Hisbollah in Deutschland Warnung vor radikalen Einzeltätern
Die libanesische Terrormiliz Hisbollah ist nach NDR-Recherchen verstärkt in Deutschland tätig. Der Verfassungsschutz sieht eine von radikalisierten Einzeltätern ausgehende Gefahr.
Aus den Reihen der Anhänger der libanesischen Terrororganisation Hisbollah heraus könnten in Deutschland schwere Gewalttaten begangen werden - davor warnt der Leiter des Bremer Verfassungsschutzes, Thorge Koehler, im Interview mit dem NDR-Politikmagazin Panorama 3.
Der Krieg im Nahen Osten sorge für eine "Emotionalisierung" unter Hisbollah-Anhängern, sagt Koehler. Eine solche Emotionalisierung könne dafür sorgen, "dass sich Einzelpersonen auch radikalisieren und dann möglicherweise - anders als es in der Vergangenheit in der Regel der Fall war -, auch meinen, hier in Deutschland oder in anderen europäischen Ländern zur Tat schreiten zu müssen", befürchtet Koehler.
Der Verfassungsschutz habe beobachtet, dass sich einige der Hisbollah-Sympathisanten nach dem Tod des langjährigen Anführers Hassan Nasrallah Ende September etwa durch Trauerbekenntnisse offen mit ihm identifizierten, sagt Koehler. Bislang hätten sich die Anhänger der in Deutschland als Terrororganisation eingestuften Hisbollah eher verdeckt gehalten.
Vor dem Hintergrund der Eskalation im Nahen Osten könne nicht ausgeschlossen werden, dass es in Europa zu "gewalttätigen Aktionen gegen israelische und jüdische Ziele" komme "ausgehend von Einzelpersonen und Kleinstgruppen", heißt es vom Bundesamt für Verfassungsschutz auf Anfrage.
Staatsterroristische Taten im Auftrag Irans
Auch Staatsterrorismus im Auftrag des Iran scheint für die Verfassungsschützer möglich. Aufgrund der Eskalation in Nahost "müssen wir ernsthaft damit rechnen, dass auch der Iran, wenn es um staatsterroristische Aktivitäten geht, nicht davor zurückschreckt, sich jedweder Akteure zu bedienen, die sich anbieten", sagt der Bremer Verfassungsschutzchef Koehler. Zu diesen Akteuren zählten neben Hisbollah-Anhängern auch Personen aus der organisierten Kriminalität. "Dort gilt das Motto: Das Ziel heiligt die Mittel", stellt Koehler fest. Die schiitisch-islamistische Hisbollah wurde ab 1982 vom Iran mit aufgebaut und wird bis heute vom Iran unterstützt.
Ein mutmaßlicher Hisbollah-Anhänger versuchte bereits vor zwei Jahren, einen antisemitisch motivierten Anschlag im Auftrag des Iran zu begehen. Der Deutsch-Iraner wurde verurteilt, weil er im November 2022 einen Brandanschlag auf die Synagoge in Bochum verüben wollte. Nach NDR-Informationen fanden Ermittler auf dem Computer des Mannes Fotos, die ihn mit Symbolen der Hisbollah und mit einem Bild des damaligen Hisbollah-Generalsekretärs Nasrallah zeigten. Der Deutsch-Iraner bestritt vor Gericht eine antisemitische Motivation. Nach Feststellungen des Oberlandesgerichts Düsseldorf wurde der Anschlagsversuch im Auftrag von staatlichen iranischen Stellen begangen.
Beschaffung von Drohnenteilen
Deutschland galt für die Hisbollah über lange Zeit als "Rückzugsraum". Doch das hat sich offenbar verändert. Die Hisbollah nutze Deutschland als "Operationsraum" für "strategische und logistische Zwecke", teilt das Bundesamt für Verfassungsschutz auf Anfrage von Panorama 3 mit. Darunter zählen laut Verfassungsschutz neben Spendensammlungen auch "Beschaffungsaktivitäten rüstungsrelevanter Güter".
In einem solchen Fall wird in Niedersachsen ermittelt: Mitte Juli nahm das Bundeskriminalamt den Libanesen Fadel Z. in Salzgitter fest. Z. soll im Auftrag der Hisbollah Bauteile für Drohnen beschafft haben, die in den Libanon exportiert werden sollten. Er sitzt in Untersuchungshaft. Der Verteidiger von Z. wollte sich auf Anfrage nicht zu den Vorwürfen äußern.
Fadel Z. agierte offenbar in einem Netzwerk mit weiteren Hisbollah-Anhängern in Europa. Zeitgleich zu der Festnahme in Salzgitter nahm die spanische Polizei drei weitere Verdächtige fest und stellte Bauteile für mehrere hundert Militärdrohnen sicher.
Hisbollah-Anhänger in Deutschland
Die Anhänger der Hisbollah sammeln sich in Kulturvereinen libanesischer Migranten und schiitisch-islamistischen Moscheen. Nach Panorama 3-Recherchen gelten den Sicherheitsbehörden bundesweit mehr als 30 Vereine als "Hisbollah-nah". Die Behörden zählen mehr als 1.300 Anhänger der Hisbollah, wie eine Abfrage bei allen Innenministerien ergab. Schwerpunkte der Hisbollah liegen in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Hamburg und Berlin.
Das Verbot des schiitisch-islamistischen "Islamischen Zentrums Hamburg" (IZH) im Juli dieses Jahres begründete das Bundesinnenministerium unter anderem damit, dass das IZH die Hisbollah "finanziell und organisatorisch" unterstützte. "Unterschiedlichste Aktivitäten des IZH zeigten, dass es die militärisch politische Dimension der sogenannten 'Achse des Widerstands', insbesondere das Bündnis mit der terroristischen Hisbollah, mittrug und förderte", sagt ein Sprecher des Bundesinnenministeriums auf Anfrage.
Ermittlungen gegen Netzwerk in Hannover
Auch in der Region Hannover ermittelt die Bundesanwaltschaft gegen ein Netzwerk von mutmaßlichen Hisbollah-Mitgliedern. Fünf Personen stehen in Verdacht, der libanesischen Terrororganisation als Mitglieder anzugehören. Nach Recherchen von Panorama 3 richten sich die Ermittlungen gegen Führungspersonen des Trägervereins der Salman-Farsi-Moschee in Langenhagen und eines Vereins mit dem Namen "Die Bruderschaftsvereinigung" in Hannover.
In der vergangenen Woche wurde einer der Beschuldigten, Fadel R., festgenommen. Er soll im Libanon von der Hisbollah als Führungskader ausgebildet worden sein, wie die Ermittler vermuten. Zeitweise saß R. im Vorstand der Salman-Farsi-Moschee. Auf Anfragen von Panorama 3 hatte R. vor seiner Festnahme nicht reagiert. Sein Verteidiger war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Die Bundesanwaltschaft wollte sich zu den laufenden Ermittlungen nicht äußern.
Im Juni hatte erstmals ein deutsches Gericht mutmaßliche Hisbollah-Anhänger wegen der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland verurteilt. Das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg verurteilte den ehemaligen Vorsitzenden der inzwischen verbotenen, Hisbollah-nahen "Al-Mustafa-Gemeinschaft" in Bremen, Abdul W., und den Prediger Hassan M. zu mehrjährigen Haftstrafen. Sie waren laut Urteil auf deutschem Boden als "Auslandsfunktionäre" der Hisbollah tätig. Beide hatten im Prozess bestritten, Mitglieder der Hisbollah zu sein. Das Urteil gegen W. ist rechtskräftig, M. hat Revision eingelegt.