Alexei Gromyko
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Russische Geheimdossiers "Scholz ist noch der Beste der Bösen"

Stand: 18.10.2024 12:07 Uhr

Vertrauliche Dokumente eines russischen Thinktanks geben einen Einblick, wie man in der Elite auf die Politik in Deutschland blickt. Nahezu überall entdeckt man mögliche Bündnispartner - außer bei den Grünen.

Von Georg Heil und Markus Pohl, RBB

Alexey Gromyko trägt einen klangvollen Namen: Sein Großvater Andrei war von 1985 bis 1988 Staatspräsident der Sowjetunion, davor fast 30 Jahre lang Außenminister - im Westen bekannt als "Mister Njet". Enkel Alexey leitet heute das Europa-Institut der Russischen Akademie der Wissenschaften.

Der oberste staatliche Thinktank gibt regelmäßig Analysen zur politischen Lage in Deutschland heraus. Die sind öffentlich einsehbar, bei zwei Papieren aus dem September dieses Jahres und dem August 2023 aber gibt es geheime Zusatzteile, die das ARD-Politikmagazin Kontraste und die Wochenzeitung Die Zeit auswerten konnten.

Die Dokumente aus Gromykos Haus gingen offenbar an Russlands Nomenklatura, darunter an das Außenministerium in Moskau und an den russischen Botschafter in Berlin. Die vertraulichen Papiere erlauben so eine seltene Einsicht, wie man im Umfeld des Kreml die politische Lage in Deutschland wahrnimmt - und welche Absichten verfolgt werden.

Angst vor einem Konflikt mit der NATO schüren

In einer Analyse zur Lage nach den Landtagswahlen in Ostdeutschland im September heißt es etwa: "Durch bestehende Kanäle muss der Druck verstärkt werden, um die Angst deutscher Bürger vor einem möglichen Konflikt zwischen der NATO und der Russischen Föderation zu schüren." Klar gemacht werden solle: Dieser Konflikt werde vom Westen provoziert, insbesondere durch Politiker wie Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD), die Europaabgeordnete Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) oder den Verteidigungspolitiker Roderich Kiesewetter (CDU).

Weiter ist die Einschätzung zu lesen, dass nicht der Wunsch nach einer Rettung Russlands, sondern Angst viele Menschen dazu treibe, "jene Parteien zu wählen, die eine gute Chance haben, künftig ein Drittel der Sitze im Bundestag zu erlangen." Gemeint sind damit offenkundig die AfD und das BSW.

Engere Kontakte zu Wagenknecht schmieden

Insbesondere Wagenknecht weckt in Moskau große Hoffnungen. Schon im August 2023 etwa empfahlen die Analysten im vertraulichen Teil eines der Papiere, "über bestehende Kanäle engere Kontakte zu Wagenknecht und ihrer Umgebung zu schmieden". Denn Wagenknecht sei eine wichtige Gegnerin der "anti-russischen Kräfte sowohl in Deutschland wie auch in Brüssel".

Auf die AfD dagegen blickt man mit gewisser Sorge: "Wir müssen aufpassen, wie es mit den Beziehungen zur Alternative für Deutschland weitergeht." Sollte Höcke deren Vorsitzender werden, könne sich vieles verändern. Eine mögliche Entwicklung, die man im Umfeld des Kreml offenbar eher kritisch sieht.

Potenzielle Hoffnungsträger

Aber auch in den etablierten Parteien identifizieren die Analysten der Russischen Akademie potenzielle Hoffnungsträger. In der SPD etwa gebe es "Mützenich und Co", die Unterstützer einer "alternativen, statt einer Pseudo-Friedenslösung à la Scholz" seien. Der Bundeskanzler selbst wird als "noch der Beste unter den Bösen" eingeordnet. Er habe trotz des Drucks aus seiner eigenen Partei und der Koalitionspartner bislang keine Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine geliefert. "Es kann erwartet werden, dass diese Weigerung bis Herbst 2025 anhält", heißt es im Papier.

Dennoch unterstütze Scholz die Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland und liefere der Ukraine auch schwere Waffen. Erfreut notieren die Autoren, dass diese Politik "zunehmend auf Protest unter den deutschen Bürgern stößt, vor allem in Ostdeutschland".

Kontakt zur Friedrich-Ebert-Stiftung gesucht

Ein möglicher Regierungswechsel wird in Russland offenbar mit Sorge gesehen: Wenn Friedrich Merz nächstes Jahr Kanzler würde, drohe eine "weitere Verschlechterung" der deutsch-russischen Beziehungen.

Hoffnung setzen Gromykos Autoren dagegen auf die politischen Stiftungen in Deutschland: Es sollten Anstrengungen unternommen werden, mittels Hochschulen und akademischen Einrichtungen die Kontakte zu Parteistiftungen wieder aufleben zu lassen, empfehlen sie. Explizite Erwähnung findet die Friedrich-Ebert-Stiftung, die man als möglichen Hort einer Friedenspolitik in der Tradition von Willy Brandt und Egon Bahr sieht.

Russische Kontaktpersonen hätten aber derzeit das Problem, dass die Stiftung seit Februar 2024 in Russland offiziell als "unerwünschte Organisation" geführt wird. Die Autoren des Geheimdossiers regen deshalb eine Änderung der entsprechenden Gesetze an. Von den Bestrebungen auszunehmen sei nur die Heinrich-Böll-Stiftung von Bündnis 90/Die Grünen.

Annäherung über konspirativen "Petersburger Dialog"

Auch den eigentlich eingestellten "Petersburger Dialog" zwischen Russland und Deutschland sieht man als Vehikel der Annäherung. Von russischer Seite aus würde das Gesprächsformat "weiter funktionieren".

Erst vor wenigen Tagen war durch Recherchen von Kontraste und Die Zeit bekannt geworden, dass einflussreiche Vertreter des Kreml versuchen, den "Petersburger Dialog" mittels konspirativer Treffen in Baku wiederzubeleben. An diesem Sonntag und Montag etwa soll dort eine Konferenz mit deutschen Vertretern stattfinden. Einer der Teilnehmer, der im vertraulichen Programm aufgeführt wird: Alexey Gromyko.