Genehmigungen rückläufig Flaute beim Windkraftausbau
Der Trend bei den Genehmigungen für Windkraftanlagen an Land war nach SWR-Recherchen im ersten Halbjahr rückläufig. Zwischen den Bundesländern gibt es dabei große Unterschiede. Experten sehen die Klimaziele der Bundesregierung in Gefahr.
Der Ausbau der Windkraft geht in Deutschland weiterhin nur schleppend voran. Das geht aus einer Datenauswertung des SWR hervor. Dafür wurden in allen Bundesländern die Zahl der Genehmigungen für Windräder in den ersten sechs Monaten des Jahres ausgewertet. Hierbei zeigen sich extreme Unterschiede zwischen den Bundesländern. Während in Bayern (4) und Sachsen (2) fast keine neuen Windräder genehmigt wurden, liegt Nordrhein-Westfalen (79) an der Spitze. Dahinter folgen die Küstenländer Schleswig-Holstein (61) und Niedersachsen (57).
Deutschlandweit wurden im ersten Halbjahr 311 neue Windkraftanlagen genehmigt. Das ist ein leichter Rückschritt gegenüber dem ersten Halbjahr 2021 (321). Im Vergleich zu "starken" Windkraftjahren ist der Rückschritt sogar erheblich. In den Jahren 2014 (895) oder 2015 (699) wurden bis zu dreimal so viele Genehmigungen erteilt wie in diesem Jahr.
Energiewende in Gefahr?
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz teilte dem SWR mit, dass für die Einhaltung der deutschen Klimaziele zwischen 1500 und 2000 Windräder in Deutschland pro Jahr errichtet werden müssten. In den vergangenen drei Jahren waren es jeweils weniger als 500 - und dieses Jahr sieht der Trend nicht viel besser aus.
Der "Wirtschaftsverband Windkraftwerke e.V." (WVW) äußerte sich sehr enttäuscht über die aktuelle Situation: "Der WVW befürchtet ein dauerhaftes und deutliches Unterschreiten der Ausbauziele der Bundesregierung. Die Zahl der Genehmigungen und der in Betrieb genommenen Windenergieanlagen bleiben unverändert auf einem viel zu niedrigen Niveau. Es ist nicht nur kein Beschleunigungseffekt nach den vielversprechenden Aussagen des Koalitionsvertrags zu erkennen, sondern sogar ein Rückschritt."
Fest steht: Die Zahl der aktuellen Genehmigungen für Windräder gibt den Ausbautrend der nächsten Jahre vor. Denn üblicherweise werden die Windkraftanlagen, die jetzt beantragt und genehmigt werden, in den folgenden beiden Jahren errichtet. Im Umkehrschluss heißt das: In den Ländern, in denen jetzt nur sehr wenige Genehmigungen vorliegen, wird in den kommenden Jahren auch weniger ausgebaut.
Bayern und Sachsen sind Schlusslichter
Dem SWR teilte das bayerische Umweltministerium mit, es sei "selbstverständlich keine zufriedenstellende Situation", dass bisher lediglich vier Windräder genehmigt wurden. Das habe mehrere Gründe. Es gebe "Akzeptanzprobleme in der Bevölkerung" in Bayern, zudem gebe es eine "geringe Nutzung gemeindlicher Bauleitverfahren zur Unterschreitung von der 10H-Abstandsregel". Diese Regelung besagt, dass in Bayern ein Abstand zwischen Windrad und Wohnhäusern liegen muss, der dem zehnfachen der Höhe des Windrades entspricht. Dieser kann nur in Ausnahmefällen verringert werden.
Kritiker bemängeln, dass durch diese Regelung der Windkraftausbau in Bayern quasi zum Erliegen gekommen sei. Der Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) hofft, dass unter anderem Bayern jetzt durch Bundesgesetze zum Ausbau gezwungen werden kann: "Mit dem 'Wind-an-Land-Gesetz' wird nun endlich verbindlich festgeschrieben, dass alle Bundesländer ihren Beitrag zum Erneuerbaren-Ausbau leisten müssen. Individuelle Abstandsregeln zu Wohnbebauung, wie die 10H-Regel in Bayern, können damit nicht aufrechterhalten werden. Zum Glück, denn so können Bürgerinnen und Bürger in allen Bundesländern wieder von der Energiewende profitieren, zum Beispiel durch regionale Stromtarife."
Auch in Sachsen ist die Situation ähnlich. Hier wurden nur zwei Windräder innerhalb der ersten sechs Monate genehmigt. Das sächsische Klimaschutzministerium räumte hierzu ein: "Mit dem Ausbautempo können wir nicht zufrieden sein. Wir brauchen deutlich schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren. Wir haben als Energie- und Klimaschutzministerium eine Taskforce Erneuerbare Energien auf den Weg gebracht, die sich unter anderem den Themen Flächenverfügbarkeit und Verfahrenstempo widmet."
"Länder müssen Blockadehaltung beenden"
Der Experte für regenerative Energien, Volker Quaschning von der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin, kritisiert, dass Länder wie Bayern oder Sachsen den Ausbau der Windkraft blockieren: "In Bayern wurden letztes Jahr gerade einmal acht Windräder gebaut, in Sachsen sogar Windräder abgebaut. Wenn Gemeinden dort trotzdem Windräder bauen wollen, treffen sie auf erhebliche Widerstände. Wenn wir nicht weiter Erdgas und Erdöl aus fragwürdigen Staaten importieren wollen, muss die Blockadepolitik bei allen Ländern und Kommunen aufhören."
Auch in anderen Bundesländern bleibt der Windkraftausbau derzeit hinter den Erwartungen zurück. Im windstarken Küstenland Mecklenburg-Vorpommern wurden 16 Genehmigungen im ersten Halbjahr erteilt - in Thüringen (11), Baden-Württemberg (10) und in Rheinland-Pfalz (7) waren es noch weniger.
Branchenverband befürchtet negative Auswirkungen
Das Bundeswirtschaftsministeriums teilte hierzu dem SWR mit, es sei wichtig, dass deutschlandweit "alle Regionen einen entsprechenden Beitrag leisten". Die Bundesregierung lege "jetzt erstmals verbindliche Flächenziele für die Bundesländer fest. Dabei müssen alle Länder einen Beitrag leisten, um in der Summe auf eine Flächenausweisung in der Höhe von zwei Prozent der Bundesfläche für die Windenergie an Land bereitzustellen."
Wenn der Ausbau nicht beschleunigt werde, könne das negative Auswirkungen für die Wirtschaft haben, warnt der Branchenverband WVW: "Wer jetzt den Ausbau der Erneuerbaren Energien nicht radikal voranbringt, gefährdet den Wirtschaftsstandort Deutschland und den sozialen Frieden."