Vorgezogene Neuwahl Welche Momente Scholz' Kanzlerschaft prägten
Die oft zerstrittene Ampelkoalition ist seit November Geschichte - jetzt hat der Bundestag Kanzler Scholz das Vertrauen entzogen. Welche Ereignisse waren für die Regierungszeit entscheidend? Ein Überblick.
1.064 Tage regierte Olaf Scholz als Bundeskanzler an der Spitze der ersten Ampelkoalition auf Bundesebene, bis sie am 6. November scheiterte.
SPD, Grüne und FDP starteten hoffnungsvoll als "Fortschrittskoalition". Von der Aufbruchstimmung und dem Zusammenhalt der Regierungsbildung blieb im Lauf der Zeit aber wenig übrig. Konflikte in der Koalition prägten die Regierungszeit und damit auch das Bild von Kanzler Scholz. Ein Überblick über entscheidende Momente aus seiner Kanzlerschaft:
7. Dezember 2021: Unterzeichnung des Koalitionsvertrags
"Mehr Fortschritt wagen": Diesen Titel trägt der Koalitionsvertrag, den SPD, Grüne und FDP unterschreiben. Scholz spricht von "Aufbruch", er will als Kanzler das Land modernisieren.
Am 8. Dezember um 10.18 Uhr wählt ihn der Bundestag zum Kanzler. Die Ampelkoalition, sagt Scholz nach seiner Wahl, sei ein langfristiges Regierungsmodell für ihn - auch über das nächste Wahljahr 2025 hinaus.
15. Februar 2022: Besuch im Kreml
Dieses Bild wird bleiben: Scholz und Wladimir Putin sitzen sich im Kreml an einem meterlangen Tisch gegenüber. Putin hat Russlands Armee an der Grenze zur Ukraine aufmarschieren lassen, Scholz will ihn von einer Invasion abhalten.
Vergeblich: Eine Woche später marschiert Russland ein. Der Krieg zwingt Scholz' junge Regierung zu Entscheidungen, auf die sie nicht vorbereitet ist.
Am Vorabend des Krieges: Putin und Scholz sitzen sich im Kreml an einem meterlangen Tisch gegenüber.
27. Februar 2022: "Zeitenwende"
In einer Rede im Bundestag spricht Scholz das Wort, das seine Kanzlerschaft prägen wird: "Zeitenwende". Als Konsequenz aus dem Schock des Kriegsbeginns kündigt er eine Neuausrichtung der deutschen Politik zu mehr sicherheitspolitischer Verantwortung an.
Die Bundeswehr soll mit 100 Milliarden Euro modernisiert werden. Manche in der SPD sind überrumpelt, aber Scholz erhält auch viel Lob für seine Entschlossenheit.
17. Oktober 2022: Kanzler-Machtwort
Der Krieg in der Ukraine belastet Scholz' Regierung. Geld und Waffen müssen mobilisiert werden. Akutes Problem: Der Krieg hat die Energiekosten explodieren lassen.
Die FDP will deshalb den Atomausstieg absagen, die Grünen protestieren. Den Atomausstieg gibt es dann per Machtwort. "Wer bei mir Führung bestellt, bekommt sie auch." Scholz nutzt das erste und einzige Mal seine Richtlinienkompetenz, der Ausstieg wird um einige Monate aufgeschoben.
Ende Februar 2023: Das Heizungsgesetz
Das Heizungsgesetz von Wirtschaftsminister Robert Habeck sorgt für Schlagzeilen. Die Bürger befürchten hohe Kosten. Vor allem Grüne und FDP streiten. Die Stimmung in der Koalition wird deutlich schlechter.
26. bis 28. März 2023: Marathon-Koalitionsausschuss
An einem Sonntagabend kommen die Koalitionsspitzen zusammen, um einen Neubeginn zu starten. Die Verhandlungen ziehen sich dann aber zweieinhalb Tage hin.
Unter größten Mühen gelingt es, sich auf gemeinsame Projekte zu verständigen. Vor allem in der Klima- und Verkehrspolitik haben sich Grüne und FDP verhakt. Der Dauer-Streit lässt Zweifel an Scholz' Durchsetzungskraft wachsen.
15. November 2023: Richterspruch aus Karlsruhe
Ein heftiger Rückschlag für Koalition und Kanzler: Das Bundesverfassungsgericht erklärt einen zentralen Haushaltskniff der Koalition für ungültig. Scholz wollte Bundes-Mittel zur Corona-Bekämpfung für den Klimaschutz verwenden. Nun fehlen 60 Milliarden Euro.
5. Juli 2024: Haushaltseinigung - oder doch nicht?
Scholz, Habeck und Finanzminister Christian Lindner präsentieren einen Bundeshaushalt 2025. Mehr als 80 Stunden hatten sie beraten, bis ein gesichtswahrender Kompromiss herauskommt: Die Schuldenbremse wird eingehalten, wie es die FDP fordert - allerdings nur mit Hilfe neuer Buchungskniffe. Schon da raunt man in Berlin, dass es Neuwahlen geben könnte.
Im August zieht Lindner wegen rechtlicher Zweifel dann seine Zustimmung zurück. In diesem Moment denkt Scholz, wie er später einräumt, erstmals über Lindners Entlassung nach. Omid Nouripour, damals noch Grünen-Chef, attestiert der Fortschrittskoalition nur noch einen Übergangsstatus.
6. November 2024: Tag der Abrechnung
Der Streit um die Wirtschafts- und Haushaltspolitik eskaliert. In einem Krisentreffen im Kanzleramt fordert Scholz den FDP-Chef auf, die Aufnahme von mehr Schulden zu ermöglichen. Lindner weigert sich.
Der Kanzler entlässt ihn - und lässt dem Rauswurf eine beispiellose öffentliche Abrechnung folgen: Lindner habe "Gesetze sachfremd blockiert", sein Vertrauen missbraucht und "kleinkariert politisch taktiert". Die Ampelkoalition ist Geschichte.
Mit Informationen von Georg Schwarte, ARD-Hauptstadtstudio und der Nachrichtenagentur AFP