Islamisten-Demo in Hamburg Polizeipräsident für Verbot von "Muslim Interaktiv"
Nach der von Islamisten organisierten Demonstration in Hamburg plädiert Polizeipräsident Schnabel für ein Verbot der Gruppe "Muslim Interaktiv". Die FDP will Teilnehmer ausweisen. Laut einem Islamismus-Experten greift das aber zu kurz.
Der Hamburger Polizeipräsident Falk Schnabel hat sich im Gespräch mit NDR Info für ein Verbot der islamistischen Gruppe "Muslim Interaktiv" ausgesprochen - soweit die verfassungsrechtlichen Erkenntnisse ausreichen würden. Nur so sei es möglich, die Verbreitung dieser Inszenierung über Social Media einzuschränken. Diese müsse aufhören, forderte Schnabel. Die Gefahr der Radikalisierung von Muslimen dadurch sei "immanent".
Laut Polizei hatte eine Person, die für die Plattform "Muslim Interaktiv" verantwortlich ist, die Demonstration in Hamburg für den vergangenen Samstag angemeldet. Auch der Hamburger Verfassungsschutz bestätigte, dass der Anmelder der Gruppierung nahe stehe. Der Verfassungsschutz stuft die Organisation als gesichert extremistisch ein.
Kalifats-Bewegung lehnt Demokratie ab
Laut dem Journalisten und Islamismus-Experten Erin Güvercin, Vorstand der Alhambra-Gesellschaft und Mitglied der Deutschen Islamkonferenz, gehört die Plattform "Muslim Interaktiv" einer islamistischen Kalifats-Bewegung an, die die Demokratie ablehne und die Teilnahme an demokratischen Wahlen als "unislamisch" bezeichne. Ihr Ziel sei ein sogenannter Kalifat-Staat, sagte Güvercin bei tagesschau24.
Seit 2003 gilt für die Kalifats-Bewegung ein Betätigungsverbot in Deutschland. Aber zuletzt sei sie über Online-Plattformen wie "Muslim Interaktiv" immer aktiver geworden, vor allem seit dem Angriff der Terrororganisation Hamas auf Israel, sagte Güvercin.
Rund 1.000 Teilnehmende bei Demonstration
Zu der Demonstration im Stadtteil St. Georg waren am Samstag rund 1.000 Teilnehmer gekommen, laut Polizeipräsident Schnabel größtenteils junge Männer. Die Versammlung sei "größtenteils friedlich" verlaufen. Der Protest richtete sich gegen eine laut Veranstalter islamfeindliche Politik und Berichterstattung.
Schnabel kritisierte das Narrativ, das damit verbreitet würde: "Was diese Organisation macht und mit dieser Versammlung deutlich gezeigt hat: Man schwingt sich auf, kritische Berichterstattung an dieser Organisation und einer Einzelperson zur islamfeindlichen Haltung gegenüber Muslimen zu stilisieren."
Appell an Muslime
Es würde suggeriert, für Muslime in Deutschland würden nicht dieselben Grundrechte gelten - und dass ein Kalifat, also ein Gottesstaat, nötig wäre. Auf der Demonstration waren auf Plakaten die Sätze "Kalifat ist die Lösung", "Deutschland = Wertediktatur" oder "Staatsräson tötet" zu lesen.
Schnabel appellierte an die Muslime in Deutschland, "nicht auf diese Masche reinzufallen". Wer vor Ort gewesen wäre, hätte gesehen: "Das ist inszeniert, insbesondere für Social Media-Auftritte."
Teilnehmer der Islamisten-Demonstration in Hamburg am vergangenen Samstag halten ein Plakat mit der Aufschrift "Kalifat ist die Lösung" in die Höhe.
Polizei sieht keine Rechtsgrundlage für Verbot
Wie schon Bundesinnenminister Nancy Faeser nannte Schnabel es "schwer erträglich", das eine solche Demonstration auf den Straßen Hamburgs stattgefunden hat. Die Polizei der Hansestadt habe im Vorfeld intensiv geprüft, ob sich die Versammlung nicht verbieten lasse.
"Es war die übereinstimmende Meinung aller Juristen, dass dafür keine Rechtsgrundlage da ist", sagte Schnabel. Im gemeinsamen Morgenmagazin von ARD und ZDF erläuterte er, beim Versammlungsrecht gehe es nicht darum, bestimmte Meinungen zuzulassen oder zu verbieten, sondern darum, ob eine Versammlung friedlich, das heißt ohne Gefahren und ohne Straftaten verlaufe. "Eine solche Annahme ließ sich im Vorfeld der Versammlung nicht begründen."
