Marco Buschmann

Gewalt gegen Politiker Buschmann sieht härtere Strafen skeptisch

Stand: 10.05.2024 14:51 Uhr

"Allgemeine Verrohung": Laut Justizminister Buschmann dämmen härtere Strafen die Gewalt gegen Politiker nicht ein. Er reagierte damit auf Vorschläge aus den Ländern. Konfliktforscher Zick setzt auf Prävention.

Mit härteren Strafen lässt sich die zunehmende Aggression gegen Politiker nach Überzeugung von Bundesjustizminister Marco Buschmann nicht eindämmen. "Der Versuch, das gesellschaftliche Problem einer allgemeinen Verrohung der politischen Auseinandersetzung mit dem Strafrecht allein zu lösen, wird scheitern", sagte der FDP-Politiker der Nachrichtenagentur dpa. Er sei gleichwohl bereit, sich Vorschläge der Länder zum Strafrecht anzusehen. 

Innenminister wollen Prüfung des Strafrechtes

Die Innenminister von Bund und Ländern hatten sich nach dem brutalen Angriff auf den sächsischen SPD-Spitzenkandidaten für die Europawahl, Matthias Ecke, am Dienstag zu einer Videokonferenz getroffen. In einem gemeinsamen Beschluss bat die Innenministerkonferenz die Justizminister, möglichst bald zu prüfen, ob "das spezifische Unrecht, das in dem demokratiegefährdenden Umstand solcher Angriffe zu sehen ist" im Strafrecht heute schon ausreichend abgebildet sei.

Geprüft werden solle auch, ob "die bewusste Verbreitung von Desinformationen mit dem Ziel der Wahlbeeinflussung oder Gewalteskalation strafwürdiges Unrecht darstellen".

Sachsen will Gesetzentwurf in Bundesrat einbringen

Ein Bundesland zeigte indes konkrete Absichten: Sachsen will einen Gesetzentwurf in den Bundesrat einbringen, der einen neuen Straftatbestand vorsieht. Demnach soll die Beeinflussung von Amts- und Mandatsträgern durch sogenanntes politisches Stalking geahndet werden. Dabei geht es um Bedrohungssituationen wie etwa aggressive Aufmärsche vor dem Wohnhaus eines Bürgermeisters. 

Der Wortlaut der Vorschläge aus Sachsen liege ihm noch nicht vor, sagte Buschmann. Grundsätzlich müsse das Strafrecht besonderen Anforderungen genügen. "Das heißt, wir können nicht eine unpräzise Formulierung nutzen, die dann möglicherweise auch legitimes Verhalten kriminalisieren würde."

Auch sei die Versammlungsfreiheit ein hohes Gut. Bürgerinnen und Bürger dürften auch gemeinsam gegenüber einem Politiker Kritik zum Ausdruck bringen. "Das muss man präzise von einer nicht mehr akzeptablen Bedrohungssituation abgrenzen", betonte der Justizminister.

Forscher sehen Verschärfung kritisch

Experten sehen Gesetzesverschärfungen kritisch. Das sei "Wasser auf die Mühlen von Populisten, die behaupten werden, die Politik habe die Kontrolle verloren", sagte der Konfliktforscher Andreas Zick den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland. Der Soziologe Holger Lengfeld meint, wer sich entscheide, eine politische Person zu überfallen, den interessiert das Strafmaß nicht. "Sie müssen sich vorstellen: Die Personen glauben, im Namen der Allgemeinheit zu handeln. Sie fühlen sich also legitimiert", sagte er bei tagesschau24.

Ein wesentlicher Grund für die Bereitschaft zur Gewalt seien Ohnmachtsgefühle und das verbreitete Gefühl, "nicht gehört zu werden, nicht zu zählen, nicht repräsentiert zu werden", sagt auch Politikwissenschaftler Wolfgang Merkel gegenüber tagesschau.de. "Dann gibt es im Akt der Gewalt selbst so etwas wie einen Moment der Selbstermächtigung."

Mehr Misstrauen in den Staat

Soziologe Lengfeld warnt vor einer gesunkenen Respektschwelle bei der Anerkennung von Meinungen und mahnt Politiker zu "mehr Besonnenheit und mehr Respekt" gegenüber dem politischen Gegner, zum Beispiel bei Talkshows. Auch Politikwissenschaftler Merkel spricht sich dafür aus, Diskurse zu öffnen. Es genüge nicht, auf seine Position zu beharren oder zu sagen: "Ihr seid Faschisten, mit euch reden wir nicht. Das ist der falsche Weg."

Konfliktforscher Zick sagt, nötig sei eine Förderung von Gewaltprävention und Konfliktmanagement gerade auf lokaler Ebene. Nach Jahren der Polarisierung hätten sich aggressive Feindbilder von Politik durchgesetzt. Das gehe einher "mit einem gestiegenen Misstrauen gegen staatliche Institutionen und einer insgesamt höheren Billigung von politischer Gewalt in der Mitte der Gesellschaft".

Angriffe auf Politikerinnen und Politiker

Der AfD-Vorsitzende Tino Chrupalla bezeichnete den Vorschlag, Attacken auf Politiker härter zu bestrafen, als "Quatsch". "Ein Politiker ist doch nichts Besseres als ein normaler Arbeitnehmer oder Arbeitgeber", erklärte er im rbb-Inforadio. Gleichzeitig betonte der AfD-Chef, dass Gewalt niemals ein Mittel der politischen Auseinandersetzung sein dürfe. "Es ist einfach zu verurteilen, wenn Menschen angegriffen werden - egal aus welcher Gesinnung oder aus welcher Parteizugehörigkeit."

Zuletzt hatten sich Angriffe auf Politiker gehäuft. Vergangenen Freitag war Ecke in Dresden beim Plakatieren krankenhausreif geschlagen worden. Am Dienstag hatte ein Mann die Berliner Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) mit einem Beutel, in dem sich ein harter Gegenstand befand, geschlagen und leicht verletzt.

Die Grünen-Spitzenkandidatin für den Stadtrat, Yvonne Mosler, wurde beim Aufhängen von Wahlplakaten in Dresden angerempelt und bedroht. Zwei AfD-Landtagsabgeordnete wurden in Stuttgart am Mittwoch laut Polizei von mutmaßlichen Gegnern der Partei verbal und körperlich attackiert.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete das ARD Morgenmagazin am 10. Mai 2024 um 06:43 Uhr.