Propaganda in sozialen Netzwerken Putins Influencer
Seit Wochen sind Autokorsos und Pro-Putin-Proteste auf Deutschlands Straßen zu sehen, angeheizt durch soziale Netzwerke. Eine Datenanalyse zeigt den Einfluss russischer Propaganda, wie das ARD-Magazin Monitor berichtet.
Ostermontag in Dresden: Etwa 150 Menschen demonstrieren für Frieden in der Ukraine und weltweit. Deutsch-russische Flaggen wehen hier. Zu hören sind Sätze, wie sie auch von Kreml-nahen Medien und der russischen Staatsführung verbreitet werden. "Russland fühlt sich in die Enge getrieben", heißt es hier, oder: "Dem Westen geht es doch nur um Wirtschaftsinteressen." Einige übernehmen die russische Staatspropaganda fast wörtlich: "Man braucht eine Entnazifizierung in der Ukraine", sagt ein Mann vor laufender Kamera.
Auf die Frage, wie sie zu diesen Einschätzungen kommen und woher sie ihre Informationen beziehen, verweisen viele Demonstranten auf die sozialen Netzwerke wie beispielsweise Telegram. Den klassischen deutschen Medien dagegen misstrauen sie.
Massive Zunahme an russischer Propaganda
Tatsächlich verzeichnen prorussische Kanäle seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs am 24. Februar massiven Zuwachs. Die Denkfabrik Center für Monitoring, Analyse und Strategie (CeMAS) hat für das ARD-Magazin Monitor mehrere pro-russische Kanäle ausgewertet. Es handelt sich um Kanäle wie etwa "Russländer und Friends" oder "Anti-Spiegel". Alle haben seit Kriegsbeginn ihre Abonnenten-Zahlen vervielfacht.
Am stärksten ist der Account "Neues aus Russland" gewachsen, betrieben von der Deutschen Alina Lipp. Am 24. Februar hatte der Kanal bei Telegram noch 8000 Abonnenten, am Tag danach bereits mehr als doppelt so viele. Inzwischen folgen dem Kanal mehr als 130.000 Menschen.
Propaganda verlagert sich
Einen Grund für den starken Zuwachs sieht Jan Rathje vom CeMAS auch darin, dass der Telegram-Kanal von Russia Today deutsch Anfang März abgeschaltet wurde. "Nach dem Verbot konnte man feststellen, dass hier ein gewisses Vakuum innerhalb des verschwörungsideologischen Milieu entstanden ist, um an bestimmte prorussische Informationen zu kommen." Davon hätten prorussische Telegram-Kanäle profitiert. Die Kanäle wurden auch andererseits stark in bereits existierenden verschwörungsideologischen Kanälen beworben, von denen der Großteil ebenfalls eine prorussische Haltung vertritt.
In den Kanälen wird vor allem die Propaganda des Kreml verbreitet: Russland kämpfe in der Ukraine gegen Nazis, die mutmaßlichen Kriegsverbrechen in Butscha und Kramatorsk wären nicht von russischen Soldaten begangenen worden und die Stadt Mariupol würde von der russischen Armee "befreit".
Angebliche Russophobie und Diskriminierung
In den prorussischen Telegram-Kanälen kursieren außerdem viele Fake-Nachrichten zu Übergriffen auf Russen. Zudem würden echte Fälle von Diskriminierung und Russenhass aufgebauscht und zu Propagandazwecken instrumentalisiert, sagt Sergej Prokopkin. Er ist Anti-Diskriminierungs-Trainer und arbeitet beim Verein Neue Deutsche Medienmacher*innen: "Einerseits müssen diese Fälle ernst genommen werden, andererseits müssen sie natürlich sehr gut überprüft werden, um tatsächlich Kreml-Propaganda zu vermeiden."
Die prorussische Influencerin Alina Lipp veröffentliche z.B. ein Video, in dem sie die mutmaßlichen Übergriffe auf Russen in Deutschland mit der Judenverfolgung gleichsetzt: "Russische Supermärkte werden Opfer von Randalen. Kaufe nicht beim Ju... - Russen. Soweit waren wir schon mal." Eine Anfrage von Monitor an Alina Lipp blieb unbeantwortet.
Gerade bei russischsprachigen Menschen verursachten solche Berichte große Verunsicherung - welche die Kanäle wiederum nutzten, um etwa für prorussische Autokorsos zu mobilisieren. "Vor allem bei den Menschen, die für Kreml-Propaganda offen sind, entsteht so ein Gefühl der Zusammengehörigkeit mit anderen russischsprachigen Menschen, die auf Putins Seite stehen", so Prokopkin.
"Nur eine Minderheit ist pro Putin"
Er sieht diejenigen, die Putin-freundlich eingestellt sind, aber in der Minderheit. Ebenso stellt er fest, dass seit dem Angriffskrieg zunehmend Menschen aus russischsprachigen Communities die Propaganda hinterfragen. "Gerade die jüngere Generation geht aktiv gegen den Kreml und gegen den Krieg vor", sagt er.
So wie etwa die Initiative "Demokrati-Ja" in Berlin. Eine Gruppe von Exilrussen, die seit Kriegsbeginn mehrere Demos in Berlin organisiert hat, auch vor der russischen Botschaft. Sie ärgere vor allem, dass die pro-russische Propaganda so oft verfange, sagt die Aktivistin Dasha: "Was mich wütend macht, ist, dass so viele Menschen nach wie vor drauf reinfallen. Nicht nur Russen oder Russländer, sondern auch sehr viele Deutsche."