Bruno Kahl
Exklusiv

Behördenchef Kahl BND will sich besser vor Extremisten schützen

Stand: 09.03.2023 06:00 Uhr

Der Bundesnachrichtendienst will seine internen Strukturen überprüfen, um Extremismus in den eigenen Reihen zu verhindern - dies sagte BND-Präsident Kahl dem ARD-Politikmagazin Kontraste.

Von Silvio Duwe, Anne Grandjean und Georg Heil, rbb

Bruno Kahl, Präsident des deutschen Auslandsnachrichtendienstes BND, spricht nur selten vor Kameras. Doch nun hat sich Kahl im Interview mit dem ARD-Politikmagazin Kontraste geäußert. Anlass waren Recherchen des Magazins zu Fällen von Rechtsextremismus mit BND-Bezug. Diese werfen die Frage auf, ob der BND in diesem Bereich ein Problem hat.

Ein Fall betrifft Björn Hornschu, der bis Dienstag AfD-Politiker in Thüringen war. Der Bundeswehroffizier ist nach Kontraste-Recherchen Mitarbeiter des BND. Für die AfD kandidierte Hornschu für den Thüringer Landtag und als Landrat im Kyffhäuser Kreis, wo er auch Kreistagsmitglied ist. Am Dienstag kündigte er an, sein Mandat aufgeben zu wollen. Der AfD-Landesverband unter der Führung von Björn Höcke wird vom Thüringer Verfassungsschutz als "erwiesen rechtsextremistisches Beobachtungsobjekt" eingestuft.

Kontraste-Recherche: Extremisten beim BND - Behörde will interne Strukturen überprüfen

Lisa Wandt, RBB, tagesschau, 09.03.2023 12:00 Uhr

"Scheindemokratie" und "Umvolkung"

Hornschu selbst fällt in sozialen Medien auch mit Äußerungen auf, die geeignet sind, Zweifel an seiner Staatstreue zu wecken. So sagte er in einem YouTube-Video unter Bezugnahme auf seine Arbeit im Kreistag und die Einschränkungen durch Coronaschutzmaßnahmen: "Letztendlich ist doch diese Demokratie zur Scheindemokratie verkommen."

Die Bundesrepublik bezeichnete Hornschu in einem Facebook-Post im Jahr 2018 als "DDR 2.0". 2019 sprach er von "Umvolkung", wiederholt teilte er Inhalte des vom Verfassungsschutz als "gesichert rechtsextrem" eingestuften Magazins "Compact". Nach Kontraste-Informationen hatte der Thüringer Verfassungsschutz den BND im vergangenen Jahr auf seinen rechtsradikalen Mitarbeiter hingewiesen.

Der BND sprach Hornschu gegenüber zwischenzeitlich ein Betretungsverbot für BND-Liegenschaften aus. Hornschu selbst wollte sich auf Anfrage von Kontraste nicht äußern. Nach mehreren Anfragen kündigte er gestern jedoch seinen Rückzug aus der AfD an. Dazu schrieb er auf Facebook: "Ich werde meine Sterne neu ordnen, ich muss an mich und meine Gesundheit denken."

Parallelen zu anderen Fällen

In der Vergangenheit hatte Kontraste bereits mehrfach über Professor Martin Wagener berichtet, der als Politikwissenschaftler am "Zentrum für nachrichtendienstliche Aus- und Fortbildung" BND-Nachwuchs unterrichtete, bis ihm im Mai 2022 vom BND die Sicherheitsfreigabe entzogen worden war. Grund dafür war eine Mitteilung des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) an den BND, der zufolge "sicherheitsrelevante Erkenntnisse" zu Wagener vorlägen.

Diese ergaben sich nach einer Überprüfung von Wageners Buch "Kulturkampf um das Volk - Der Verfassungsschutz und die nationale Identität der Deutschen". Wagener stellt darin die These auf, Ziel der Bundesregierung sei es, das angestammte deutsche Volk in eine multikulturelle Gesellschaft umzuformen. Eine These, die ähnlich klingt wie Hornschus Begriff der "Umvolkung".

