Debatte über Schuldenbremse Mehrere CDU-Ministerpräsidenten offen für Reform
CDU-Regierungschefs aus dem Osten sind für Änderungen an der Schuldenbremse, nun zeigt sich ein gewichtiger aus dem Westen zumindest gesprächsbereit. Den Jusos reichen Änderungen nicht. Sie wollen die Schuldenbremse abschaffen.
Nach der Forderung mehrerer CDU-Ministerpräsidenten nach einer Reform der Schuldenbremse hat sich ihr nordrhein-westfälischer Partei- und Amtskollege Hendrik Wüst zurückhaltender, aber gesprächsbereit geäußert. Das Thema zu erörtern, sollte aus seiner Sicht nur die letzte aller Möglichkeiten sein, wie er in der ARD deutlich machte.
"Erstmal muss eine klare Offenbarung her: Wie ist eigentlich die Lage? Dann muss man schauen: Was gibt es für Lücken? Ist das, was damit gestopft werden soll, wirklich zwingend nötig, nach einer klaren Prioritätensetzung? Und wenn dann noch was übrig bleibt, und wir kriegen es mit den Regeln der Schuldenbremse nicht hin, dann kann man sich das angucken", sagte Wüst, der Regierungschef im mit Abstand bevölkerungsreichsten Bundesland ist - und damit ein entsprechendes Schwergewicht innerhalb der CDU.
Wegner: "Derzeitige Ausgestaltung gefährlich"
Vor allem aus den Reihen von SPD und Grünen kommt der Ruf nach einer Änderung der Schuldenbremse, um Zukunftsinvestitionen zu ermöglichen. Innerhalb der Ampel lehnt die FDP dies bislang kategorisch ab, in der Union ist das Bild uneinheitlich: "Ich sehe im Augenblick nicht, dass wir an die Schuldenbremse heran müssen", sagte CDU-Chef Friedrich Merz jüngst in der ARD-Talkshow "Maischberger". Auch CSU-Chef Markus Söder ist gegen Änderungen.
Aus CDU-regierten Bundesländern im Osten kamen hingegen andere Töne: Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer zeigte sich ähnlich wie Wüst gesprächsbereit. Die CDU-Regierungschefs von Berlin und Sachsen-Anhalt, Kai Wegner und Reiner Haseloff, sprachen sich sogar klar für eine Reform aus. "Wir müssen einfach sicherstellen, dass auch künftig strategisch wichtige Investitionen in Krisenzeiten möglich sind", sagte Haseloff. Wegner formulierte es so: "Die Schuldenbremse ist im Sinne solider Finanzen eine gute Idee. Ihre derzeitige Ausgestaltung halte ich allerdings für gefährlich."
Ver.di: Investitionen sollten ausgenommen werden
Nach der im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse wird dem Bund eine Nettokreditaufnahme in Höhe von maximal 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gestattet. Für eine Reform müsste das Grundgesetz geändert werden. Dies erfordert eine Zwei-Drittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat. Die Ampel wäre dazu auch auf die Stimmen der Union angewiesen.
Klar für eine Reform ausgesprochen haben sich mehrere Gewerkschaften. "Auf Dauer brauchen wir eine grundlegende Reform, die staatliche Investitionen ermöglicht, um etwa die Industrie durch die Transformation hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft zu führen oder die Verkehrswege im Land zu ertüchtigen", sagte Ver.di-Chef Frank Werneke der "Neuen Osnabrücker Zeitung". "Investitionen dieser Art sollten also von der Schuldenbremse ausgenommen werden."
Jusos wollen Antrag auf Bundesparteitag stellen
In außergewöhnlichen Notsituationen kann die Schuldenbremse allerdings vorübergehend ausgesetzt werden. Dass die Bundesregierung dies für 2023 tun will, nannte Werneke richtig. Er forderte diesen Schritt auch für 2024. Für ein vorübergehendes Aussetzen der Schuldenbremse ist die Ampel - anders bei Änderungen an der Schuldenbremse - nicht auf Stimmen der Union angewiesen. Sie kann dies mit ihrer Mehrheit im Bundestag beschließen. Zulässig ist dies laut Grundgesetz "im Falle von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen". Für die Jahre 2020 bis 2022 sah der Bundestag jeweils eine solche Notlage - zweimal stand dabei die Corona-Pandemie im Mittelpunkt, vergangenes Jahr zusätzlich der Ukraine-Krieg.
Den Jusos gehen weder ein Aussetzen noch eine Reform der 2011 eingeführten Schuldenbremse weit genug - sie fordern ihre Abschaffung. "Wir müssen uns entscheiden, ob wir das Klima oder die Schuldenbremse retten wollen", sagte der Chef der SPD-Nachwuchsorganisation, Philipp Türmer, der "Rheinischen Post". Für 2024 müsse die Schuldenbremse kurzfristig ausgesetzt werden und dann "so schnell wie möglich aus dem Grundgesetz verschwinden", so Türmer weiter. "Auf dem Bundesparteitag werden wir Entsprechendes beantragen." Der Parteitag der SPD findet vom 8. bis zum 10. Dezember statt.