Flüchtlingsgipfel in Berlin Demonstrative Einigkeit der Länder
Im Kanzleramt laufen die Beratungen - seit Stunden: Bund und Länder wollen im Streit über die Kosten der Flüchtlingsversorgung Lösungen finden. Die Länder stehen zusammen und fordern unter anderem hartes Durchgreifen vom Kanzler.
Es ist ein dickes Brett, das Bund und Länder beim Flüchtlingsgipfel zu bohren haben. Während Letztere auf mehr Geld pochen, um Städte und Kommunen bei der Versorgung Geflüchteter zu helfen, stellt der Bund sich quer. Aus Sicht des Bundes beteiligt er sich bereits überproportional an den Kosten.
Unmittelbar vor den inzwischen seit Stunden - und zeitweise getrennt - laufenden Beratungen mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) haben sich der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, Niedersachsens Regierungschef Stefan Weil (SPD), und sein Stellvertreter, Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) geäußert. Mit einer Stunde Verspätung traten sie nach den Beratungen der Länderchefinnen und -chefs vor die Presse - denn die Themen, die im Kanzleramt besprochen würden seien wirklich schwierig, sagte Weil.
Wüst: Scholz muss jetzt Führungsstärke beweisen
Beide Regierungschefs machten klar: Die 16 Länder seien sich parteiübergreifend in allen Punkten einig. Gemeinsam mit den Kommunen zögen sie an einem Strang und pochten auf nachhaltige Lösungen bei der Versorgung geflüchteter Menschen.
Wüst kritisierte, der Bund habe bisher kein ausreichendes Problembewusstsein gezeigt - das sei bedauerlich. In den Kommunen sei die Lage ernst, "die Grenzen des Möglichen sind an vielen Stellen erreicht", so der Minister. Vor allem die Kosten für Unterkünfte müssten vom Bund übernommen werden.
Von Scholz forderte der CDU-Politiker, das Thema Flüchtlingsversorgung zur Chefsache zu machen. Es müsse eine faire, verlässliche Finanzierung geben. Denn was die Kommunen bräuchten, sei Planungssicherheit. Mit der Zahl der Flüchtenden, die nach Deutschland kämen, müsse auch der finanzielle Anteil für Versorgung seitens des Bundes steigen, so Wüst.
Weil: Brauchen dynamisches System
Auch Weil betonte die angespannte Situation in den Städten und Gemeinden. Die Unterbringung und die Integration der Menschen sei eine Aufgabe, die auf den Schultern der Kommunen liege. Um diese bewerkstelligen zu können, sei ein dynamisches und atmendes System notwendig.
Der SPD-Politiker verwies darauf, dass der Bund nicht alles regeln könne. Auch auf auf europäischer Ebene müsse in der Migrationspolitik einiges passieren. Es gehe beispielsweise darum, mit den Herkunftsländern Rücknahmeabkommen zu schließen und Verfahren zu beschleunigen.
Auch Digitalisierung in Behörden soll verbessert werden
In einem Entwurf der Ministerpräsidentinnen und -präsidenten heißt es: "Der Bund wird für das Jahr 2023 die Flüchtlingspauschale an die Länder um eine Milliarde Euro erhöhen, damit die Länder dabei unterstützt werden, ihre Kommunen zusätzlich zu entlasten und die Digitalisierung der Ausländerbehörden zu finanzieren."
Außerdem fordern die Länder in dem Papier die vollständige Erstattung der Kosten für Unterkunft und Heizung für Geflüchtete, die Zahlung einer monatlichen Pro-Kopf-Pauschale sowie Integrationskosten und Kosten für unbegleitete Minderjährige.
Weil und Wüst äußerten sich entschlossen, auf dem Flüchtlingsgipfel zu einem Ergebnis zu kommen. Dafür, so Wüst, bleibe er auch etwas länger im Kanzleramt.
Gedämpfte Hoffnungen aus dem Saarland
Zuvor hatten bereits andere Ministerpräsidentinnen und -präsidenten ihre Standpunkte mit Blick auf das Treffen klar gemacht. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) appellierte auf NDR Info an Scholz, in der Flüchtlingsfrage nicht hartherzig zu sein und kündigte an, dass die Länder auf dem Gipfel nicht klein beigeben würden.
Die saarländische Regierungschefin Anke Rehlinger dämpfte die Hoffnungen für einen großen Durchbruch. Die Zeitenwende, die einige FDP-Politiker in der Migrationspolitik fordern, werde es ihrer Ansicht nach nicht geben, sagte die SPD-Politikerin im Deutschlandfunk. Vielmehr gehe es darum, "das, was man schon vielleicht mal miteinander vereinbart hat, noch konsequenter, technisch besser aufgestellt umzusetzen".
Auch sie bekräftigte die Forderung, dass aus Berlin mehr Geld in die Länder und Kommunen fließen soll. Von Bundesfinanzminister Lindner erwartet Rehlinger, dass er als "Ermöglichungsminister" auftrete. "Die Belastungen sind extrem hoch in den Kommunen, in den Ländern. Natürlich hat der Bund auch schon richtig viel Geld gegeben, aber am Ende des Tages reicht es eben im Moment noch nicht aus."
Ramelow: Stimmung ist schlecht
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow pochte in diesem Zusammenhang erneut auf einen "Pro-Kopf-Betrag", den der Bund für Geflüchtete zahlen soll. Außerdem ist aus Sicht des Linken-Politikers zusätzliches Geld für die Versorgung schwerkranker Menschen nötig, die nach Deutschland flüchten. "Die Kosten für ihre medizinische Versorgung kann man nicht den Landkreisen und kreisfreien Städten überlassen", sagte der Ministerpräsident.
Für ihn steht das Treffen heute unter keinem guten Stern. "Der Bund hat im Vorfeld nicht einmal die üblichen Höflichkeitsformen bei der Kommunikation eingehalten", so der Linken-Politiker. "Das vom Bundeskanzleramt bisher vorgelegte Papier ist für mich nicht verhandelbar."