Netanyahu in Berlin Besuch im Zeichen der Proteste
Der israelische Premier Netanyahu ist zu Besuch in Berlin. Die innenpolitischen Proteste gegen seine geplante Justizreform werden ihm in die deutsche Hauptstadt folgen. Die Demonstranten fordern von der Bundesregierung eine klare Position.
Viel später als geplant brach Benjamin Netanyahu nach Berlin auf. Erst nach 22 Uhr Ortszeit hob die Maschine ab. Auf dem Rollfeld erläuterte Israels Premierminister, worum es ihm bei der Reise geht: "Ich breche auf zu einem Besuch, bei dem ich den deutschen Kanzler treffen werde. Die Hauptsache, über die ich sprechen möchte, ist der Iran und andere Themen, die für Israel wichtig sind. Sicherheitsfragen machen keine Pause, nicht mal für einen Moment."
Die Reise begann spät, und sie endet auch früh. Schon am Abend geht es zurück, nach nur drei Terminen: Erst ein Besuch der Berliner Holocaust-Gedenkstätte "Gleis 17", von wo aus die Züge in die Vernichtungslager abfuhren. Dann eine Unterredung mit Bundeskanzler Scholz. Am Nachmittag ist dann ein Treffen mit Bundespräsident Steinmeier geplant.
Proteste gegen Justizreform folgen Netanyahu
Über das Iranische Atomprogramm möchte Netanyahu sprechen - doch die Proteste gegen die geplante Justizreform werden ihn auch in Berlin einholen. Yael Hajos, eine in Berlin lebende Israelin, will mit vielen anderen vor das Brandenburger Tor gehen.
Wir protestieren in Solidarität mit den Demonstranten in Israel. Für uns als Israelis ist es wichtig, wo immer wir sind zu demonstrieren, ob in Berlin, in Rom in London oder an über 25 anderen Orten auf der Welt. Denn wir sind mit unserer Heimat verbunden - durch unsere Familien und Freunde.
Mit der Justizreform, die gerade im Eiltempo durchs Parlament gebracht wird, würde die Kontrollfunktion des Obersten Gerichtshofes eingeschränkt - auch dann, wenn die Rechte von Minderheiten betroffen sind. Die Regierungsparteien sollen mit ihrer Mehrheit über die Besetzung von Richterinnen und Richtern entscheiden können. Und schließlich soll die Immunität des Regierungschefs und seiner Minister ausgeweitet werden - nicht zuletzt, weil Netanyahu gerade wegen Korruption und Amtsmissbrauch vor Gericht steht.
Netanyahu lehnt Kompromissvorschlag ab
Staatspräsident Herzog hatte am Abend einen Kompromissvorschlag unterbreitet, der von Netanyahu prompt abgelehnt wurde. Herzog sagte, Israel stehe am Rande eines Bürgerkrieges.
Nach der Reform ist Israel kein Demokratischer Rechtsstaat mehr, befürchten auch rund 1000 Kulturschaffende. Sie hatten einen Brief an die deutsche Botschaft in Tel Aviv geschickt - mit der Aufforderung, Netanyahus Reise abzusagen. Amichai Shikli, Minister für Diaspora-Angelegenheiten sagte dazu dem Israelischen Armee-Radio:
Für die Verfasser des Briefes sprechen wir heute das Gebet: 'Den Verleumdern sei keine Hoffnung'. Bürger wenden sich an andere Länder und schaden den Auslandsbeziehungen des Staates Israel, nur, weil sie mit der einen oder anderen Reform oder mit dem Ausgang der Wahlen unzufrieden sind. Das ist eine abscheuliche Sache.
Der Ton wird rauer
Die Proteste in Israel werden seit Wochen größer - und der Ton wird rauer. Netanyahu hatte vor ein paar Tagen gesagt, die Demonstranten seien in Wahrheit nicht an Demokratie, sondern an Anarchie interessiert. Er wird auch in Berlin betonen, dass seiner Meinung nach durch die Reform seiner Regierung die Demokratie in Israel gestärkt werde.
Mosche Zimmermann, eine wichtige Stimme des linksliberalen Israel, sieht das anders, kritisiert die Reise - und stellt Forderungen an die Bundesregierung: "Es wäre für mich eine gute Reise, wenn sie nicht stattgefunden hätte. Punkt", so ZImmermann. "Da die Reise stattfindet, wird es aus meiner Sicht optimal sein, wenn man Netanyahu klar sagt: In dem Moment, wo Israel aus dieser Gruppe der liberalen Demokratie ausscheidet, gibt es auch für Deutschland, gibt es für Europa kein Interesse, mit Israel wie bisher die Beziehungen aufrecht zu erhalten." Ein "weiter so" könne es nicht geben.
Dass Netanyahu derart klare Worte von Bundeskanzler Scholz und Bundespräsident Steinmeier zu hören bekommt, ist unwahrscheinlich. Die Bundesregierung hat sich bisher mit Kritik an der in Teilen rechtsextremen israelischen Regierung zurückgehalten.