Die Versammlungsbehörde habe aber mit sehr strengen Auflagen deutlich gemacht, dass keine Aufrufe zu Gewalt geduldet würden oder Parolen, die das Existenzrecht Israels in Frage stellen. Auch im Nachhinein lasse sich nicht sagen, dass ein Verbot angebracht gewesen wäre unter dem Gesichtspunkt der Gewalttätigkeit.
Polizeipräsident fordert Bund auf, Verbot zu prüfen
Um solche Veranstaltungen zu verhindern, sei der Bund gefordert, "deutlich zu machen, ob diese Organisation, die hinter dieser Versammlung gestanden hat, nicht verboten werden kann". Vergangene Woche hatte bereits die Hamburger CDU gefordert, "Muslim Interaktiv" zu verbieten.
Der Hamburger CDU-Fraktionsvorsitzende Dennis Thering bekräftigte die Forderung nun erneut: "Es reicht nicht aus, dass Bundesinnenministerin Faeser diese Islamisten-Demonstration 'schwer erträglich' findet, sondern sie muss jetzt handeln und ein Verbotsverfahren gegen 'Muslim Interaktiv' zügig durchsetzen."
FDP fordert Ausweisungen
Faeser sagte im Deutschlandfunk, die "roten Linien" solcher Demonstrationen müssten klar sein. Es dürfe keine Propaganda für die Hamas, keine Hassparolen gegen Jüdinnen und Juden und keine Gewaltaufrufe auf deutschen Straßen geben. Sie forderte ein "hartes Vorgehen" der Behörden. Über ein mögliches Verbot der Organisation sprach sie bisher nicht.
Auch die FDP forderte härtere Maßnahmen, darunter Ausweisungen. "Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die freiheitlich-demokratische Grundordnung in Deutschland gefährdet, kann ausgewiesen werden", sagte FDP-Fraktionsvize Konstantin Kuhle der "Welt". Wer bei einer Demonstration die Abschaffung von Grundrechten wie der Pressefreiheit fordere, erfülle diese Voraussetzung.
Islamismus-Experte: Forderung von Abschiebungen greife zu kurz
Islamismus-Experte Güvercin sagte, solche Forderungen nach Ausweisungen oder Abschiebungen gingen "am Problem vorbei". Die Teilnehmer seien keine Geflüchteten, die seit 2015 hier seien, sondern junge Männer, die in Deutschland geboren und hier sozialisiert wurden. "Mit Forderungen nach Abschiebungen alleine kommen wir hier nicht weiter, das ist ein komplexeres Problem", sagte Güvercin bei tagesschau24.
Über die Aussagen von Faeser zeigte er sich verwundert: "Es kann nicht sein, dass die Bundesinnenministerin heute harte Konsequenzen fordert - da frage ich mich, was hat das Ministerium bisher gemacht?" Es sei bekannt, dass die Gruppierung seit Jahren mobilisiere, und über Online-Plattformen sei es bisher trotz des Betätigungsverbots weiter möglich zu indoktrinieren.
Innenministerin müsse handeln
"Die Einzige, die gefordert ist, ist unsere Bundesinnenministerin", meint Güvercin. Sie müsse klarere Maßnahmen gegen die Ableger der Kalifats-Bewegung ergreifen. "Sonst dürfen wir uns nicht wundern, wenn sie uns auf der Nase herumtanzen."
Außerdem müsse die unbequeme Frage gestellt werden, warum vor allem junge muslimische Männer, die in Deutschland aufgewachsen sind, empfänglich seien für antidemokratische Narrative. Er sieht hier die Bildungspolitik in der Pflicht, mehr Angebote zu schaffen und mehr Überzeugungsarbeit zu leisten, um diese Menschen zu erreichen.
Botschafter: "Unglaublich, inakzeptabel, unverständlich"
Der Botschafter der Vereinigten Arabischen Emirate in Deutschland, Ahmed Alattar, schrieb in Bezug auf die Hamburger Demo auf X, es sei "unglaublich, inakzeptabel und unverständlich", wie sich Menschen, die in Deutschland eine Heimat gefunden hätten, gegen Deutschland wenden würden. "Aber das ist typisch für politische Islamisten."
CDU-Politiker Armin Laschet bedankte sich für die Stellungnahme: "Klare Worte vom Botschafter der Vereinigten Arabischen Emirate", schrieb er auf X. "Klare Botschaft, dass auch friedliche arabische Länder sich von Extremisten distanzieren."
Die Polizei Hamburg will nun gemeinsam mit der Staatsanwaltschaft die Demonstration auswerten. Es werde geprüft, ob bestimmte Parolen oder Transparente strafrechtliche Relevanz hätten, sagte Polizeipräsident Schnabel dem NDR.