Weidel im ARD-Sommerinterview "Diese Regierung handelt idiotisch"
Die EU in ihrer jetzigen Form habe versagt, die Ampelkoalition mache Politik gegen die Mehrheit der Bevölkerung: Im ARD-Sommerinterview hat AfD-Fraktionsvorsitzende Weidel harsche Kritik geübt.
Keine andere Partei profitiert derzeit so sehr von der Unzufriedenheit mit Bundeskanzler Olaf Scholz und der Ampelkoalition wie die AfD. Die Partei befindet sich bundesweit in einem Umfragehoch. Der Erfolg beruht in vielerlei Hinsicht auf der rigorosen Ablehnung der derzeitigen Politik.
Dieser Linie blieb die Fraktionsvorsitzende und Bundessprecherin der AfD, Alice Weidel, auch im ARD-Sommerinterview treu. So wurde sie etwa gefragt, wie sich ihre Partei zum Angebot des Kanzlers an die Opposition, einen "Deutschland-Pakt" zu bilden, um Blockaden zu durchschlagen und Bürokratie abzubauen, positioniere. Weidel antwortete, einen "Deutschland-Pakt" mit dieser Regierung könne sie sich nicht vorstellen.
"Ich habe bei dem Ausdruck 'Deutschland-Pakt' vom Bundeskanzler zuerst gedacht, dass das ein Armutszeugnis ist, so etwas auszusprechen", so Weidel. "Denn es zeigt, dass die Koalition zutiefst zerstritten ist und dass der Kanzler seinen Laden nicht mehr im Griff hat, dass er sich Mehrheiten bei der Opposition suchen muss."
"Wahlkampf bedient sich nun mal der Zuspitzung"
Vergangene Woche hatte Weidel auf einer Wahlkampfveranstaltung im bayerischen Gillamoos gesagt: "Wir werden von Wahnsinnigen regiert und von Idioten". Auf die Frage, ob der Kanzler für sie nun ein "Wahnsinniger oder ein Idiot" sei, wollte Weidel keine direkte Antwort geben.
Es sei eine Wahlkampfrede gewesen und "Wahlkampf bedient sich nun mal der Zuspitzung", sagte die AfD-Politikerin. Aber letztendlich stehe sie zu der Aussage, "dass diese Regierung idiotisch handelt". Es wäre deshalb wichtig, dass "dieser Kanzler", der die Mehrheiten in der Bevölkerung verloren habe, den Weg freimache für Neuwahlen. Die Ampel mache Politik gegen "die Mehrheit der Menschen, die zurück zur Kernkraft will, die gegen das Verbrennermotor-Verbot ist."
"Sie machen die Altersvorsorge vieler Menschen kaputt"
Über das im Bundestag beschlossene Gebäudeenergiegesetz sagte Weidel: "Wenn Sie sich die Heizung 2028 rausreißen und dann mit irgendwelchen idiotischen Gesetzesvorhaben weitermachen wollen, haben Sie keinerlei Planungssicherheit mehr und Sie belasten den Bürger mit Investitionskosten, die vor allem zu einem führen: zum Wertverfall des Immobilienbesitzes. Sie machen damit die Altersvorsorge vieler Menschen kaputt und auch die der Mieter, da die steigenden Kosten auf die Mieter umgelegt werden. Und das halte ich für eine idiotische Politik."
Beim Thema Fachkräftemangel bot Weidel zwar keine Lösungen an, sagte aber, es sei ein selbstverschuldetes Problem Deutschlands: "Den Fachkräftemangel haben wir schon seit Jahren." Mit der Erhöhung des Bürgergeldes habe die Ampel ein "Konkurrenzangebot für Nichtarbeitende" geschaffen. Viele würden jetzt sagen, Arbeiten lohne sich nicht mehr, "weil der Staat ja jetzt alles bezahlt, neben dem Bürgergeld die Krankenkasse, die Pflegeversicherung, die Heiz- und Mietkosten."
"Die Menschen wollen die EU nicht mehr haben"
Beim Thema Europapolitik antwortete Weidel auf die Frage, was sie von der Aussage ihres Parteikollegen Björn Höcke halte, dass diese EU "sterben" müsse: "Die Menschen in diesem Land, und das bestätigt auch die Demoskopie, wollen diese EU nicht mehr haben. Es ist ein Konstrukt, was völlig aus der Zeit gefallen ist", und es werde "von oben etwas herunter diktiert".
Statt "dieser EU" wolle Weidel "eine europäische Wirtschaftsgemeinschaft haben. Ich möchte die EU und Europa auf den Feldern fördern, wo sie auch Sinn macht. Das ist natürlich ein gemeinsamer Binnenmarkt, aber auch durch eine gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik und eine gemeinsame Grenzsicherung." In all diesen Bereichen gebe es seit Jahrzehnten ein Versagen der Europäischen Union.
Kanzlerkandidatin Weidel?
Ob sich Weidel für die kommende Bundestagswahl als Kanzlerkandidatin bewerben möchte, ließ sie offen. Die Frage, ob die AfD einen Kandidaten aufstelle, werde im kommenden Jahr geklärt. "Ende Juni haben wir den Parteitag, wo das entschieden wird." In dem Moment, in dem sich manifestiere, dass die AfD zweitstärkste Kraft sei, "da müssen wir natürlich auch einen Führungsanspruch stellen". "Und das tun wir auch", sagte Weidel. "Und da wird sich vor allen Dingen die CDU fragen müssen, wie nachhaltig ihre Brandmauer ist."
Sorge vor Spaltung des "regierungskritischen Lagers"
Angesichts von Medienberichten, wonach sich die frühere Linken-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht inzwischen zur Gründung einer neuen Partei entschlossen habe und dies noch vor Jahresende geschehen solle, sagte Weidel, dies werde das "regierungskritische Lager" spalten.
Ob die Linken-Politikerin derzeit die größte Gefahr für die Partei sei, antwortete Weidel: "Das ist natürlich momentan alles Theorie und eine Momentaufnahme und bildet auch nur das Potenzial ab." Wagenknecht werde mit der Situation konfrontiert sein, "dass es für so eine Partei nicht nur Häuptlinge braucht, sondern auch Indianer, also auch Basisarbeit und ein griffiges Programm. Und das ist momentan noch nicht erkennbar."