Generaldebatte im Bundestag Scholz will mit "Deutschland-Pakt" raus aus der Krise
Kanzler Scholz hat in der Generaldebatte eine "nationale Kraftanstrengung" gefordert, um das Land zu modernisieren und es wirtschaftlich wieder auf Kurs zu bringen. Oppositionsführer Merz warf der Ampel vor, einen "bevormundenden Staat" aufzubauen.
In der Generaldebatte im Bundestag hat Bundeskanzler Olaf Scholz auf die Kritik der Opposition an der Arbeit der Koalition mit einem Vorschlag für eine neue Marschrichtung reagiert: In seiner Rede lud der SPD-Politiker Länder, Kommunen sowie die demokratische Opposition zu einem "Deutschland-Pakt" zur Modernisierung des Landes ein.
Der Pakt solle Deutschland schneller, moderner und sicherer machen, sagte Scholz. "Zu viel ist in den vergangenen Jahren auf die lange Bank geschoben worden", kritisierte Scholz. "Die Bürgerinnen und Bürger sind diesen Stillstand leid. Und ich bin es auch", betonte er. "Wir brauchen eine nationale Kraftanstrengung. Also lassen Sie uns unsere Kräfte bündeln." Die Bürgerinnen und Bürger wünschten sich Orientierung und kein "Schattenboxen" und streitende Regierungsparteien, so Scholz.
Beschleunigung von Genehmigungsverfahren
Sein Angebot richte sich an die 16 Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder, an die Landräte und Landrätinnen, Bürgermeister und Bürgermeisterinnen in der ganzen Republik. Es richte sich aber auch an Friedrich Merz, den Vorsitzenden der größten Oppositionspartei, wie Scholz betonte.
Um Genehmigungsverfahren zu beschleunigen, sollten Bund und Länder ein umfassendes Paket an Maßnahmen erarbeiten und noch in diesem Jahr auf den Weg bringen. Energieversorgung solle "sauber, sicher und bezahlbar" werden. Zudem möchte der Kanzler das Planungs- und Genehmigungsverfahren digitalisieren und den Wohnungsbau vereinfachen.
Digitalisierung vorantreiben
Mit dem Onlinezugangsgesetz solle außerdem die flächendeckende Digitalisierung vorgetrieben werden. Bis Ende 2024 sollen viele Leistungen digital zur Verfügung stehen. Dazu gehörten die Ummeldung des Wohnsitzes, das digitale Beantragen des Wohngeldes, des Führerscheins, des Personalausweises, des Elterngeldes sowie des Bürgergeldes.
Der Bund investiere im kommenden Jahr aus dem Klima- und Transformationsfonds 58 Milliarden Euro unter anderem in die Halbleiterindustrie, klimafreundliche Mobilität und digitale Infrastruktur, sagte Scholz. Dazu kämen 54 Milliarden Euro für Schienen, neue Brücken, schnelles Internet, Ladesäulen und sozialen Wohnungsbau. Allein die Bahn erhalte in den kommenden vier Jahren 24 Milliarden Euro an zusätzlichem Investitionsspielraum. "Das ist das größte Investitionsprogramm in so kurzer Zeit seit der Dampflok", erklärte der Kanzler.
Für das "Wachstumschancengesetz" seien zudem mehr als 32 Milliarden Euro vorgesehen. Es müsse einfacher werden, Start-ups zu gründen und erfolgreich zu machen, fordern die Ampelparteien in ihrem Positionspapier. Die Rahmenbedingungen für Start-ups und Unternehmen sollten durch das "Zukunftsfinanzierungsgesetz" verbessert werden.
Merz: Ampel baut den "paternalistischen" Staat aus
Zuvor hatte Oppositionsführer Merz dem Kanzler vorgeworfen, mit der Kindergrundsicherung und dem Bürgergeld einen bevormundenden, alles regulierenden und paternalistischen Staat ausbauen zu wollen.
Die Kindergrundsicherung sei "genau das, was Sie erreichen wollen: Lufthoheit über den Kinderbetten, über den Familien, über dieser Gesellschaft, damit Sie sie nach Ihren eigenen Vorstellungen gestalten können". An den Kanzler gewandt sagte Merz, die Union streite nicht nur über Details des Haushaltes, sondern widerspreche ganz grundsätzlich dem Staatsverständnis der Ampel.
Das sogenannte Bürgergeld würde die Union so ausgestalten, dass sich Arbeit mehr lohne als der Bezug von staatlichen Transferleistungen, betonte Merz. Die Menschen gingen nicht zurück in Beschäftigung, weil sie sich ausrechnen könnten, dass sie mit staatlichen Transferleistungen mehr herausbekämen, als wenn sie in einer einfachen Beschäftigung arbeiten und Sozialversicherungsbeiträge und Steuern bezahlen müssten.
Union für Abschaffung des Solis
Würde die Ampel den Vorschlägen der Union folgen, gebe es schnell Spielräume für eine größere Steuerreform, versprach Merz. Dann könne man auch endlich den Solidaritätsbeitrag abschaffen, was vor allem den mittelständischen Unternehmen schnell und wirksam helfen würde.
Merz kritisierte zudem überbordende Bürokratie, das Gebäudeenergiegesetz und verlangte Technologieoffenheit im Gebäude- und Verkehrssektor. Es sei keine Überraschung, dass die Ampel mit ihrer Verbotspolitik auch im zweiten Jahr in Folge die Klimaziele verfehle. Die Klimapolitik der Regierung werde von den Menschen im Land mehrheitlich nicht mehr mitgetragen, weil sie es leid seien, nur noch mit Verboten, Regulierungen, unkalkulierbaren Kosten und bürokratischen Auflagen konfrontiert zu werden.
Die Ampel unterschätze die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs, so Merz. Spätestens 2027 werde eine Lücke von mindestens 30 Milliarden Euro im Verteidigungshaushalt klaffen, von der die Regierung heute keine Vorstellung habe, wie sie gefüllt werden solle.
AfD fordert Neuwahlen
AfD-Chef Tino Chrupalla kritisierte in seiner Rede die Ampelkoalition scharf und forderte Neuwahlen. "Die Zeit der Ampel ist abgelaufen", sagte Chrupalla. Er warf der Koalition eine "fahrlässige und verfehlte Migrationspolitik" und speziell den Grünen in der Ampel eine wirtschaftsfeindliche Politik vor.
An Bundeskanzler Scholz gerichtet sagte er: "Öffnen Sie wieder, wenn Sie können, bitte beide Augen und sehen Sie, wie die deutsche Wirtschaft reagiert, wie sie abschmiert, und kümmern Sie sich endlich um das Rückgrat in diesem Land, um die deutsche Wirtschaft."
Linke gegen Sparpolitik
Auch von der Linken kommt Kritik an der Politik der Koalition. "Wir dürfen jetzt nicht sparen, wir brauchen große Investitionspakete", sagte Amira Mohamed Ali, Fraktionschefin der Linken.
Viele Menschen seien zu Recht wütend, dass im Etat Milliarden Euro für Rüstung rausgehauen werden sollten und überall sonst geknausert und gespart werde. Die geplante Kindergrundsicherung sei unzureichend und ein "Etikettenschwindel".