Bei schweren Straftaten Scholz will Abschiebungen nach Afghanistan
In seiner Regierungserklärung macht der Kanzler deutlich: Die Abschiebung von Schwerstkriminellen nach Afghanistan und Syrien soll wieder möglich werden. Während CDU-Chef Merz zum raschen Handeln drängt, sind die Grünen skeptisch.
Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich im Bundestag dafür ausgesprochen, Schwerstkriminelle und Gefährder auch in unsichere Länder wie Afghanistan und Syrien abzuschieben. "Solche Straftäter gehören abgeschoben - auch wenn sie aus Syrien und Afghanistan stammen", sagte Scholz in seiner Regierungserklärung. Das Sicherheitsinteresse Deutschlands wiege in solchen Fällen schwerer als das Schutzinteresse des Täters.
Über die praktische Umsetzung verhandele das Bundesinnenministerium mit den Nachbarländern Afghanistans.
Schwerstkriminelle und terroristische Gefährder hätten hierzulande nichts verloren. Man werde auch nicht länger dulden, dass terroristische Straftaten verherrlicht und gefeiert werden, betonte der Kanzler. Er kündigte an, die Ausweisungsregelungen so zu verschärfen, "dass aus der Billigung terroristischer Straftaten ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse folgt". "Wer Terrorismus verherrlicht, wendet sich gegen alle unsere Werte - und gehört auch abgeschoben", sagte Scholz weiter.
Scholz: Migranten nicht unter Generalverdacht stellen
Zugleich warnte er davor, die 20 Millionen Menschen mit Einwanderungsgeschichte unter Generalverdacht zu stellen. "Wer Verbrechen wie das in Mannheim dazu missbraucht, der legt die Lunte an unseren Zusammenhalt", sagte er.
"Jede und jeder muss in unserem Land ohne Furcht vor seinen Mitmenschen leben können", betonte der Bundeskanzler weiter. "Das ist das zentrale Versprechen unseres Rechtsstaats. Und dieses Versprechen setzen wir mit aller Macht durch." Die Regierung werde das Strafrecht gezielt schärfen.
Auch wer Politiker oder Politikerinnen etwa auf kommunaler Ebene bedrohe oder beleidige, müsse ebenfalls härter bestraft werden.
Grüne bei Abschiebungen skeptisch
Nach der Gewalttat eines mutmaßlichen Islamisten aus Afghanistan in Mannheim, bei der ein Polizist getötet wurde, ist die Debatte über die Wiederaufnahme von Abschiebungen nach Afghanistan neu entbrannt. Deutschland hatte die Rückführungen in das Land nach dem Wiedererstarken der radikalislamischen Taliban 2021 ausgesetzt. Forderungen nach Abschiebungen schwerer Gewalttäter auch nach Afghanistan und Syrien kamen in den vergangenen Tagen aus SPD, FDP und Union.
Die Grünen sind dagegen skeptisch. So sagte Fraktionschefin Britta Haßelmann in der Debatte zur Regierungserklärung zwar: "Menschen, die schwere Straftaten begehen, müssen nach Verbüßung der Strafe abgeschoben werden." Sie fügte aber hinzu, dass für alle Herkunftsländer kontinuierlich geprüft werden müsse, ob die Sicherheitslage Abschiebungen zulasse. "Wie soll man das machen?", fragte sie mit Blick auf Afghanistan. Sie bezweifelte, dass man mit den in Afghanistan herrschenden islamistischen Taliban über ein Abschiebeabkommen verhandeln könne.
Auch Grünen-Parteichef Omid Nouripour betonte: "Das ist nicht so einfach, nach Afghanistan abzuschieben." Er warnte ebenfalls vor Verhandlungen mit den Taliban. Diese dürften nicht anerkannt werden und es dürfe auch kein Geld fließen, "weil die dieses Geld nutzen, Terrornetzwerke auch bei uns in Deutschland zu finanzieren".
