Nach dem Tod eines Polizisten liegen am Marktplatz in Mannheim in der unmittelbaren Nähe des Tatorts Blumen und Kerzen.

Debatte nach Angriff in Mannheim Abschiebeabkommen mit Afghanistans Nachbarn?

Stand: 05.06.2024 11:28 Uhr

SPD- und Unionspolitiker fordern, künftig Straftäter nach Afghanistan abzuschieben - zum Beispiel über Deals mit Nachbarländern. Im Fall Mannheim widerspricht Grünen-Politikerin Mihalic.

Nach der tödlichen und mutmaßlich islamistischen Messerattacke in Mannheim reißt die Diskussion über ein härteres Vorgehen gegen Islamismus und strengere Abschieberegeln nicht ab. Mehrere unionsregierte Bundesländer unterstützten den Vorschlag von Hamburgs Innensenator Andy Grote, künftig auch nach Afghanistan abzuschieben. Nun fordert auch SPD-Politiker und Thüringens Innenminister Georg Maier Gespräche mit den Nachbarländern Afghanistans über gemeinsame Abschiebungen.

"Man muss jetzt keine Deals mit den Taliban machen", sagte er dem Deutschlandfunk. Es gehe darum, mit Afghanistans Nachbarländern Gespräche zu führen, zum Beispiel mit Pakistan.

Maier hält Abschiebungen nach Afghanistan für vertretbar

Pakistan schiebe aus nationalen Sicherheitsinteressen Menschen nach Afghanistan ab. "Die wollen auch nicht den Terrorismus der Taliban im eigenen Land haben." Es gebe auch andere Nachbarländer, die das ähnlich sähen. "Wenn diese Länder abschieben, dann können wir uns auch beteiligen", sagte er.

Grundsätzlich hält Maier Abschiebungen in das von den Taliban kontrollierte Land für vertretbar. Er sei der Auffassung, dass die Sicherheitslage nicht im ganzen Land so schlecht sei, dass man dort überhaupt niemand hinschicken könnte, sagte der Landesminister. Deutschlands Sicherheitsinteresse sei wichtiger als Schutzinteressen von Extremisten.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) erklärte am Dienstag, sie wolle "möglichst schnell" Klarheit darüber, ob schwere Straftäter nach Afghanistan abgeschoben werden können. Sie lasse das "seit mehreren Monaten intensiv prüfen".

Linnemann will islamistischen Straftätern Staatsbürgerschaft entziehen

CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann fordert in einem Gastbeitrag in der "Welt" einen Aktionsplan "Politischer Islam". Denn der mutmaßliche Täter, ein 25-jähriger Afghane, hat Ermittlern zufolge vermutlich religiöse Motive gehabt. Er hatte am Freitag fünf Teilnehmer einer Kundgebung der islamkritischen Bewegung Pax Europa sowie einen Polizisten mit einem Messer verletzt. Der Beamte starb später aufgrund seiner Verletzungen. Der Täter ist laut einem Sprecher des Landeskriminalamtes Baden-Württemberg weiter nicht vernehmungsfähig.

Konkret fordert Linnemann, islamistische Organisationen zu verbieten und Forderungen nach einem Kalifat strafrechtlich zu verfolgen. Staatsbürgern, die öffentlich zur Abschaffung der freiheitlichen, demokratischen Grundordnung aufrufen und einen Doppelpass haben, sollten die deutsche Staatsbürgerschaft verlieren. Das solle auch für diejenigen gelten, die islamistischen Terror verbreiteten.

Wer durch Hasspredigten auffalle, müsse strafrechtlich belangt und abgeschoben werden. Er könne "Ausreden, dass die Herkunftsländer ihre Leute nicht mehr zurücknehmen", nicht mehr hören. Der Schutz von Gewalttätern und Terroristen dürfe nicht länger über den Schutz der eigenen Bevölkerung gestellt werden.

FDP will radikale Influencer ausweisen

Die FDP-Bundestagsfraktion hat bereits ein Positionspapier zur Bekämpfung des Islamismus beschlossen. Darin fordert sie, extremistische Moscheen zu schließen - wie beispielsweise das Islamische Zentrum Hamburg (IZH), in denen islamistisches Gedankengut gelehrt werde. Vereine wie Muslim Interaktiv sollten verboten werden. Dessen Anhänger hatten bei Kundgebungen Schilder mit Aufschriften wie "Kalifat ist die Lösung" gezeigt.

Um die Radikalisierung von Einzeltätern über das Internet einzudämmen, schlägt die Fraktion vor, islamistische Influencer, die zu Hass und Gewalt aufrufen, auszuweisen, und stärker gegen Plattformen wie TikTok vorzugehen, die strafrechtlich relevante Inhalte nicht ausreichend bekämpften.

Mihalic: Täter könnten sich nach Abschiebung weiter radikalisieren

Die Grünen-Politikerin Irene Mihalic hält die geforderten Abschiebungen nach Afghanistan sicherheitspolitisch für kontraproduktiv. In der Vergangenheit habe man alles dafür getan, dass bestimmte radikalisierte Täter nicht in spezielle Länder ausreisen, um sich dort noch weiter zu radikalisieren, sagte die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion. Sie nun proaktiv dorthin zu fliegen, könne "nicht in unserem Sicherheitsinteresse" sein.

Täter, die schwere Straftaten begangen haben, sollten zwar beschleunigt in ihre Heimatländer abgeschoben werden. Im Fall von Mannheim habe sie aber Bedenken. Es sei nicht möglich, mit einer Abschiebung nach Afghanistan, wo die islamistischen Taliban an der Macht sind, die Sicherheit in Deutschland zu erhöhen. Zudem sei es aus der Sicht der Opfer und Hinterbliebenen "völlig inakzeptabel", Täter in die Freiheit zu entlassen, statt sie zu bestrafen.