Israels Regierungschef in Berlin Gedenken und Kritik bei Netanyahu-Besuch
Auch bei seinem Berlin-Besuch ist Israels Regierungschef Netanyahu mit Kritik am geplanten Umbau der Justiz konfrontiert worden. Kanzler Scholz und Zentralrats-Chef Schuster drückten ihre Sorge aus. Reformgegner protestierten am Brandenburger Tor.
Gemeinsam mit Bundeskanzler Olaf Scholz hat der israelische Premierminister Benjamin Netanyahu in Berlin der Opfer des Holocaust gedacht. Zu Beginn von Netanyahus Aufenthalt in Deutschland besuchten sie das Mahnmal Gleis 17 am Bahnhof Grunewald, von wo aus etwa 10.000 Jüdinnen und Juden per Zug in Konzentrations- und Vernichtungslager deportiert worden waren. Deutschland werde die Verantwortung, "die wir aus dieser Geschichte haben, nicht vergessen und ihr immer gerecht werden", sagte Scholz.
Netanyahu betonte bei dem Besuch des Mahnmals, wie wichtig die Wehrhaftigkeit Israels sei. "Wir wissen, dass die Forderungen nach der Auslöschung Israels nicht aufgehört haben", sagte er. Eine wichtige Lektion aus dem Holocaust sei, derlei Bedrohungen früh entgegenzutreten, um Katastrophen zu verhindern. Der Regierungschef dankte Deutschland für seine Partnerschaft und Kanzler Scholz für den Empfang.
Scholz betont Unabhängigkeit der Justiz
Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz äußerte sich Kanzler Scholz besorgt über die sogenannte Justizreform in Israel. Die Bundesregierung verfolge dies "mit großer Sorge", sagte Scholz. Die Unabhängigkeit der Justiz sei ein hohes Gut. Scholz lobte den Versuch des Staatspräsidenten Herzog, einen Kompromiss zu finden: "Wir würden uns als Freunde Israels wünschen, dass darüber noch nicht das letzte Wort gesprochen ist", sagte Scholz. Aus deutscher Sicht sei ein möglichst breiter Konsens wünschenswert, aber man werde sich nicht in innenpolitische Belange Israels einmischen.
Zur Kritik an der Justizreform erklärte Netanyahu, dass Israel eine liberale Demokratie sei und auch bleiben werde. Es gebe eine unabhängige Justiz, nur dächten viele, sie sei zu mächtig. Wenn die Reform geschafft sei, werde Israel eine vergleichbare Justiz haben wie andere Länder, etwa Deutschland. Ein Bruch mit der Demokratie, wie ihn etwa die israelische Opposition befürchtet, drohe nicht.
Proteste gegen Netanyahus Besuch
Mehrere Hundert Demonstranten versammelten sich anlässlich des Besuchs von Netanyahu im Regierungsviertel und am Brandenburger Tor. Die Polizei sprach von 400 bis 500 friedlichen Demonstrierenden. Angemeldet waren ursprünglich 1000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Die Proteste richteten sich vor allem gegen die Angriffe der israelischen Regierung auf die Justiz und Gewaltenteilung in dem Land.
Gleichzeitig zu Netanyahus Besuch in Berlin protestierten Tausende Menschen in mehreren israelischen Städten. Zehntausende Israelis gehen seit Wochen auf die Straße, um die Schwächung der Justiz zu verhindern.
Sorge über Iran und Nahostkonflikt
Scholz drückte zudem seine Anteilnahme für die Opfer der jüngsten Terroranschläge in Israel und dem Westjordanland aus, betonte aber auch die Sorge über eine weitere Eskalation des Nahost-Konflikts. "Wir sind bestürzt über diese blinde Gewalt. Ihr muss mit der Konsequenz des Rechtsstaats begegnet werden, aber nicht mit ungezügelter Selbstjustiz", sagte Scholz. Deutschland rufe alle Seiten dazu auf, den Konflikt nicht weiter zu eskalieren - dazu gehöre auch ein Baustopp für weitere Siedlungen.
Einig sei man sich in der Sorge über das iranische Atomprogramm, das zuletzt weit fortgeschritten ist. "Wir sind uns mit Israel völlig einig, Iran darf keine Atomwaffen erlangen", sagte Scholz. Oberste Priorität sei aber eine diplomatische Lösung.
Netanyahu versucht Kritiker zu beruhigen
Netanyahu machte deutlich: "Wir haben ein fanatisches Regime, das den jüdischen Staat zerstören will", sagte er. Das jüdische Volk werde keinen zweiten Holocaust zulassen. Israel werde alles tun, um den Iran daran zu hindern, an Atomwaffen zu gelangen.