Pistorius kritisiert Atomwaffen-Debatte "Nicht wie das Kaninchen auf die Schlange starren"
In den tagesthemen hat Verteidigungsminister Pistorius die Debatte über mögliche EU-Atomwaffen kritisiert. Die meisten US-Verantwortlichen wüssten, "was sie an der NATO haben". Von Trumps Aussagen zeigte er sich unbeeindruckt.
Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius hat die Debatte über europäische Atomwaffen und einen möglichen Ausfall der Schutzmacht USA deutlich kritisiert. "Es gibt jetzt keinen Grund, über den nuklearen Schutzschirm zu diskutieren", sagte der SPD-Politiker in den tagesthemen. Stattdessen sei Gelassenheit gefordert.
Pistorius sagte, er sei sich ziemlich sicher, "dass die Mehrzahl der Verantwortlichen in den Vereinigten Staaten von Amerika sehr genau wissen, was sie an ihren transatlantischen Partnern in Europa haben, was sie an der NATO haben. Und dort wissen viele, was es bedeutet, die transatlantischen Bänder zu zerschneiden oder zu überdehnen. Wer das tut, der gefährdet eigene geopolitische und strategische Interessen."
"Nicht nur Vergleich von Atomwaffen mit Atomwaffen"
Das Thema der nuklearen Abschreckung sei komplex, sagte Pistorius. "Es geht nicht einfach nur um den Vergleich von Atomwaffen mit Atomwaffen - der der Amerikaner und der der Franzosen oder der Briten. Es geht um ein komplexes System einer nuklearen Abschreckung mit taktischen und anderen Atomwaffen. Darüber diskutiert man nicht mal eben so auf Zuruf aufgrund einer Äußerung im amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf."
Pistorius bezog sich auf eine Äußerung des früheren US-Präsidenten Donald Trump während einer Wahlkampfveranstaltung. Dieser hatte als aussichtsreichster republikanischer Präsidentschaftsbewerber gedroht, er werde im Fall eines Wahlsiegs im November anderen NATO-Ländern im Angriffsfall nicht beistehen, wenn sie nicht genug in die Verteidigung investierten.
Unter anderem Pistorius' Parteifreundin und SPD-Spitzenkandidatin für den Europawahlkampf, Katarina Barley, hatte daraufhin die Verlässlichkeit des US-Atomwaffen-Schutzschirms in Zweifel gezogen. Zur Frage, ob die EU eigene Atombomben brauche, sagte sie dem "Tagesspiegel": "Auf dem Weg zu einer europäischen Armee kann also auch das ein Thema werden."
"Mir jagt das keinen besonderen Schrecken ein"
Im tagesthemen-Interview zeigte sich Pistorius von der Trump-Aussage unbeeindruckt: "Mir jagt das keinen besonderen Schrecken ein, ehrlich gesagt." Das seien Äußerungen, die man zur Kenntnis nehmen müsse, so Pistorius. "Wir müssen einfach bei uns bleiben und nicht wie das Kaninchen auf die Schlange starren."
Deutschland habe das NATO-Ziel erreicht, zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für die Verteidigung auszugeben. Und auch der Bundeskanzler habe sich erneut dazu bekannt, dies dauerhaft zu garantieren. Als Beitrag zur nuklearen Teilhabe habe Deutschland US-amerikanische Kampfjets vom Typ F-35 bestellt als Nachfolge der Tornados.
Pistorius betonte, er wünsche sich zwar, dass "es keine Notwendigkeit für Abschreckung und Verteidigung gibt. Aber jetzt scheint es so zu sein, dass wir das dringend tun müssen." Alle hätten gedacht, dass die Zeiten der Aufrüstung vorbei seien. Aber: "Jetzt wachen wir auf, jetzt erleben wir, dass das nicht so ist, und zwar - und das muss man so deutlich sagen - weil es einem Mann an der Spitze eines Staates wie Russland einfällt, seine Grenzen zu verschieben, einen souveränen Staat anzugreifen und den Anspruch zu erheben, er gehört zu seinem Territorium."