Zwei-Prozent-Ziel und Beistandspflicht Was man über die NATO wissen muss
Seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine ist die Bedeutung der NATO weiter gewachsen. Wer sind die Mitglieder? Wer zahlt wie viel? Welche Aufgaben übernimmt Deutschland? tagesschau.de beantwortet wichtige Fragen.
Seit wann gibt es die NATO?
Die NATO wurde nach dem Zweiten Weltkrieg im Jahr 1949 gegründet. Die "North Atlantic Treaty Organisation", kurz NATO, ist die sicherheitspolitische Einrichtung des Westens. Sie galt im Kalten Krieg als Gegengewicht zum Warschauer Pakt unter Führung der Sowjetunion.
Nach dem Ende des Ost-West-Konflikts bestand die NATO weiter fort und gewann neue Mitglieder aus dem ehemaligen Ostblock hinzu.
Wer ist Mitglied des Bündnisses und wer will noch hinein?
Mit derzeit 31 Mitgliedern soll das NATO-Bündnis Sicherheit und Stabilität im euroatlantischen Raum garantieren. Zuletzt ist Finnland am 4. April 2023 der Allianz beigetreten. Als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine hatte auch das traditionell blockfreie Schweden im Mai 2022 NATO-Mitgliedschaft beantragt. Hier steht noch die Zustimmung Ungarns aus.
Was steht im viel diskutierten Artikel 5?
Artikel 5 des NATO-Vertrags ist eine der wichtigsten Grundlage des Verteidigungsbündnisses. Die so genannte Beistandsklausel besagt, dass ein Angriff auf einen Mitgliedsstaat als Angriff auf alle gewertet wird.
Diese Beistandspflicht stellte Ex-US-Präsident Donald Trump jüngst in Frage, als er ankündigte, nach einem Wahlsieg "säumige Mitglieder", also Staaten, die ihren finanziellen Verpflichtungen nicht nachkämen, auch nicht weiter verteidigen zu wollen.
Bevor Artikel 5 greift, gilt wiederum Artikel 4 des Nordatlantikvertrags. Das Bundesverteidigungsministerium schreibt hierzu: "Artikel-4-Beratungen des NATO-Rats finden in der Regel nach schwerwiegenden militärischen Vorfällen oder mit Blick auf besondere sicherheitspolitische Ereignisse statt."
In der Geschichte des Bündnisses sei der NATO-Rat bislang siebenmal auf der Grundlage dieses Artikels zusammengekommen. Zuletzt haben Bulgarien, Tschechien, Estland, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien und die Slowakei eine Artikel-4-Konsultation am 24. Februar 2022 nach der völkerrechtswidrigen russischen Invasion der Ukraine beantragt.
Wurde die Beistandspflicht schon einmal angewandt und wie verbindlich ist sie?
Die NATO berief sich zum ersten und einzigen Mal in ihrer Geschichte nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 gegen die USA auf Artikel 5. Die USA wurden entsprechend beim Kampf gegen Terroristen und der Besetzung Afghanistans durch die NATO-Bündnispartner unterstützt.
Das Bundesministerium für Verteidigung erklärt auf seiner Website, dass nach Artikel 5 die Bündnispartner jede Form der Hilfe leisten müssten, die sie für erforderlich halten, um auf die entsprechende Situation zu reagieren. Dies sei eine individuelle Verpflichtung für jeden Verbündeten, das zu leisten, was er unter den besonderen Umständen für notwendig hält und leisten kann. Wobei das Ziel nach Artikel 5 deutlich sei, nämlich "die Sicherheit des nordatlantischen Gebiets wiederherzustellen und zu erhalten".
Experten schätzen die Verbindlichkeit unterschiedlich ein beziehungsweise weisen auf die Praxis hin, die häufig komplex ist.
Wer hat Atomwaffen?
Innerhalb des NATO-Bündnisses verfügen neben den USA noch das Vereinigte Königreich und Frankreich über Atomwaffen. Außerhalb des Bündnisses sind neben Russland auch Israel, Pakistan, Indien, China und Nordkorea im Besitz von nuklearen Waffen.
