Wanderwitz zieht sich zurück Ein Dauerstreiter geht
Marco Wanderwitz wurde als Befürworter eines AfD-Verbots zur Zielscheibe - so wie vorher schon als Kritiker einiger Ostdeutscher. Nun zieht sich der frühere Ostbeauftragte aus dem Bundestag zurück.
Eine Sache ist ihm noch wichtig. Auf X schreibt Marco Wanderwitz: "Denen, die sich zivilgesellschaftlich für unsere Demokratie engagieren, danke ich sehr herzlich für ihr Engagement." Nur, leider seien sie mancherorts "(zu) wenige".
Kurz zuvor, am Montag, hatte der sächsische CDU-Bundestagsabgeordnete und Mitinitiator eines Prüfantrags für ein AfD-Verbotsverfahren seinen Rückzug angekündigt. Bei der kommenden Bundestagswahl wird Wanderwitz nicht wieder antreten. In seiner einzigen Äußerung neben dem Tweet sagte er der "Freien Presse": "Ich muss meine Familie und mich körperlich und seelisch schützen."
Angriffe nehmen zu
Damit spielt Wanderwitz auf mehrere Angriffe gegen ihn an. In den vergangenen Jahren hat er laut eigener Aussage mehrere Morddrohungen erhalten. Andere Drohungen richteten sich gegen seine Familie. Die Polizei konnte die Täter nicht ermitteln. Auch nicht nach einem Brandanschlag auf sein Wahlkreisbüro an Silvester 2021/22.
Es sind Fälle, die weit über das hinausgehen, was in diesen Tagen in Deutschland in Zusammenhang mit einer Beleidigung des grünen Bundeswirtschaftsministers Robert Habeck diskutiert wird. Attacken nehmen offline wie online zu. Sie treffen alle Parteien und alle politischen Ebenen.
Im Europawahlkampf wurde ein SPD-Politiker in Dresden krankenhausreif geschlagen. Im August sah sich eine Gruppe sächsischer Kommunalpolitiker genötigt, mehr Schutz für sich und ihre Amtskollegen einzufordern.
Marco Wanderwitz sagte der "Freien Presse": "Wir haben es als Zivilgesellschaft nicht geschafft, den Abgeordneten den Rücken zu stärken." Seine Partnerin, die CDU-Politikerin und Bundestagsvizepräsidentin Yvonne Magwas, hatte bereits im Juli erklärt, nicht wieder für den Bundestag zu kandidieren. Auch Magwas hatte das mit dem gesellschaftlichen Klima in Sachsen begründet.
Kontroverse als Ostbeauftragter
Wanderwitz und Magwas sehen die AfD als einen Treiber dieser Entwicklung. Wanderwitz, der seit 2002 im Bundestag sitzt und ab 2020 kurzzeitig auch Ostbeauftragter der Bundesregierung war, steht seit längerer Zeit für einen konfrontativen Umgang mit der AfD und ihren Wählern, gerade in Ostdeutschland.
Wenige Monate vor der Bundestagswahl 2021 sagte er mit Blick auf diese Wähler und die Erfahrungen der DDR-Zeit: "Wir haben es mit Menschen zu tun, die teilweise in einer Form diktatursozialisiert sind, dass sie auch nach dreißig Jahren nicht in der Demokratie angekommen sind." Zum Teil hätten sie "gefestigte nichtdemokratische Ansichten" und seien für andere Parteien nicht rückholbar.
Der Aufschrei war groß. Für manche war Wanderwitz ein Lichtblick in einer ostdeutschen Debatte um Demokratie, in der sich nur wenige trauen, auch die eigenen ostdeutschen Mitbürger zu fordern - und nicht nur die Westdeutschen. Für andere war er schlicht der "Ostbeschimpfungsbeauftragte", der einen sachlichen Diskurs verunmöglichte.
Die CDU holte bei der Wahl 2021 ein historisch schlechtes Ergebnis in Sachsen. Wanderwitz verlor sein Direktmandat im Umland von Chemnitz, das er zuvor mehrfach verteidigt hatte. Und er wurde als einer der Verantwortlichen der Misere ausgemacht.
Ein Mitkandidat nannte ihn eine "schwere Belastung für den Wahlkampf". Landeschef und Ministerpräsident Michael Kretschmer sagte: "Das war sicher nicht hilfreich." Wanderwitz wurde nicht wieder Chef der sächsischen Landesgruppe im Bundestag.
Streiter für ein AfD-Verbot
Seitdem profilierte sich Wanderwitz als offener Kritiker von Kretschmers Kurs - sei es seine Haltung zu Russland, sein Umgang mit den Grünen oder seine Migrationspolitik. Er zeigte sich auch hier hart. In der sächsischen Union galt es deshalb auch als ausgeschlossen, dass Wanderwitz wieder einen vorderen Listenplatz bekommen hätte.
Und so kommen auf seinen Rückzug vor allem Reaktionen aus anderen Parteien, weniger aus der CDU. Ricarda Lang, die gerade selbst als Grünen-Chefin abgetreten ist, nannte die Situation von Wanderwitz und Magwas "unerträglich". Der Landesvorsitzende der Sachsen-SPD, Henning Homann, kommentierte: "Das darf so nicht sein."
Friedrich Merz, Unionsfraktionschef im Bundestag, hat Wanderwitz dennoch freie Hand gelassen, um einen Antrag auf Prüfung eines AfD-Verbotsverfahrens voranzutreiben. Vergangene Woche konnte er nun mit über 100 anderen Abgeordneten einen Antrag einreichen, der dem Bundestag die Einleitung eines Prüfverfahrens über ein AfD-Verbot auftragen würde. Über ein Verbot müsste dann das Bundesverfassungsgericht entscheiden.
Wanderwitz hatte sich bereits als Ostbeauftragter für ein Verbot ausgesprochen. Er erhofft sich davon eine "Atempause für die Demokratie". In seiner Fraktion ist der Rückhalt dafür gering. Gerade viele ostdeutsche CDU-Politiker halten das Vorgehen für kontraproduktiv. Sie wollen die AfD nicht zum Opfer machen.
Mittlerweile gilt es auch als unwahrscheinlich, dass der Verfassungsschutz die AfD - bislang ein Verdachtsfall - noch vor der Bundestagswahl als "gesichert extremistisch" hochstuft. Ein neues Gutachten hält die Behörde zurück. Auch eine Mehrheit unter den Abgeordneten zeichnet sich noch nicht ab. Eine schnelle Entscheidung noch vor der Wahl bleibt aber weiterhin möglich.
Sächsischer Wahlkreis bleibt umkämpft
Unklar ist auch, was aus Wanderwitz’ Wahlkreis wird. Der hier direkt gewählte AfD-Abgeordnete Mike Moncsek will dauerhaft in den Landtag wechseln. Die AfD sucht einen neuen Bewerber.
Fündig könnte sie bei Maximilian Krah werden, im Sommer noch wegen relativierender Äußerungen über die SS aus der eigenen Delegation ausgeschlossener Spitzenkandidat der AfD. Krah hält in dieser Woche drei Bürgerdialoge im Wahlkreis ab. Wanderwitz schlagen kann er aber nicht mehr.
Die CDU wird Anfang Dezember ihren Kandidaten oder Kandidatin aufstellen. Marco Wanderwitz will bis zur Wahl den Verbotsantrag über die Ziellinie bringen. Seine Pläne für danach lässt er offen.