeuten - für "White Power", "Weiße Macht". Anna Leisten, Bundesvorstand der AfD-Jugendorganisation Junge Alternative (JA) und deren Brandenburger Landeschefin, hat dieses Zeichen ganz offen gezeigt, am Ende eines Interviews mit dem rechtsextremen Magazin "Compact". Sie hat erklärt, dass das Zeichen für sie nicht mehr bedeute als "gut gelaufen".
Der Verfassungsschutz Brandenburg beurteilt dies anders. Er wertet solche Gesten und auch viele andere Äußerungen als extremistisch und beobachtet den JA-Landesverband Brandenburg seit Juli dieses Jahres als erwiesen rechtsextremistische Bestrebung.
Zur Ämterabgabe aufgefordert
Doch auch ein anderes Gremium hat jetzt offenbar Probleme mit dem Verhalten der JA-Nachwuchspolitikerin: der Bundesvorstand der AfD. Am Montag hat der AfD-Bundesvorstand entschieden, eine nach seiner Ansicht zu milde Verwarnung des AfD-Landesverbandes Brandenburg in einen Antrag auf zwei Jahre Ämtersperre umzuwandeln. Zudem wurde Leisten per Beschluss aufgefordert, "alle Ämter in der 'Junge Alternative' unverzüglich niederzulegen".
Doch bei der Causa Leisten geht es längst um mehr: Es geht darum, wie weit rechts sich die Partei in ihren Äußerungen und Gesten positionieren will. Der Konflikt wird aus Stellungnahmen deutlich, die verschiedene Parteigremien zum Fall Leisten verfasst haben. Auch sie selbst hat sich schriftlich geäußert. Die Papiere liegen WDR und NDR vor.
Leisten ruft zur "Wehrhaftigkeit" auf
Leisten selbst rechtfertigt sich in einer Stellungnahme. Sie schreibt, das Hand-Zeichen solle einfach nur "es läuft" bedeuten. Auch stellt sie etwa die Äußerung der JA "Seid wehrhaft. Bildet Gemeinschaft!" vom März dieses Jahres in den Kontext einer angeblich notwendigen Selbstverteidigung. Sie spricht von einem Umfeld täglicher migrantischer und linksextremistischer Angriffe. Deshalb sei es "logischerweise notwendig, dass junge Menschen zur Wehrhaftigkeit erzogen werden", so Leisten.
Damit begründet sie, dass die JA inzwischen Boxtrainings anbietet oder Mitglieder in JA-T-Shirts an wehrsportartigen Wettkämpfen wie Hindernis-Geländeläufen teilnehmen. Wehrhaftigkeit sei notwendig, "wenn man sich im oppositionellen Milieu der AfD engagiert", schreibt Leisten in ihrer Stellungnahme. Sie habe aber nie zur Gewalt aufgerufen und dulde auch keine Gewalttätigkeit in den Reihen der JA-Brandenburg. Man beabsichtige "keine militante paramilitärische Organisation oder etwas dergleichen zu werden."
Dass die oben genannte Sportveranstaltung von der JA als "Trainingslager Ostfront 2025" benannt worden sei, nennt Leisten "scherzhaft" und "auf die in Mainstreammedien verbreitete Kriegsrhetorik unserer Tage" bezogen. Im Übrigen betont sie: "Ich bewege mich mit meinen Positionen und Handeln nicht außerhalb des parteiüblichen Rahmens".
JA kritisiert Parteivorstand scharf
Dieses Argument nutzt auch der Bundesvorstand der JA in seiner Stellungnahme. Jegliche Kritik an Einwanderungspolitik und Migration werde mit dem Schlagwort Menschenwürde kriminalisiert. Es könne als Opposition keine Option sein, künftig nicht länger von "importierter Gewalt" oder "Messerstechern" zu sprechen. Die JA könne nicht von solchen Polemiken absehen, "da sie zum Markenkern der AfD und der JA zählen".
Die JA spitzt ihre Kritik am Parteivorstand sogar noch zu: "Sollte der Bundesvorstand dies jedoch […] anders bewerten, würde u.a. die gesamte, erst vor kurzem aufgestellte Kandidatenliste zur Wahl des Europaparlaments infrage gestellt sein, wurde doch von einem Großteil der Kandidaten mit genau solchen Begriffen (Großer Austausch, Remigration usw.) für sich geworben - ohne Intervention des Parteivorstandes".
Tatsächlich waren während der genannten Versammlung an zwei Wochenenden in Magdeburg zahlreiche solcher Formulierungen gefallen. Die JA ist also offensichtlich der Auffassung, dass die von der Bundespartei gewählten Vertreter die gleichen, extremistischen Positionen vertreten wie sie selbst. Die JA war vom Bundesamt für Verfassungsschutz bereits im Mai als erwiesen rechtsextrem eingestuft worden, wogegen die AfD allerdings klagt. Das Bundesamt hat die Anwendung der Beobachtungsstufe darum ausgesetzt, bis der Rechtsstreit entschieden ist.
Hitlergrüße am Rande des Bundeskongresses
Überschritten sei eine Grenze für die JA nach Rechtsaußen nur bei "expliziten Gesten wie einem Hitlergruß oder impliziten Symbolen wie der Zahlenkombination '88'". Doch genau solche expliziten Gesten soll es am Rande des Bundeskongresses der JA im vergangenen Oktober in Apolda gegeben haben. Zwei Besucher berichteten WDR und NDR, dass am Abend im Garten eines der von Tagungsteilnehmern genutzten Hotels eine Party stattgefunden habe und dabei seien zu fortgeschrittener Stunde auch Hitlergrüße gezeigt worden. Sie legen zwei Fotos vor, die die Situation zeigen sollen. Die AfD erklärt auf Anfrage, dass ihr ein solcher angeblicher Vorgang nicht bekannt sei.
Dieses Foto soll Hitlergrüße am Rande des JA-Kongresses in Apolda im Oktober 2022 belegen.
Bei ihrem Bundeskongress in Apolda umgab sich die JA außerdem offensiv mit mehreren bereits als rechtsextrem eingestuften Vorfeldorganisationen, einem Netzwerk aus neurechten Verlagen und Vereinen. Eine Tatsache, die Leisten in einem Video ausdrücklich lobte.
Einige AfD-Bundesvorstände fürchten, dass die JA durch solche, offensiv demonstrierte Verbindungen eine wachsende Gefahr für die Partei wird. In der Debatte im AfD-Bundesvorstand zum Umgang mit Leisten kamen deshalb Fragen dazu auf, wie weit rechts sich Funktionäre der AfD öffentlich positionieren sollen oder dürfen - in Aussagen, in Gesten oder durch Netzwerke im Vorfeld der Partei. Es soll dabei nach Angaben von Teilnehmern auch darum gegangen sein, inwiefern die JA in dieser Gestalt noch eine Zukunft habe. Offiziell erklärt die AfD auf Anfrage allerdings: "Der Bundesvorstand der AfD ist überzeugt, dass die Junge Alternative fest auf dem Boden unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung steht".