Medikamentenmangel Auch Kochsalzlösung wird knapp
Es ist ein gängiges und einfach herzustellendes Präparat - trotzdem wird Kochsalzlösung knapp. Krankenhäuser und Arztpraxen haben laut einem Bericht derzeit Versorgungsprobleme. Und die könnten noch einige Zeit andauern.
Ein Engpass bei Kochsalzlösungen wird zum Problem für Kliniken und Arztpraxen. Laut einem Medienbericht ist nun auch das Präparat, das für Infusionen, Spülungen und Operationen benötigt wird, von Lieferengpässen betroffen. "Es gibt zurzeit viel zu wenig Kochsalzlösung. Was in den Klinken schon seit Monaten ein großes Problem ist, erreicht jetzt auch die Versorgung ambulanter Patienten", sagte Thomas Preis, Chef des Apothekerverbands Nordrhein, der Rheinischen Post.
Zahlreiche Hersteller von Kochsalzlösungen könnten auch Apotheken nicht mehr ausreichend beliefern. "Kochsalzlösungen kosten nur wenige Cent in der Produktion, sind aber unersetzbar in der Versorgung der Patienten", sagte Preis. "Deshalb dürfen solche Lieferengpässe eigentlich gar nicht auftreten." Die Politik müsse "dringend mehr Verantwortung" übernehmen, forderte er.
Warnung vor OP-Verschiebungen
Im Gespräch mit dem WDR warnte Preis vor konkreten negativen Folgen für die Patienten: "Es besteht die Gefahr, dass Operationen verschoben werden müssen." Kochsalzlösung werde als Träger für Medikamente gebraucht. Aber sie werde auch zum Freispülen von Kathetern und Operationsfeldern benutzt und zur Behandlung von Wunden.
Kochsalzlösungen gehören seiner Darstellung nach zur Daseinsvorsorge wie Strom, Gas oder Trinkwasser. "Und Daseinsvorsorge ist eine zentrale Aufgabe des Staates. Der Staat muss mehr Verantwortung übernehmen."
NRW-Gesundheitsministerium alarmiert
Das Land Nordrhein-Westfalen gab sich gegenüber der Zeitung ebenfalls alarmiert: "In den letzten Wochen sind Kliniken aus Nordrhein-Westfalen, darunter auch Universitätskliniken, auf das Ministerium zugekommen, weil sie sehr große Probleme haben, sich in ausreichendem Maß mit steriler isotonischer Kochsalzlösung sowohl zu Infusions- als auch zu Spülzwecken zu versorgen", sagte der Sprecher des NRW-Gesundheitsministeriums.
"Demnach werden die Kliniken in Nordrhein-Westfalen und Deutschland bereits seit mehreren Monaten nur noch mit rund 80 Prozent der Bedarfe beliefert, zuletzt sogar nur noch mit rund 50 Prozent."
Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) erklärte auf Anfrage der Rheinischen Post, die Engpässe würden noch Monate andauern. "Die Lieferengpassmeldungen des Zulassungsinhabers Fresenius Kabi Deutschland GmbH prognostizieren das Lieferengpassende für die drei gemeldeten Arzneimittel für den 31.12.2024", hieß es.
Probleme bei 500 Medikamenten
Insgesamt gibt es derzeit Probleme bei der Versorgung mit zahlreichen Medikamenten. Aktuell sind laut BfArM-Portal fast 500 Arzneimittel von Lieferengpässen betroffen. Ärzte und Apotheker warnen seit Wochen vor Engpässen - auch bei wichtigen Präparaten wie Antibiotika, Insulinen oder Schmerz- und Betäubungsmittel.
Durch die Erkältungszeit könnte die Nachfrage so stark erhöht werden, dass Patientinnen und Patienten nicht immer voll versorgt werden könnten, so die Befürchtung.
Großteil der Präparate wird importiert
Ein Grund für den Mangel ist laut der Deutschen Pharmazeutische Gesellschaft, dass es am Markt für viele Substanzen immer weniger Hersteller gebe, manchmal sogar nur noch einen. Sollte ein Hersteller aus finanziellen Gründen den Markt verlassen, könnte das zu Problemen führen. "Hat er große Mengen hergestellt, können andere Firmen häufig die entstehende Lücke nicht mehr füllen", so Ulrike Holzgrabe von der Universität Würzburg.
Zudem wird der Großteil der Medikamente aus anderen Ländern wie China oder Indien importiert, weshalb auf kurzfristige Engpässe nicht reagiert werden kann. Auch in den vergangenen Jahren hatte es Lieferengpässe gegeben, betroffen waren vor allem Schmerzmittel und Antibiotika, aber auch Fiebersäfte für Kinder. Gründe waren unter anderem der Abriss von Lieferketten und eine erhöhte Nachfrage.
BMG: Lieferengpässe und Versorgungsengpässe unterscheiden
Das Bundesgesundheitsministerium betont, dass es in Deutschland keine "Versorgungsknappheit" von Arzneimitteln gebe, sondern "punktuelle Lieferengpässe in einem sehr komplexen Markt". Man müsse zwischen Lieferengpässen und Versorgungsengpässen unterscheiden, erklärte ein Sprecher kürzlich. Zudem habe die Ampelkoalition im vorigen Jahr das Lieferengpassgesetz beschlossen, das das Problem beheben soll.