Der CDU-Politiker und sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer.

Weniger Geld, weniger Rechte? CDU stellt sich in Asyl-Debatte hinter Kretschmer

Stand: 31.05.2023 12:55 Uhr

Sachsens CDU-Ministerpräsident Kretschmer will die Asylzahlen senken und stellt eine Grundgesetzänderung zur Debatte. Die Kritik fällt deutlich aus. Viel Zuspruch kommt hingegen aus seiner Partei.

Michael Kretschmer erhält Unterstützung für seinen umstrittenen Asyl-Vorstoß. Gegenüber tagesschau.de stellten sich mehrere CDU-Spitzenpolitiker hinter den sächsischen Ministerpräsidenten und CDU-Bundesvize. "Die aktuellen Regelungen sind dysfunktional", sagte etwa der Brandenburger CDU-Chef Jan Redman. "Es braucht nicht zwangsläufig eine Grundgesetzänderung, aber man muss darüber reden können." Auch sei es richtig, so Redman, die Standards für Sozialleistungen innerhalb der EU anzugleichen.

Kretschmer hatte der Zeitung "Welt" gesagt, die Zahl der Menschen, die derzeit Asyl in Deutschland suchen, sei "einfach zu groß". Sie müsse reduziert werden, da Schulen, Kindergärten und Wohnungsmarkt überlastet seien.

Laut Kretschmer soll eine überparteiliche Kommission einen Vorschlag für eine neue Asylpolitik ausarbeiten. Er selbst stellte dafür auch die Senkung von Sozialleistungen und eine Änderung des Grundgesetzes zur Debatte. Letzteres enthält das Recht auf Asyl, wenn auch bereits in eingeschränkter Form.

Zuspruch: "Flucht und Migration neu zu denken wagen"

"Grundsätzlich gehe ich da mit", sagte Sachsen-Anhalts CDU-Chef und Wirtschaftsminister Sven Schulze. Die Situation sei in nahezu allen Kommunen schwierig und werde sich im Laufe des Jahres noch verschärfen. Deutschland werde aber "immer ein Land sein, das Menschen in Not hilft", so Schulze, der die Bundesregierung nun unter Zugzwang sieht.

In Thüringen positioniert man sich ähnlich. Der dortige CDU-Chef und Fraktionsvorsitzende Mario Voigt sagte, Kretschmer habe einen Weg aufgezeigt, "die Selbst-Blockade der Ampel endlich aufzulösen". Eine realistische Migrationspolitik erfordere Humanität und Härte.

Aus der Spitze der Unionsfraktion im Bundestag gibt es ebenfalls Unterstützung für Kretschmer. Fraktionsvize Jens Spahn schrieb auf Twitter, man müsse "das Thema Flucht und Migration neu zu denken wagen".

Auch Thorsten Frei, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer, und Steffen Bilger stellten sich hinter Kretschmers Vorschlag.

Kritik: "Braucht sensiblen Umgang mit Sprache"

Vorsichtiger äußerte sich Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien - wie Kretschmer CDU-Bundesvize. Sie unterstütze die Einrichtung einer breit aufgestellten Kommission. "Auch wenn wir bei den Maßnahmen", die Kretschmer vorschlage, "noch keinen Konsens haben", so Prien auf Twitter.

Deutliche Kritik kommt hingegen vom sächsischen CDU-Bundestagsabgeordneten und ehemaligen Ostbeauftragten der Bundesregierung, Marco Wanderwitz. "Das Recht auf Asyl ist schon heute so ausdifferenziert, dass man es kaum ändern kann, ohne es auszuhöhlen", sagte Wanderwitz tagesschau.de. Auch die Genfer Flüchtlingskonvention gelte weiterhin.

Wanderwitz warnte davor, die AfD in der Asyl-Debatte aufzuwerten: "Es braucht einen sensiblen Umgang mit Sprache. Auch von Michael Kretschmer." Die Situation sei weiterhin nicht mit der Lage 2015, 2016 vergleichbar und weiterhin durch mehr Geld für Kommunen, stärkere Grenzkontrollen und eine bessere Verteilung von Asylsuchenden innerhalb Europas lösbar, so Wanderwitz. Diese Forderungen vertritt auch die sächsische Landesregierung.

Konflikt zwischen Bund, Ländern und Kommunen ungelöst

Vertreter anderer Parteien hatten Kretschmers Vorstoß zuvor kritisiert. Die Linken-Abgeordnete und Rechtspolitikerin Clara Bünger sprach von "rhetorischem Brandbeschleuniger in einer ohnehin überhitzt geführten Debatte". Kretschmers Stellvertreter in Dresden, der grüne Umweltminister Wolfram Günther, sagte: "Das menschenwürdige Existenzminimum steht allen Menschen zu, die in Deutschland leben."

Aus der AfD hieß es, eine Kommission sei überflüssig und Kretschmer kopiere ihre Forderungen. "Das Grundrecht auf Asyl sollte zur Disposition gestellt werden, wenn es nicht mehr im Interesse der deutschen Bürger funktioniert", so Parteichef Tino Chrupalla gegenüber "Welt".

Angesichts der Aufnahme von etwa einer Million geflüchteter Menschen aus der Ukraine und wieder steigenden Fluchtzahlen aus anderen Ländern, streiten Bund, Länder und Kommunen seit Herbst vergangenen Jahres um die Asylpolitik. Mehrere Gipfel brachten bis heute aus Sicht vieler Kommunen und der CDU/CSU-geführten Länder zu wenig Entlastung. Auch nachdem der Bund im Mai eine zusätzliche Milliarde Euro zugesagt hatte. Bis November soll die Finanzierung zwischen den Beteiligten grundlegend neu geregelt werden.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 29. Mai 2023 um 23:09 Uhr.