Stationierung ab 2026 Scholz verteidigt US-"Tomahawks" in Deutschland
In zwei Jahren sollen unter anderem US-Marschflugkörper nach Deutschland verlegt werden. Kanzler Scholz lobt die geplante Stationierung - und begründet diese mit der Bedrohung aus Russland. Aus Moskau kommen bereits Drohungen.
Bundeskanzler Olaf Scholz hat die Vereinbarung mit den USA zur Stationierung von Marschflugkörpern in Deutschland gegen Kritik verteidigt. Dies sei eine "sehr gute Entscheidung", sagte er beim NATO-Gipfel in Washington. Deutschland müsse "einen eigenen Schutz haben mit Abschreckung", und dazu seien die Präzisionswaffen notwendig, fügte der Kanzler hinzu.
Scholz begründete die geplante Stationierung mit der Bedrohung aus Russland. "Wir wissen, dass es eine unglaubliche Aufrüstung in Russland gegeben hat, mit Waffen, die europäisches Territorium bedrohen", sagte er. Man habe lange beraten, wie man darauf neben dem nuklearen Schutzschirm der NATO mit konventioneller Abschreckung reagieren könne.
"Diese Entscheidung ist lange vorbereitet"
Die deutsch-amerikanische Vereinbarung hatte unter anderem in der SPD Sorgen vor einem neuen Wettrüsten mit Russland geweckt. Aus den Reihen der Grünen hatte es zuvor Kritik an einer fehlenden öffentlichen Erklärung seitens des Kanzlers gegeben.
Zur Frage, ob er mit größerem Widerstand gegen die Rückkehr solcher weitreichenden Waffen nach Deutschland auch aus seiner eigenen Partei rechne, sagte Scholz nun: "Diese Entscheidung ist lange vorbereitet und für alle, die sich mit Sicherheits- und Friedenspolitik beschäftigen keine wirkliche Überraschung." Und sie passe auch genau in die Sicherheitsstrategie der Bundesregierung, die öffentlich diskutiert worden sei.
Trump könnte noch eine Rolle spielen
Gestern hatten am Rande des NATO-Gipfels das Weiße Haus und die Bundesregierung mitgeteilt, dass erstmals seit dem Kalten Krieg wieder US-Waffensysteme in Deutschland stationiert werden sollen, die bis nach Russland reichen.
Von 2026 an sollen Marschflugkörper vom Typ "Tomahawk" mit deutlich mehr als 2.000 Kilometern Reichweite, Flugabwehrraketen vom Typ SM-6 und neu entwickelte Überschallwaffen für einen besseren Schutz der NATO-Verbündeten in Europa sorgen. Moskau ist etwa 1.600 Kilometer Luftlinie von Berlin entfernt.
Der Beginn der geplanten Stationierung liegt aber mehr als ein Jahr nach der US-Präsidentenwahl im kommenden November. Das bedeutet: Ein möglicher Präsident Donald Trump könnte sie rückgängig machen.
Russland will militärisch auf US-Waffen reagieren
Nach Angaben des eigenen Außenministeriums will Russland militärisch auf die geplante Stationierung der US-Waffen in Deutschland reagieren. Die russische Sicherheit werde durch solche Waffen beeinträchtigt, sagte Vize-Außenminister Sergej Rjabkow laut der staatlichen Nachrichtenagentur Tass.
Es handle sich um "ein Kettenglied im Eskalationskurs" der NATO und der USA gegenüber Russland, teilte er weiter mit. "Wir werden, ohne Nerven oder Emotionen zu zeigen, eine vor allem militärische Antwort darauf ausarbeiten." Details nannte er nicht.
Experte sieht höhere Abschreckung - und Risiken
Der ehemalige Oberst Wolfgang Richter, der mittlerweile bei der Stiftung Wissenschaft und Politik arbeitet, sagte zu der geplanten Stationierung bei tagesschau24: "Die Abschreckung wird damit gestärkt, aber es werden eben auch die Risiken höher. Die Frage ist immer, welche Optionen stellt man sich vor: Wie sollte Russland also nach einem Ukraine-Krieg die NATO angreifen?"
Sicher sei es richtig zu sagen, damit man erst gar nicht auf dumme Ideen komme, müsse man die Abschreckung stärken. "Wir waren bisher aber auch nicht so schlecht in der Abschreckung", so Richter.
Er merkte an, dass es keine innenpolitische Debatte gegeben habe. "Was natürlich erstaunlich ist. Es ist bis jetzt zumindest eine Exekutiventscheidung", sagte er. Es gehe hier zudem um eine bilaterale Vereinbarung - und bislang nicht um eine Bündnisentscheidung. "Man würde ja eigentlich erwarten, dass das Bündnis als Ganzes so etwas kundtut."
Entwicklung eigener Marschflugkörper geplant
Heute wurde außerdem bekannt, dass Deutschland und drei weitere NATO-Partner ein weitreichendes Waffensystem zur gemeinsamen Verteidigung entwickeln werden.
Verteidigungsminister Boris Pistorius und seine Amtskollegen aus Frankreich, Italien und Polen schafften am Rande des Gipfels in Washington die Grundlage für das Projekt ELSA ("European Long-Range Strike Approach"). Sie unterzeichneten dazu eine Absichtserklärung mit dem Ziel, militärische Fähigkeiten zu schaffen, die Abschreckung und Verteidigungsfähigkeit stärken und dafür die industrielle Grundlage zu schaffen.
Bei dem Vorhaben soll es um einen Marschflugkörper gehen, der eine deutliche größere Reichweite als der deutsche "Taurus" - der etwa 500 Kilometer weit fliegt - hat und auch land- oder seegestützt verschossen werden könnte.