Vor Flüchtlingsgipfel Union pocht auf Finanzzusagen des Bundes
Die Länder wollen für die Unterbringung von Flüchtlingen mehr Geld vom Bund - der sperrt sich. Nun verschärft die Union den Ton - Bayerns Innenminister stellt grundsätzlich den Sinn der Beratungen infrage.
Die Fronten sind verhärtet vor dem Flüchtlingsgipfel am kommenden Mittwoch. Der Bund beharrt auf seiner Position, den Ländern keine weiteren Mittel für die Versorgung von Flüchtlingen zur Verfügung zu stellen. Dann habe das ganze Treffen keinen Sinn, moniert die Union.
Dass der Bund schon vor dem Austausch zu verstehen gebe, dass er keinen weiteren Euro geben wolle, sei "keine angemessene Antwort", kritisierte etwa Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst. Zwar gebe es Grund genug für das Treffen, "aber, wenn wir da nicht einig werden, wird eine ganz wesentliche Aufgabe, die wir uns vorgenommen haben, nicht erfüllt", warnte der CDU-Politiker.
Ähnlich äußerte sich Bayerns Innenminister Joachim Herrmann. Der Bund müsse von seiner Weigerung abrücken, den Ländern und Kommunen mehr Geld zur Verfügung zu stellen, sagte der CSU-Politiker dem TV-Sender "Welt". "Wenn der Bund sich wirklich nicht bewegt, dann würde er dadurch den Gipfel wirklich sinnlos machen."
Zu den möglichen Folgen eines Scheiterns des Gipfels sagte Herrmann: "Ich fürchte, dass hier die Spannungen massiv wachsen und manche Kommunen einfach eine weitere konstruktive Zusammenarbeit verweigern könnten, wenn der Bund sich tatsächlich so stur stellt." Absagen wolle er das Treffen allerdings nicht. Er erwarte aber, dass am Mittwoch im Kanzleramt lange gerungen werde.
Berichte über Verständigung der Länder
Zuvor hatte sich bereits der Ton zwischen Bund und Ländern verschärft. Auch da ging es vor allem um das Thema Geld. Laut Medienberichten gibt es ein Papier der Länderfinanzministerinnen und -minister, in dem diese ihre Forderung nach mehr Geld vom Bund untermauern. Das berichten die Nachrichtenagentur Reuters und die Zeitungen der Funke-Mediengruppe übereinstimmend.
Darin wenden sich die Länder demnach gegen das Argument der Bundesregierung, der Bundeshaushalt müsse Milliardendefizite schultern, während die Länder und Kommunen Überschüsse verzeichneten. Dies sei nur "ein vorübergehendes Phänomen", das durch die Doppelkrise aus Pandemie und russischem Angriffskrieg verursacht worden sei, heißt es in dem Papier den Zeitungen zufolge.
Vorwurf falscher Berechnungen
Die Bundesländer werfen dem Kanzleramt in dem internen Papier laut den Berichten außerdem falsche Berechnungen vor: Die bis Ende 2021 geltende monatliche Pro-Kopf-Pauschale für Asylbewerber in Höhe von 670 Euro sei inzwischen deutlich zu niedrig. Aufgrund jüngster Daten müssten rund 1000 Euro angesetzt werden, fordern sie.
Faktisch habe der Bund seine Hilfen in den vergangenen Jahren trotz steigender Flüchtlingszahlen sogar zurückgefahren, heißt es in dem Papier weiter. Es war den Berichten zufolge am Sonntagabend vom niedersächsischen Vorsitz des Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) an die anderen 15 Länder versandt worden.
Weil: Kosten an Flüchtlingszahlen orientieren
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) sprach sich für eine faire Verteilung aus. "Es besteht Einigkeit, dass der Bund zurückkehren muss zu einem atmenden System der Flüchtlingsfinanzierung", erklärte er nach einem Gespräch der Länderchefinnen und -chefs mit den Spitzen der Kommunalverbände.
"Die finanziellen Mittel des Bundes müssen sich an der tatsächlichen Zahl der zu uns geflüchteten Menschen ausrichten, mit einmaligen Pauschalzahlungen ist es nicht getan." Länder und Kommunen stünden in diesem Punkt "Seite an Seite". Auch drängten die Kommunen darauf, dass der Bund die Kosten der Unterbringung Geflüchteter wieder vollständig übernehme.
Widersprüchliche Signale aus der Ampel
Am Sonntag hatte Grünen-Chefin Ricarda Lang gefordert, den Kommunen bei der Flüchtlingsversorgung stärker zu helfen. Man brauche zwar auch schnellere Asylverfahren, das Hauptproblem sei aber das mangelnde Geld, sagte sie im Bericht aus Berlin. Es gebe ein gemeinsames Interesse, dass vor Ort gute Lösungen entstehen könnten, betonte Lang.
Allerdings wies der Koalitionspartner FDP die Forderung der Länder und der Grünen-Spitze inzwischen zurück. "Geld löst in dieser Situation kein einziges Problem", sagte Generalsekretär Bijan Djir-Sarai. "Was wir brauchen, sind politische Lösungen." Das Treffen am Mittwoch müsse eine "Zeitenwende in der Migrationspolitik" einleiten.
Die Bevölkerung wünsche sich mehr Steuerung und Kontrolle beim Zuzug von Migranten, erklärte Djir-Sarai. "Die Menschen in unserem Land wollen wissen, wer zu uns kommt", sagte er. Zwar forderte er wie Grünen-Chefin Lang, die Asylverfahren "deutlich zu beschleunigen", machte aber auch klar, dass die FDP "eine Zuwanderung von Arbeitskräften, nicht aber eine Einwanderung in die sozialen Sicherungssysteme" für nötig hält. Es müsse sich an Ländern wie den USA, Kanada oder Neuseeland orientieren, die "genau sagen, welche Form der Migration sie wollen oder nicht wollen."
Bund will kein System der Pro-Kopf-Pauschalen
Der Bund ist bislang weder bereit, seine Zahlungen zu erhöhen, noch ist er an einer Rückkehr zum System der Pro-Kopf-Pauschalen interessiert. Stattdessen wird in einem Entwurf aus dem Kanzleramt für eine Beschlussvorlage zu dem Treffen vorgerechnet, wie viel der Bund jetzt schon zu den Ausgaben mit Flüchtlingsbezug beiträgt.
Am Mittwoch kommt Bundeskanzler Olaf Scholz zu einer Sonderkonferenz mit den Regierungschefinnen und -chefs der Länder zusammen, um über die Aufgaben- und Lastenteilung bei der Versorgung von Flüchtlingen zu beraten.
Zahl der Geflüchteten zuletzt gestiegen
Die Zahl der in Deutschland ankommenden Flüchtlinge war zuletzt deutlich gestiegen. Seit Beginn des russischen Angriffskrieges im Februar 2022 wurden mehr als eine Million Menschen aus der Ukraine registriert.
Im vergangenen Jahr gab es nach einem Rückgang in den Corona-Jahren auch wieder einen Anstieg der Anträge im regulären Asylsystem. Knapp 218.000 Erstanträge wurden gestellt, 47 Prozent mehr als 2021.
Hauptherkunftsländer sind nach wie vor Syrien und Afghanistan. Auch in den ersten Monaten dieses Jahres ist die Zahl der Asylanträge weiter gestiegen.