Merz für schnelles Handeln
Koalitionspartner FDP unterstrich hingegen nochmals die eigene Position für den schärferen Kurs bei Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien. "Wer hier bei uns islamistisch motivierte Straftaten begeht, von Volksverhetzung und Judenhass bis hin zu schweren Gewalt- und Tötungsdelikten, bedarf offenkundig keines Schutzes vor islamistischen Regimen", sagte Fraktionschef Christian Dürr.
Unionsfraktionschef Friedrich Merz verlangte von Scholz schnelles und entschlossenes Handeln. "Die Zeit des Warnens und des Verurteilens, des Abwiegelns und der Ankündigungen, diese Zeit ist jetzt vorbei", sagte der CDU-Vorsitzende. "Die Menschen erwarten, dass wir handeln. Sie erwarten Entscheidungen. Sie warten auf eine klare, unmissverständliche Antwort der Politik."
AfD-Fraktionschefin Alice Weidel gab die Schuld an der Messerattacke von Mannheim der Ampelkoalition und den Vorgängerregierungen. Der Vorfall sei ein Musterbeispiel für das migrationspolitische Versagen dieser Regierung und ihrer CDU-geführten Vorgänger. "Ihre Ideologie der offenen Grenzen und der schrankenlosen unkontrollierten Einwanderung beruht auf Illusionen und Lügen, die Menschenleben kosten", sagte Weidel. Sie forderte als Konsequenz eine sofortige Wende in der Migrationspolitik, die unter anderem Grenzschließungen und Abschiebungen auch nach Afghanistan beinhalten sollte.
"Ukraine hat das Recht, sich gegen Angriffe zu wehren"
Wie erwartet ging Scholz auch auf den deutschen Kurswechsel beim Einsatz deutscher Waffen durch die Ukraine ein. Russland habe eine neue Front gegen die ukrainische Millionenstadt Charkiw nahe der Grenze zu Russland eröffnet, erklärte er. Gemeinsam mit den Partnern habe man bekräftigt, dass die Ukraine das völkerrechtlich verbriefte Recht habe, sich gegen Angriffe auf ihr Territorium, ihre Städte und Bürger zu wehren. Deswegen "kann die Ukraine auch die von uns und unseren Verbündeten gelieferten Waffen einsetzen - immer in Übereinstimmungen mit internationalen rechtlichen Verpflichtungen", betonte Scholz.
Die Bundesregierung hatte der Ukraine in der vergangenen Woche nach langer Abwägung erlaubt, deutsche Waffen auch gegen Ziele im russischen Grenzgebiet einzusetzen. Zuvor war diesen Schritt bereits die Regierung in den USA gegangen.
Den Bundesbürgerinnen und -bürgern versicherte Scholz, alles zu tun, damit Deutschland nicht in den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine hineingezogen werde. Es sei richtig, sich vor solchen weitreichenden Entscheidungen "wieder und wieder und wieder" mit unseren Partnern und Verbündeten eng abzustimmen, ergänzte er. Die Bürgerinnen und Bürger könnten sich darauf verlassen, "dass wir dabei besonnen handeln. Dass wir alle Risiken genau abwägen". Und der SPD-Politiker betonte: "Dazu stehe ich als Bundeskanzler, der dem Frieden und der Sicherheit Deutschlands verpflichtet ist."
Als Bundeskanzler trage er außerdem die Verantwortung dafür, "dass kein Kind, das heute in Deutschland geboren wird, jemals Krieg in unserem Land erleben muss. Das hat für mich absolute Priorität", versicherte Scholz. Viele Bürger fürchteten, dass der Krieg eskalieren könne und dass Sicherheit und Frieden auch in Deutschland in Gefahr gerieten. "Sich Sorgen zu machen um den Frieden, daran ist nichts Naives oder Anrüchiges, wie es manchmal dargestellt wird", ergänzte er.