Nach Angaben des Stockholmer Friedensforschungsinstitut (SIPRI) verfügen die beiden militärischen Supermächte Russland und die USA über die mit Abstand größten nuklearen Arsenale: Russland über rund 5.889 Atomsprengköpfe, die USA über 5.244 nukleare Sprengköpfe.
Diese große Anzahl an Kernwaffen resultierte aus dem jahrzehntelangen Wettrüsten während des Kalten Krieges zwischen den USA und der Sowjetunion.
Deutschland besitzt keine eigenen Nuklearwaffen, beteiligt sich aber an der sogenannten nuklearen Teilhabe der NATO. Diese sieht vor, dass im Konfliktfall US-amerikanische Nuklearwaffen, die in den Teilhabestaaten gelagert sind, von der Luftwaffe der Bündnispartner ins Ziel transportiert werden.
Die nukleare Teilhabe war in Deutschland lange stark umstritten, wird jedoch, auch unter dem Eindruck des russischen Angriffs auf die Ukraine, weiter aufrechterhalten. Dabei sollen unter anderem auch im Rahmen des Sondervermögens erworbene F-35 Kampfjets zum Einsatz kommen.
Was hat es mit dem Zwei-Prozent-Ziel auf sich? Wer zahlt wie viel - und warum zahlen die USA so viel?
Nach der geltenden Beschlusslage der NATO sollen die 31 Mitgliedstaaten jeweils mindestens zwei Prozent ihrer Wirtschaftsleistung in die Verteidigung investieren. Bislang haben dies allerdings die wenigsten Staaten erreicht.
18 der 31 Mitgliedstaaten der NATO werden nach Angaben von Generalsekretär Stoltenberg in diesem Jahr das Zwei-Prozent-Ziel bei den Militärausgaben erreichen.
Deutschland erfüllt erstmals seit Langem mit rund 2,1 Prozent das gesteckte Ziel: Dokumenten aus dem NATO-Archiv zufolge war dies zuletzt 1992 der Fall. In den Jahren des Kalten Kriegs hatte demnach die Quote meist bei über drei Prozent gelegen.
Spanien, die Türkei und Belgien tun sich Diplomaten zufolge mit der Vorgabe weiter schwer, Frankreich will die Zielmarke im kommenden Jahr erreichen.
Nach Angaben des Ifo-Instituts haben die Staaten an der osteuropäischen Außengrenze der NATO ihre Verteidigungsausgaben relativ zur Wirtschaftsleistung am stärksten erhöht. Weniger Anstrengungen, die vereinbarten Ausgabenziele zu verwirklichen, unternehmen jene NATO-Staaten mit einer größeren geografischen Distanz zu Russland.
Demnach tragen die Vereinigten Staaten mehr als zwei Drittel der Verteidigungsausgaben in der gesamten NATO. Diese Rolle ist historisch gewachsen, die USA geben traditionell Rekordsummen für ihre Sicherheit aus. Schon unter EX-Präsident Barack Obama wurden Forderungen an die anderen NATO-Mitglieder laut, mehr Geld für Verteidigung auszugeben.
Nur Polen gibt derzeit im Verhältnis zu seinem BIP mehr aus für Verteidigungsausgaben als die USA.
Welche konkreten Aufgaben hat Deutschland im Rahmen der NATO übernommen?
Nach Angaben der Bundesregierung engagiert sich Deutschland mit der Bundeswehr sowohl bei internationalen NATO-Missionen wie in Kosovo als auch in der Bündnisverteidigung.
Wie bei der Luftraumüberwachung ("Air Policing") in Estland oder seit 2019 auch als "Rahmennation" eines multinationalen NATO-Verbandes in Litauen übernehme Deutschland innerhalb der NATO oftmals führend Verantwortung.
2002 beteiligte sich Deutschland außerdem an der Mission ISAF (International Security Assistance Force) und der anschließenden NATO-Ausbildungsmission in Afghanistan. 59 Bundeswehrsoldaten starben während des Einsatzes, der 2021 mit der Evakuierung der letzten westlichen Truppen und der Machtübernahme der Taliban abrupt endete.