Auch BND-Mitarbeiter Carsten L., der sensibles Material an den russischen Geheimdienst FSB verraten haben soll, fiel mehrfach auf. Wiederholt soll Offizier L. sich ausländerfeindlich geäußert haben, laut "Spiegel" soll er sogar vor BND-Kollegen sinngemäß davon gesprochen haben, er würde Asylbewerber am liebsten standrechtlich erschießen. In den Jahren 2015 und 2016 spendete Carsten L. der AfD jeweils 100 Euro.

Waffen im Auto - Hitlerbüste im Ferienhaus

Ein weiterer Fall mit BND-Bezug begann in der Nacht vom 8. auf den 9. Oktober 2022: Bei einer Großkontrolle der bayerischen Polizei auf der A92 auf dem Parkplatz "Moosburger Au-Ost" wurden zwei Brüder im Alter von 18 und 21 Jahren kontrolliert. In ihrem Opel Corsa entdeckten die Beamten Molotowcocktails, mehr als ein Dutzend Schreckschusspistolen, eine Axt, Pfeil und Bogen, eine Armbrust, einen Wehrmachtshelm mit SS-Runen, ein Messer mit der Gravur "SS - Wolfsschanze" und weitere Messer.

Die Brüder gaben an, sie seien auf dem Weg ins Ferienhaus der Eltern im Bayerischen Wald und wollten dort "Krieg spielen". Recherchen von Kontraste und BR Recherche ergaben, dass es sich bei den beiden jungen Männern um Max und Leo B. handelt, und dass ihre Mutter, Elona B., Angestellte im mittleren Dienst des BND ist.

Im Ferienhaus der Eltern fanden Ermittler weitere NS-Devotionalien, darunter eine Büste von Adolf Hitler. Elona B., die am BND-Standort in Bad Aibling tätig ist, soll nach Aussagen eines Nachbarn eine Kette mit einer sogenannten Schwarzen Sonne getragen haben. Die Schwarze Sonne wird besonders in rechten, neuheidnischen und rechtsradikalen Szenen als Symbol verwendet, ist jedoch nicht verboten und findet auch anderweitig Verwendung.

Der Nachbar berichtete Kontraste und dem BR auch von einer Hakenkreuzflagge, die im Zimmer eines der Söhne gehangen haben soll. Elona B. habe ihre Söhne als "Patrioten" bezeichnet. Ermittler sollen bei einer Durchsuchung des Wohnhauses der Familie B. umfangreiches Material sichergestellt haben. Die Ermittlungen richten sich jedoch nicht gegen die BND-Angestellte. Der Nachrichtendienst leitete jedoch nach Kontraste- und BR-Informationen arbeitsrechtliche Schritte gegen Elona B. ein.

BND-Chef: "System der Eigensicherung selbstkritisch überprüfen"

Im Kontraste-Interview stellte BND-Präsident Kahl klar: "Für Rechtsextremisten ist im BND kein Platz. (…) Wir haben selbst das größte Interesse daran, dass wir frei sind von Extremisten jeglicher Art in unseren eigenen Reihen", so Kahl. Der BND prüfe Bewerber und Mitarbeiter sehr genau auf ihre Treue zur freiheitlich demokratischen Grundordnung.

Gleichwohl sieht der BND-Präsident angesichts aktueller Fälle mit Extremismus- und BND-Bezug Handlungsbedarf. "Die aktuellen Fälle sind für uns Anlass genug, auch selbstkritisch und sehr gewissenhaft noch mal zu überprüfen, ob unser System der Eigensicherung funktioniert".

Lena Petersen, RBB, 09.03.2023 06:30 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Inforadio am 09. März 2023 um 06:05 Uhr.